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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

anplauschen laßt mit ein paar schöne Wörteln! Er hat wohl ein paar Mal anfangen wollen, von meiner Schönheit zu reden und von meine nußbraune Augen, aber ich hab’ ihm nichts drauf gegeben und hab’ ihn ausgelacht und hab’ ihm gesagt, er sollt’ seine Geckereien und Spergamenter aufsparen, bis er wieder heim kommt zu seine Berlinerinnen.“

„Na, ich muß’s wohl glauben, wenn Du so red’st,“ sagte sichtlich beruhigter die Bäuerin, „aber es ist mir justament net zuwider, daß unsere Sommergäst’ heuer ausbleiben, wie’s scheint – um die Zeit ist sonst allemal schon ein Briefel dagewesen als Quartiermacher. Für alle Fäll’, Tonerl, bleib’ bei Deiner Gesinnung und denk’, daß es mit Euch Zwei doch nie ’was Richtig’s werden könnt’, und zu ’was Unrichtigem – das weiß ich – ist sich die Funkenhauser-Tonerl viel zu gut und zu stolz!“

„Recht hast, Mutter,“ rief diese entschieden, „ich hab’ nichts mit ihm und will nichts von ihm haben … aber gut bin ich ihm, das leugn’ ich gar net, und warum sollt’ ich ihm das net in allen Ehren sein – Du glaubst net, was er für ein g’schmacher herziger Bue ist …“

„Ich glaub’s, o ich glaub’s übrig …“ sagte die Bäuerin, „aber ich bin schon zufrieden, wenn’s so bleibt! Für alle Fäll’ … ich sag’s nochmal … denk’ daran, daß er net Deines Gleichen ist – er ist aus einem weitentfernten, fremden Land – er hat einen anderen Brauch, eine andere Sprach’ und vor Allem – einen anderen Glauben, er ist ein Luttrischer … er ist ein Stadtherr, Du bist ein Bauernkind, und das ein richtig’s, und sollst ein richtig’s Bauernkind bleiben … Dein’ Bravheit, Dein’ Schönheit und Dein’ G’scheidtheit thäten net auslangen, wenn Du über den Bauernstand hinaus gehen wolltest aber für den Funkenhauserhof, für den Ambros und für mich, da hast gerad’ das richtige Maß!“

Mit dem letzten Grunde schien Tonerl nicht ganz einverstanden zu sein, aber sie kam nicht zur Erwiderung, weil die Bäuerin, die ihre Arbeit beendet hatte, aufstehend ihre Geräthschaften zusammenraffte. „Geh’ in die Kuchel, Tonerl,“ sagte sie, „und gieß’ die Suppen an, ich mein’ ich hör’ die Leut’ schon heimkommen, weil der Hund, der Sult’l gar so rebellt … Richtig, da ist ja der Ambros schon!“

Das Mädchen hatte die Brodschüssel ergriffen und wollte durch die Thür, an dem ihr entgegenkommenden Burschen vorüber, indem sie ihm zu flüchtigem Gruße zunickte.

„Hoho,“ sagte er, ihr leicht den Weg vertretend, „ist es gar so eilig jetzt auf einmal? So viel Zeit wirst doch haben, daß Du mein’ guten Morgen mitnehmen kannst?“

„Auch so viel, Ambros,“ entgegnete sie kurz und wollte weiter, aber Ambros, dessen Gesicht immer trotziger wurde, gab seine Stellung nicht so leichten Kaufes auf.

„Ist das Alles?“ sagte er. „Ich denk’, wie wir Zwei zu einander stehen, wär’s net zu viel, wenn Du Dir net jedes Wort so abkaufen ließest!“

„… Wie wir Zwei mit einander stehen?“ fragte Tonerl und wandte sich ihm zu. „Ja, wie stehen wir denn eigentlich mit einander? Für Vetter und Basel ist der Grüß-Dich-Gott wohl genug, und alles Andere ist noch in weitem Feld, mein’ ich!“

„Aha, ich merk’s wohl,“ rief Ambros spöttisch und ärgerlich, „Du bist heut’ wieder mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden! Vielleicht machst ein freundlicheres Gesicht, wenn ich Dir eine Neuigkeit bring’! Wie wir vorhin unten an der Straß’ gearbeit’ haben, ist der Postbot’ vorbei’gangen und hat mir ein Briefl gegeben für Dich!“

„Für mich? Von wem denn?“ fragte das Mädchen, indem sie das Briefchen verwundert zwischen den Fingern drehte. „Der kommt ja aus der Münchnerstadt, wenn ich mich anders in dem Zeichen recht auskenn’… Wer ist denn in der Stadt, der an mich schreiben sollt’?“

„Ha, närrische Dingin,“ rief die Bäuerin, die ebenfalls neugierig näher getreten, „ich thät den Brief halt aufmachen, da wird’s wohl drinnen stehen!“

Tonerl that es, faltete ein zierlich beschriebenes Blatt auseinander und sah zuerst nach der Unterschrift. „Windacher …“ las sie. „Ich kenn’ Keinen, der sich so schreibt …“

„Windacher? Sonst nichts?“

„Ja, da unten steht noch ’was im Eck,“ rief Toni und buchstabirte etwas mühsam einen Rechnungscommissär heraus. „Rechnungscommissär Windacher,“ fuhr sie kopfschüttelnd fort, „wenn unser Herrgott das Mannsbild net besser kennt, als ich, dann geht’s ihm einmal schlecht in der Ewigkeit!“

„Windacher?“ sagte bedächtig die Bäuerin und legte nachdenkend den Finger an die Nase. „Es ist mir doch, als wenn ich den Namen schon einmal gehört hätt’ … Richtig, es ist schon so! Der junge Herr, der im vorigen Jahr ein paar Mal zu uns heraufgekommen ist, der drunten gewohnt hat auf der Schweig’ bei der Hohenleutnerin, der, mein’ ich, hat einen solchen Namen gehab t… Aber was ist’s denn nachher mit ihm? Was will denn der Herr Commissari von Dir?“

Das Mädchen las: ,Geehrtes Fräulein’ … „Ah, das ist lustig,“ unterbrach sie sich lachend, „geht das an mich? Ich werd’ mich wohl in der Aufschrift verschaut haben! Aber nein, da steht ganz deutlich mein Nam’ … Antonia Funkenhauser … es muß doch wohl mich angehen …“

Unter allseitiger Spannung wurde der Brief zu Ende gelesen; er enthielt einen Heirathsantrag in aller Form. Der junge Mann schrieb und schilderte, wie er Tonerl gesehen und kennen gelernt und wie er nun, da er endlich die längst erhoffte Anstellung als Rechnungscommissär bekommen, das Glück seines Lebens darin zu finden glaube, wenn sie sich entschließen könnte, ihm ihre Hand zu reichen. Der Brief war in der Hauptsache recht klar und bündig geschrieben, es war nicht zu verkennen, daß der Schreibende nach Beruf und Art eine berechnende Natur war, aber mitunter fehlte es nicht an Bildern und überschwenglichen Redensarten, die gegen die Nüchternheit des übrigen Inhalts um so mehr abstachen, als man ihnen ansah, daß sie wie ein gesuchter Schmuck blos äußerlich angeheftet waren. Ein länger ausgeführtes Bild verglich die Schönheit des Haares der Erwählten mit der Kastanie, ihre Augen mit braunen Haselnüssen; ihre Lippen waren als rothe Kirschen und die Wangen vollends als zarte Pfirsiche gepriesen.

Ambros unterbrach ungeduldig die letzten Zeilen der Vorlesung durch lautes Spottgelächter. „Nun weiß ich freilich,“ rief er, „warum das Tonerl auf einmal gar so hoffärtig und kurz angebunden ist! Da wird das Fräulein wohl mit beiden Händen einschlagen, wenn sie eine gnädige Madam’ werden kann, mit einem Federhut und einem Schlepp und einem Reifrock dazu! Das ist freilich ein anderes Korn, als ein armseliger Bauernbursch! Der Commissari muß ein ganzer Kerl sein! Der versteht’s, wie man den Weibeten schön thun muß – der macht gleich einen ganzen Obstgarten aus Dir!“

Das Mädchen öffnete schon den Mund, um in gleichem Tone zu antworten, aber sie hielt inne und begnügte sich die Achseln zu zucken. „Jedenfalls,“ sagte sie, „ist es besser, als wenn er mich für ein Ackerland anschaut, von dem er die Ernt’ kaum erwarten kann … Nimm das Briefel, Mutter, heb’s auf und laß dem Herrn durch den Schullehrer schreiben … einen schönen Gruß von der Funkenhauser-Tonerl, und mit uns Zwei ist es nichts … Aber das siehst doch, Mutter,“ fuhr sie, der Bäuerin auf die Schultern klopfend, fort, „daß es kein Bauer ist, der angeklopft hat … Es muß das Maß doch ein bissel hinaus langen über den Funkenhauserhof!“

Sie ging; Ambros hatte sich an den Thürpfosten gelehnt und sah ihr mit brennenden Blicken nach, bis sie in der Küche verschwand. Es war ihm auch nicht zu verargen, wenn er die Augen von der anmuthigen Gestalt nicht loszubringen vermochte, die so sicher und mit so ruhigem Ebenmaße den Gang dahin schritt. Aber auch der Bursche konnte sich unbedenklich neben ihr sehen lassen; als Mann mindestens ebenso groß, war er zwar keine ansehnliche Erscheinung, weil er sehnig und beinahe hager gebaut war, aber in dem ganzen Körper lag ein angenehmes Verhältniß, aus seiner Haltung sprach Gelenkigkeit, aus seinem ganzen Gebahren das Bewußtsein überlegener Kraft. Damit stimmte auch die breite niedrige, von schwarzem Kraushaar umgebene Stirn, sowie das Paar dunkler Augen überein, aus denen Muth und Entschlossenheit funkelten, wenn auch unverkennbar mit heftigem Wesen und auflodernder Wildheit gepaart.

„Was war das für eine Red’, Bas’?“ wandte er sich nun fragend an die Bäuerin. „Was hat das heißen sollen von wegen dem Maß?“

„Wer wird darnach fragen!“ erwiderte diese ausweichend. „Weißt ja, was sie für allerhand Flausen im Kopf hat!“

„Das weiß ich freilich, aber eben deswegen sollt’ ihr’s die

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