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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Fensterluke rechts das spärlichste Licht, so daß man beim Aufsteigen die Augen in den Fingerspitzen tragen muß und ist so enge, daß die Schultern des Hinaufschreitenden links und rechts die Wände berühren. Hier oben, dicht unter dem Dache, saß nun Friedrich, nichts um sich hörend als das Rauschen der schwarzen Tannenwälder, nichts um sich sehend als das Kreisen der hungrigen Raben. Die schmale Steintreppe ist das einzige Bauwerk im Thurme; unter ihr und neben ihr ist Alles hohl und leer – da lebt nichts, als höchstens die Wanderratte und die Fledermaus.

Das Gefängniß Friedrich’s des Schönen auf Burg Trausnitz.

Dritthalb Jahre lang saß in diesem unheimlichen Raume Friedrich, der Einsamkeit und seinem zehrenden Kummer überlassen. Er hieß nur noch „der Schöne“, er war es längst nicht mehr. Bart- und Haupthaare ließ er wachsen, und als einzigen Zeitvertreib schnitzte er Pfeile, die er nicht verschießen konnte. Selbst seine Gemahlin – die Königstochter Elisabeth von Aragonien – durfte nicht zu ihm und weinte sich darüber blind.

Friedrich’s Bruder Leopold setzte zwar den Kampf gegen den Kaiser mit allen Kräften fort, aber vergeblich war all’ sein Mühen, den Gefangenen zu befreien. Weder die Gewalt half, noch die List und äußerste Kühnheit. Es klingt wie eine Sage, daß einmal in der Nacht ein Jüngling, der Kleidung nach ein Student oder fahrender Schüler, die Mauern der Trausnitz von außen erstiegen haben soll. Es pochte draußen am Fensterlein und eine Stimme mahnte den gefangenen Friedrich herbeizukommen und mit ihm herunterzufahren.

„Wer bist Du?“ fragte voll Entsetzen Friedrich, denn ein Menschenkind schien ihm solches Werkes nicht fähig.

„Frag’ nicht, wer ich sei, willst Du anders entkommen und behend thun, was ich Dir heiße,“ war die Antwort.

Da überfiel den König banges Grausen wie die Wächter, welche ihn hüteten. Sie Alle schlugen ein Kreuz, als erblickten sie den bösen Geist, am Fensterlein hangend, und mit lautem Gebet und Geschrei vertrieben sie denselben. Darum lief im Volke lange die Rede, es habe ein Meister schwarzer Kunst Leopolden verheißen, seinen Bruder durch den Teufel entführen zu lassen.

Leopold hatte sich auch einmal zu dem Mittel der freundschaftlichen Annäherung gewendet und die Reichsinsignien an Ludwig ausgeliefert; allein die Unterhandlungen führten nicht zur Versöhnung, weil er weder die Ansprüche seines Bruders auf die deutsche Königskrone ganz fallen, noch die durch ihn besetzten Städte des Reiches in Schwaben und Elsaß frei lassen wollte. Da er nun weder durch freundliches Unterhandeln, noch durch kriegerisches Pochen den Kaiser Ludwig bewegen konnte, den gefangenen Friedrich auf freien Fuß zu stellen, so versuchte er in seiner Erbitterung das Aeußerste, sich Anhänger zu werben und neue Fehde zu beginnen. Er schloß ein engeres Bündniß mit dem König Johann von Böhmen und rief den König von Frankreich zu Hülfe, um Deutschland mit Krieg zu überziehen und dessen Krone auf des Letzteren Haupt zu bringen. Umsonst war aber diese Verschwörung. Sie zerfiel durch Mißtrauen und Selbstsucht ihrer Glieder und scheiterte an des Baiern unerschrockener Tugend.

Was Leopold’s Trotz nicht zu erreichen vermochte, gelang der Frömmigkeit und dem Glauben an das menschliche Herz. Gottfried, der Prior der Karthause zu Maurbach, der Beichtiger des gefangenen Friedrich, reiste nach München zum Kaiser Ludwig und

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 573. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_573.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)