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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Wir machen den Schluß unserer Auszählung der protestantischen Führer – 1ast, not least – mit Dr. Karl Schwarz, sicher einem der am reichten Begabten und am tüchtigsten Bewährten. Auch er ist einer jener klaren, arbeitstreuen, geistvollen norddeutschen Charaktere, die nicht durch sprudelnde oder stürmische Beredsamkeit wirken, sondern vielmehr durch Wucht der Ueberzeugung, Sicherheit und unverhüllte Schärfe der Untersuchung. Karl Schwarz ist einer der gedankenreichsten Redner; in schönem, am Studium der Classiker gesättigtem Styl leitet er den Hörer von einer Höhe der Gedanken zur andern, leicht verständlich und klar auch die verwinkeltsten Gegenstände vorführend. So kennen ihn die Gebildeten Deutschlands in seinen „Predigten aus der Gegenwart“, so steht unübertroffen in der Kunst plastischer Schilderung seine „Geschichte der neuesten Theologie“ da. Voll Kraft des Urtheils, ohne Hinterhalt zur freiesten rationalen Kritik sich bekennend, legt er doch in Wort und That, in Amt und Schrift Zeugnis; ab von einer mächtigen sittlichen Wärme, wie sie zum Predigten gehört.

Nach langer Zeit der Hintansetzung und kleinlichen Bedrückung in seiner früheren Professur zu Halle hat ihn mitten im Zeitalter der Reaction Herzog Ernst von Gotha an seine Hofkirche und an die Spitze seiner Landeskirche berufen, wo er seitdem in reichem Segen wirkt. Er präsidirte mit Bluntschli dem ersten Protestantentage in Eisenach und hielt dort auch seine berühmt gewordene, viel geschmähte, glänzende Rede für die Lehrfreiheit in der evangelischen Kirche. Er ist vielleicht derjenige unter den von uns genannten Männern, welcher bei einer hervorragend praktischen Begabung auf die Neugestaltung der evangelischen Kirche am thatkräftigsten einzuwirken berufen ist. Wenigstens hat er in seinem „Grundriß der christlichen Lehre“ ein klares Verständniß von dem wirklich im Volke lebendigen Christenthum dargethan. Denn so schlicht und einfach zurückgehend auf Jesu eigene Gedanken, ohne alle spätere Zuthaten, wie in diesem Büchlein, ist der Kern der volksthümlichen Religion lange nicht dargestellt worden. Wer aber einen Blick hat für diese Einfachheit durch alle theologischen, schulmeisterlichen Nebel hindurch – der ist ein praktischer Geistlicher in des Wortes bestem Sinne.

Wir schließen unsere Umschau im Protestantenverein. Der letzte Tag des Vereins in Bremen hat von Neuem das einmüthige Zusammenstehen aller in demselben vereinigten verschiedenartigen Kräfte bewiesen. In dieser Einigkeit liegt die Macht des Vereins. Er wird fortfahren, das Gewissen der besten Männer unseres Volkes wachzurufen. Schon beginnen die Zeichen sich zu mehren, daß der Morgen anbricht. Nach langer Zeit einmal hat das liberale Bürgerthum Berlins seine Stimme gegen die dreiste Orthodoxie erhoben; es ist zu hoffen, daß man nicht auf halbem Wege stehen bleiben und energisch eine Freigebung der evangelischen Kirche vom Staate fordern wird. Man gebe eine Repräsentativverfassung mit freien Wahlen, und im Handumdrehen wird der pharisäischen Herrschaft der Orthodoxie und Halborthodoxie ein Ende gemacht, damit aber auch den sittlichen Mächten des Christenthums wieder ein freierer Zugang zum Herzen des Volkes geschaffen sein.





Gruß an Oesterreich.

Zum dritten deutschen Bundesschießen in Wien.

In Nacht versank des Thales Grund,
In Nacht versank sein Hoffen,
Umgähnt vom finstern Schreckensschlund,
Blieb ihm kein Rückweg offen,

5
Einsam im Todeskampfe stand

Auf ödem Felsensplitter
Der keckste Schütz’ im ganzen Land,
Der letzte deutsche Ritter.

So warst in Deiner höchsten Noth,

10
Mein Oestreich, Du verlassen,

Sahst schon im blut’gen Abendroth
Den letzten Tag erblassen;
Da naht’ auch Dir mit einem Mal,
Von Himmelsglanz umgeben,

15
Ein Engel, der Dich in das Thal

Geführt zu neuem Leben.

Erfaßt hast Du die treue Hand
Und läß’st sie nimmer wieder,
Dein Kaiser von der Martinswand

20
Blickt segnend auf Dich nieder:

Der Engel, den er einst geschaut,
Mit seinem Volk verbündet,
Nun sich’s der Freiheit anvertraut,
Sein Oestreich neubegründet!

25
Die Fahne wallt, die Glocke schallt,

Der Jubel steigt zum Himmel,
Auf allen Straßen wogend ballt
Sich fröhliches Gewimmel;
Ein heller Klang, ein frischer Sang,

30
Der Freiheit wack’re Stützen,

So ziehen sie mit stolzem Gang
Einher, die deutschen Schützen.

Die Herzen und die Arme auf,
Der Bruderkuß verkündigt:

35
Vergessen, was der Zeiten Lauf

Hier hat wie dort gesündigt;
Es soll in unsrer Herzen Bund
Kein schnöder Grenzpfahl ragen,
Allüberall ist deutscher Grund,

40
Wo deutsche Herzen schlagen!


Hat uns getrennt des Schicksals Bann,
Nicht soll’s der Fremde nutzen,
Einhellig schlagen auf ihn an
Die Büchse und der Stutzen;

45
Und wo der Freiheit Feinde droh’n,

Kein Posten stehe einsam,
Ihr schwerer Dienst, doch auch ihr Lohn
Sei Allen uns gemeinsam!

So kämpfe fort an seinem Ort

50
Ein Jeder denn für Alle,

Ein Deutschland! sei das Losungswort,
Das durch die Reihen halle;
Die Herzen glüh’n, die Augen sprüh’n,
Hell strahlt’s aus diesen Flammen:

55
Die Freiheit führt nach harten Müh’n

Auf ewig uns zusammen!

Albert Traeger.




Der Wanderredner in Amerika.

Weit, weit draußen ist’s, im „fernen Westen“ auf den amerikanischen Prairien, hundert deutsche Meilen westlich vom Missouri und etwa halbwegs zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ocean. Auf Hunderte von Stunden ist ringsum kein Haus, keine Spur von der Existenz des Menschen, da plötzlich kommt zum ersten Male der Dampfzug angebraust, der die beiden Küsten des amerikanischen Continents verbinden soll, und nicht lange währt es, so folgen ihm alle Zeichen und Leistungen des transatlantischen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 473. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_473.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)