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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)


Ob man je dahin gelangen wird, Gold zu machen? Niemand vermag die Frage zu beantworten. Da aber der Zweifel allezeit in der Entwickelung der Wissenschaften sich als der beste Freund der Wahrheit bewährt hat, so möge man es den Chemikern nicht verargen, wenn sie so lange wie möglich daran zweifeln werden.

Sollte aber die Zeit kommen, wo man das Gold beliebig zu machen im Stande wäre, so wäre mit einem solchen goldenen Zeitalter den Menschen wenig genutzt, denn das Gold würde gar bald aufhören, Gegenstand der Wünsche zu sein. Immer aber würde der Menschheit die Sehnsucht bleiben nach dem goldenen Zeitalter des Friedens und der Humanität. – Möchte lieber dieses der Welt erscheinen!




Der letzte Dictator Venedigs.
Von Adolf Stahr.
(Schluß.)


Ich muß es mir, wenn auch ungern, versagen, hier ausführlicher einzugehen auf die Darstellung des Heldenkampfes der endlich unterliegenden Republik von San Marco wider den immer übermächtiger herandringenden Gegner. Wer sich darüber näher unterrichten will, der möge die Geschichtswerke von De la Forge und Le Masson, die Biographie Manin’s von Martin nachlesen, und vor Allein das Tagebuch des wackern Schweizerhauptmanns Joseph Debrunner, der an der Spitze einer selbstgeworbenen Compagnie den ganzen Freiheitskampf Venedigs vom Anfange bis zum Ende durchgemacht hat.

Was von vornherein Venedig eines Hauptmittels zum Erfolge beraubte, war der Umstand, daß es den Oesterreichern gelang, durch Benutzung eines ohne Wissen Manin’s in der Capitulation gemachten Fehlers zu verhindern, daß die bei Pola in Istrien liegende venetianisch-italienische Kriegsflotte nach Venedig geführt wurde. Hierdurch wurde Venedig gleich anfangs flügellahm zur See. Dazu kamen bald, wie bekannt, noch eine Reihe anderer Unglücksfälle: das Scheitern der Erhebungen in Verona und Mantua, die zweideutige, unentschlossene Haltung der französischen Republik, die Spaltungen in Italien selbst durch die Mazzini’sche Partei, die weder von französischer noch selbst von piemontesischer Hülfe etwas wissen wollte, das Unglück Carl Albert’s und endlich der Abfall Neapels und des Papstes von der Sache der nationalen Erhebung Italiens.

Siebenzehn Monate lang war Manin während aller dieser verschiedenen Phasen fast alleiniger Regent Venedigs mit einer nahezu dictatorischen Gewalt, ohne dabei auch nur einen Augenblick aus der schlichten bürgerlichen Einfachheit seines Wesens und seiner äußeren Lebensführung herauszutreten. An Muth und aufopfernder Gesinnung den großen Bürgern altrömischer Zeit vergleichbar, war seine Tugend größer, weil sie menschlich edler und von ungleich größeren Ideen getragen war. Feind aller Anarchie, hielt er die Ordnung aufrecht durch alle Stürme und Schrecknisse dieser Zeit, ohne Blutvergießen allein durch sein Ansehen und durch das Vertrauen des Volkes zu ihm. Keine Racheopfer fielen, kein einziges Todesurtheil – außer das eines meuternden Soldaten – ward unter dem Regimente dieses großen Volksführers gefällt, dessen Größe – neben einer unerschütterlichen Energie – eben hauptsächlich in seiner Mäßigung bestand. Viele seiner Freunde hatten an dem Opfermuthe und der Bereitwilligkeit des Volkes von Venedig gezweifelt. Er nicht. „Ich kenne es besser,“ sprach er am Vorabende seines kühnen Handstreiches gegen das Arsenal zu den Zweifelnden, „und mein ganzes Verdienst besteht darin, daß ich es kenne!“ Und sein Vertrauen täuschte ihn nicht. Denn dieses Volk, über das die von ihm ausgegangene Erhebung alle Schrecknisse und alles Elend des Krieges und der Belagerung, der Seuche und des Hungers brachte, von dem die Noth der Zeit unaufhörliche Opfer forderte – entzog ihm bis zur letzten Stunde niemals sein Vertrauen und seine Liebe, begrüßte ihn, der alle Opfer und Entbehrungen theilte bis zum letzten Augenblicke, mit dem Namen „il padre“, und beging mitten unter den Schrecken der Belagerung den Jahrestag der Befreiung des „Vaters des Vaterlandes“ aus dem Kerker mit einem Feste.

Und dieser Mann, der im Innern die größten gesetzgeberischen Reformen in’s Leben rief, während er die auswärtigen Verhandlungen zu leiten und Tag und Nacht daran zu arbeiten hatte, um die Vertheidigungsmittel gegen den äußeren Feind und das für sie nöthige Geld zu beschaffen, er, auf dem siebenzehn Monate lang fast alle Last der Geschäfte lag – er litt zu derselben Zeit an einem schmerzhaften und gefährlichen körperlichen Leiden und sah sein geliebtes Kind, seine Tochter Camilla, an unheilbarem Siechthum dem Tode entgegen kranken! Aber das Bewußtsein seiner großen Aufgabe hielt ihn aufrecht und gab ihm immer neue Spannkraft. Als dreißigtausend Oesterreicher am Rande der Lagunen standen, bereit, die vernichtenden Feuergeschosse ihrer Kanonen auf die Stadt zu schleudern, wenn sie sich nicht, der an sie ergangenen Aufforderung gemäß, unterwerfe, antwortete die Versammlung der Volksvertreter mit dein einstimmig gefaßten Beschlusse des Widerstandes auf jegliche Gefahr, den alsbald der Dictator Manin seinem auf dem Marcusplatze harrenden Volke mit den Worten verkündete: „Venezia resistera ad ogni costo![1] Wie es sein Wort gehalten, das bezeugt am besten die Anerkennung, welche selbst Gegner, wie der österreichische General Schönhals, dem Heldenmuthe der Vertheidiger Venedigs gezollt haben.

Am 24. August 1849 capitulirte Venedig. Der Dictator Manin war in den letzten Tagen wieder Nationalgardist geworden. Mit seinen Compagnien hatte er persönlich in der Stadt Emeuten unterdrückt, das Leben des Patriarchen, den das Volk des Einverständnisses mit den Oesterreichern bezichtigte, geschützt und überall in der durch Hunger, Feuersnoth und Cholera bedrängten, von einzelnen Desperados aufgehetzten Bevölkerung die Ordnung aufrecht erhalten. Dann, als die Regierung zur Einleitung der Capitulation ihre Gewalt in die Hände der Municipalität niederlegte, zog er sich in seine Wohnung zurück, um sich und die Seinen zur Abreise zu rüsten. Die ganze Nacht hindurch hörte er die Stimmen aus den Volkshaufen unter seinen Fenstern, die ihm zuriefen: „Povero nostro padre! hai tanto sofferto per noi![2] Es war sein schönster Lohn und – sein einziger. Arm, wie er seine Dictatur übernommen, hatte er sie niedergelegt, so arm, daß er – der über Millionen während seines Regimentes verfügt und der niemals eine Besoldung genommen hatte – jetzt genöthigt war, eine Summe von viertausend Scudi (etwas über fünftausend Thaler) anzunehmen, welche ihm die Municipalität im letzten Augenblick als nächste Aushülfe für Flucht und Exil aufdrang. Denn Manin und mit ihm noch vierzig andere Patrioten waren auf Verlangen Oesterreichs von der Capitulation ausgeschlossen worden.

Das Exil! das war das Härteste, was Manin treffen konnte. Zum Tode erschöpft, mit zerrissenem Herzen, bestieg er – während Patriarch und Geistlichkeit, wie immer dem Sieger gewärtig, zu Ehren der wiedergekehrten Fremdherrschaft in demselben Dome das feierliche Tedeum anstimmten, in welchem sie siebenzehn Monate zuvor die Sache der Freiheit gesegnet hatten – mit seinem Weibe und seinen beiden Kindern das Schiff, das ihn auf Nimmerwiedersehen von der Heimath fort nach Frankreich in’s Exil tragen sollte.

Das Schicksal liebt es, dem Starken viel aufzuerlegen. Wenige Stunden, ehe er aus der Heimath schied, starb ihm sein treuester Freund, sein ihm ganz ergebener Secretär Pezzato, an gebrochenem Herzen. Kaum in Marseille angelangt, verlor er die Gattin; Teresa Manin, die ihrem Gatten in allen seinen Kämpfen, Mühen und Leiden mit heroischem Muthe zur Seite gestanden hatte, erlag, von Kummer und Heimweh erschöpft, einem Choleraanfalle. Allein mit seinen beiden Kindern, seinem siebenzehnjährigen Sohne und seiner unheilbar kranken Tochter, erreichte er endlich Ausgangs October die Hauptstadt Frankreichs, welches die Lagunenstadt in ihrem Todeskampfe so schmählich verlassen hatte.

Seine geringen Mittel waren bald erschöpft. Aber vergebens boten ihm Verehrer seines Heldenmuthes, bot ihm selbst das Gouvernement

  1. „Venedig wird widerstehen, es koste, was es wolle!“
  2. Unser armer Vater! Du hast so viel für uns gelitten!
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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 505. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_505.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)