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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Abschriften verbreiteten Anträge und Petitionen hervorriefen, war außerordentlich. Sie ward noch gesteigert durch die Nachrichten aus Sicilien, wo offener Aufstand ausgebrochen war, aus Rom, Toscana und Piemont, wo der Weg nationaler Reformen beschritten wurde, aus der Lombardei, wo sich unruhige Bewegungen zeigten. Es kam auch in Venedig zu Demonstrationen nationalen Sinnes im Theater, man sammelte Geldbeiträge für die Opfer des in Mailand blutig gestillten Cigarrencrawalls. Da geschah das Unglaubliche. Das österreichische Gouvernement in Venedig wandte sich an Manin, an einen Mann ohne Stellung, ohne Rang und Vermögen, mit dem Ersuchen: die Aufregung zu beschwichtigen! Manin forderte als nothwendige Bedingung schleunige Erfüllung der gestellten Reformwünsche und wies auf die Gefahr hin, welche bei einer Zögerung drohe. Die Antwort war: erst müsse die Aufregung gestillt sein, ehe man die Reformgesuche in Wien empfehlen könne. Und als Manin dies für unmöglich erklärte, griff man zu und setzte ihn (18. Januar 1848) mit seinem Freunde, dem Schriftsteller Tommaseo, gefangen unter die „Bleidächer“.

So goß man Oel in’s Feuer. Selbst das Criminalgericht weigerte sich, eine Untersuchung gegen die Verhafteten einzuleiten. Die Aufregung wuchs allgemein, die Demonstrationen häuften sich. Der Carneval blieb ungefeiert, die Schauspielhäuser blieben leer, selbst der sonst so zahme Adel Venedigs stellte seine Gesellschaften und Festbälle ein, und Mitglieder der Nobelgarde forderten in Wien ihre Entlassung aus dem Dienste. Vor Manin’s Kerker aber zogen täglich Tausende aus allen Ständen in Trauerkleidern vorbei, die Mauern mit abgenommenen Hüten und geschwenkten Tüchern grüßend. Bis in das unterste Volk drang die Begeisterung für den allgemein geliebten Tribunen. Die uralten Parteien desselben, bekannt unter dem Namen der Nicolotti und Castellani, feierten zu Ehren des Gefangenen, der ihnen früher oft vergeblich Frieden und Eintracht gepredigt hatte, in der Kirche Madonna della Salute ihre Versöhnung und Verbrüderung. Der ihres Ernährers beraubten Familie Manin’s wurden von allen Seiten Unterstützungen geleistet und angeboten, während er selbst durch die Kühnheit und Unumwundenheit seiner Sprache bei den mit ihm angestellten Verhören die Beamten in starres Erstaunen setzte. Vergebens bot die Regierung Alles auf, aus seiner Sache einen Hochverrathsproceß zu machen. Was vor Jahr und Tag noch leicht gewesen wäre, war jetzt plötzlich schwieriger geworden. Schon war man entschloßen, ihn fort von Venedig und auf den Spielberg zu bringen. Aber man wagte es nicht, und da sich die Aufregung durch die Nachricht von der Verleihung einer Constitution in Neapel noch steigerte, so wurden endlich Abgesandte mit Bitten zur Gewährung von Reformen nach Wien entsendet.

Die Antwort war: Verkündigung des Belagerungszustandes und des Martialgesetzes in Venedig!

Doch diese alterprobten Beruhigungsmittel des Metternich’schen Regierungssystems sollten sich diesmal nicht bewähren. Die Februarrevolution brach aus, und am 17. März erscholl von dem in den Hafen Venedigs einlaufenden Triester Dampfer der Ruf: „Constitution in Wien!“

An eine Abführung Manin’s nach Oesterreich war jetzt nicht mehr zu denken; statt dessen stürmte ein Volkshaufe das Gefängniß desselben. Manin jedoch weigerte sich, den Kerker ohne einen ausdrücklichen Freilassungsbefehl der österreichischen Behörde zu verlassen, und erst als derselbe erfolgte, durfte ihn das Volk unter tausendstimmigem Jubelrufe auf den Schultern aus dem Gefängniß in seine Wohnung tragen.

Das Gouvernement erbat jetzt auf’s Neue seine Hülfe zur Herstellung der Ordnung und bewilligte ihm zu diesem Zwecke die Errichtung von zweihundert Mann Bürgerwehr, die er bald auf ebensoviele Tausend brachte. Aber der von ihm ersehnte günstige Augenblick der Erhebung gegen die Fremdherrschaft war jetzt gekommen, und Manin war entschlossen, ihn zu benutzen. Der Revolutionär trat an die Stelle des geduldigen Reformers. Jetzt oder nie! hieß für ihn die Losung. „Eine Erhebung Venedigs ist unmöglich ohne den Besitz des Arsenals!“ rief er seinen Vertrauten zu. Aber fast Allen schien ein solches Unternehmen ein verzweifeltes und hoffnungsloses. Der Commandant der Bürgerwehr versagte jede Mitwirkung, ja er verweigerte Manin sogar die von demselben befehligte Compagnie. Dennoch beschloß Manin, während die städtischen Behörden kostbare Zeit in Verhandlungen mit dem Gouvernement verloren, den kühnen Handstreich auf eigene Faust zu wagen. Am Abend des 21. März sprach er zu seiner Gattin Teresa: „Morgen um diese Zeit ist Venedig in meiner Hand, oder ich lebe nicht mehr!“

Der kühne Streich gelang. Nur von seinem sechszehnjährigen Sohne und einigen zwanzig Nationalgardisten begleitet, die er unterwegs auf etwa hundert Mann verstärkte, begab er sich in der Morgenfrühe des 22. März nach dem Arsenal. Er nahm den commandirenden Admiral Martini gefangen und bemächtigte sich ohne Blutvergießen aller dort aufgehäuften Vorräthe. Er bewaffnete die Arsenalarbeiter, ernannte den Obersten Graziani zum Commandanten der Marine und zog sodann an der Spitze der unterdeß zahlreich herbeigeströmten Nationalgarden, unter Entfaltung der dreifarbigen Fahne Italiens nach dem Marcusplatze, wo er begleitet von dem Jubelrufe: Viva San Marco! die Republik proclamirte.

Der Gouverneur Graf Palffy, der noch vor Kurzem das hochmüthige Wort gesprochen: „Gegen die Venetianer brauche ich keine Kanonen, nur den Stock!“ legte sofort seine Amtsgewalt in die Hände des Militärcommandanten, Grafen Zichy, nieder, der eben so kopflos wie er noch am selbigen Tage eine unrühmliche Capitulation abschloß, welche ihm freien Abzug mit allen deutschen Truppen gestattete, während die italienischen Regimenter mit allen Kriegsvorräthen und Cassen zurückblieben. Eine provisorische Regierung ward eingesetzt, an deren Spitze der einstimmige Wille des Volks seinen Liebling Manin berief, und am 23. März ertheilte die Geistlichkeit, ihren Patriarchen an der Spitze, öffentlich der glücklich vollzogenen Revolution Venedigs ihren feierlichen Segen.

So hatte denn der brave Patriot den Gedanken der Befreiung seines Vaterlandes, für den er in jahrelanger mühsamer Thätigkeit besonnen und maßvoll gewirkt, durch kühnen Entschluß im Ergreifen des günstigen Augenblicks glücklich verwirklicht. Aber dieser Erfolg berauschte ihn nicht. Wie er früher in fester Zuversicht alle Genossen übertroffen hatte, so war er ihnen jetzt voraus in sorgender Thätigkeit für die Sicherung des errungenen Erfolges. Er glaubte an denselben, und dieser Glaube verstärkte seine Kraft; allein auch für den Fall des Unterliegens wollte er wenigstens Eines sichern: die Wiedererhebung Venedigs in der Achtung der Welt, die Ehre seines Vaterlandes. Und diesen Vorsatz hat er treulich gehalten. Er hat Venedig nicht retten, seine Freiheit nicht erhalten können, aber es unterlag glorreich. Es fiel erst, als in ganz Italien bereits die Sache der Befreiung unterlegen war, und seinen Fall begleitete in ganz Europa die Anerkennung seines Heldenmuthes und seiner Würdigkeit zur Freiheit und Selbstständigkeit. Das war vor allen Anderen das Werk Daniele Manin’s.

(Schluß folgt.)




Wild-, Wald- und Waidmannsbilder.
Nr. 26. Am Thiergarten.
Von Guido Hammer.


Von jeher übte schon der bloße Anblick eines so recht verwetterten, mit graugrüner Flechte überwucherten Wildzaunes einen ganz unbeschreiblichen Zauber auf mich aus. Was träumte da mein Sinn sich Alles dahinter! Und lag denn dabei nicht auch die Wirklichkeit vor, daß da drinnen, im eingehegten, stillen Forste, das von mir so sehr geliebte Wild verborgen sein mußte, da ja sonst eine Einfriedigung zwecklos gewesen sein würde? Um nun, wenn es auch nur von außen sein konnte, möglicherweise ein Stück Wild davon in Sicht zu bekommen, war es mir ein Geringes, eine vielleicht viele Meilen weit umschlossene Wildbahn ohne Aufenthalt zu umkreisen. Oder ich konnte wohl auch dicht an der Vermachung einer solchen im Grase oder auf duftiger Erica tagelang

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 491. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_491.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)