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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

„Ich höre, und ich fürchte, ich verstehe auch! Ihr wollt ein anderes Frauenherz hinopfern und versuchen mit ihrem Blut die alten Wunden zu heilen!“

„Es ist so, Cläre,“ rief er schmerzlich, „ich suchte Zerstreuung und fand Liebe, denn ich bin’s, bin der Prinz, der auszog in Leichtsinn, um sich einen Spaß zu machen, und der nun reuevoll zu Deinen Füßen liegt und fleht: vergieb mir, Cläre, vergieb mir, und wenn Du willst, und wenn Du kannst, dann liebe mich und sei mein!“

Sie sprang auf und machte sich heftig los von seinen Händen, die bemüht waren, sie zu halten.

„Steht auf, Herr Prinz,“ sagte sie, „ich mag Euch nicht zu meinen Füßen sehen, und nun hört, was ich Euch zu sagen habe! Ihr habt schlecht an mir gehandelt, und es thut mir leid um Euch, daß ich Euch sagen muß, Ihr habt nicht wie ein Prinz gehandelt, sondern wie ein recht leichtsinniger und erbärmlicher Mensch! Was hatte ich Euch gethan, daß Ihr herkommt zu mir und mit Euren Worten und Blicken mein Herz bethören wolltet? Meintet Ihr, ich wäre zum Spielwerk für Euch gut genug und das Herz eines armen Bürgermädchens sei nicht so viel werth, wie das einer Prinzessin? Wolltet Euch nur zerstreuen? Zerstreuung war’s, wenn Ihr einem armen Menschenkinde das Messer in die Brust stoßt und es darin umkehrt und seht, wie das Blut fließt! O, schämt Euch, Herr, das ist nicht schön, nicht fürstlich gehandelt!“

Sie sah schön und prächtig aus mit diesem stolzen Ausdruck ihrer Züge, mit diesen flammenden Augen und der hoch aufgerichteten Gestalt, schön und prächtig wie eine Königin! Und recht wie ein armer Sünder, demüthig und still, stand der Fürstensohn der Bürgerstochter gegenüber. Demüthig und stehend hob er jetzt die gefalteten Hände zu ihr auf.

„Vergieb mir, Cläre!“

„Nein, ich vergebe Euch nicht!“ rief sie stürmisch. „Ihr habt mich belogen und betrogen, Ihr habt mir Liebe geheuchelt, und das ist schändlich! Was that ich Arme, daß Ihr so an mir handeln mußtet, so schändlich und so grausam?“

Ihre Stimme erstickte in Thränen und schweigend, wie zerschmettert, sank sie wieder auf den Stuhl zurück. Und da lag er wieder auf den Knieen vor ihr, und leise flüsterte er:

„Was Du mir thatest, Cläre? Nichts hast Du mir gethan, als daß Du unschuldig warst und rein. Siehe, Deine Lieblichkeit hat mich bezwungen, daß ich Dir die Wahrheit bekennen und frei und ehrlich zu Dir reden muß! Wärst Du nicht, wie Du bist, so würde ich leichtsinnig und frohen Herzens das gute Glück entgegennehmen, würde das heitere Spiel ein paar Tage fortgesetzt haben und dann von dannen gegangen sein auf Nimmerwiedersehen! Aber Dich möcht’ ich nicht betrügen, Cläre, und vor Dir möcht’ ich nicht länger die Augen niederschlagen.“

„Daß Ihr mich ansehen konntet,“ sagte sie zürnend, „daß Ihr die Augen frei zu mir erheben konntet und wußtet doch in Eures Herzens Grund, daß Alles nur Trug war und Lüge, daß Ihr Euren Scherz mit nur triebt und Liebe, heucheltet, von welcher Euer Herz nichts wußte!“

„Nein, Cläre, jetzt bist Du’s, die mir Unrecht thut! Ich liebe Dich, ich schwör’s zu Gott, ich liebe Dich, und daß ich Dir bekenne, was ich bin, daß sei Dir ein Beweis davon, und wenn es wahr ist, daß Du mich liebst, dann beweise es auch Du.“

„Womit kann ich es Euch beweisen?“ fragte sie, ihn groß ansehend mit ihren hellen, blauen Augen.

„Damit, Cläre,“ flüsterte er leise, „damit, daß Du mein bist! Ja, komm’ mit mir, ich schwöre Dir, daß ich Dich nie verlassen will! Du sollst die Herrin in meinem Hause sein, sollst schalten und walten können über Alles, was mein ist! Willst Du, Cläre, willst Du mit mir kommen, wie Du’s gesagt hast, durch die ganze Welt? Ich biete Dir mein Herz, aber ich sag’ Dir’s ehrlich, meine Hand kann ich Dir nimmer bieten, und wenn es Dir nicht genug ist, ganz in der Stille mein zu sein –“

„Still!“ rief sie laut und sprang auf, „still, Herr Prinz; ich gab Euch meine Liebe, und Ihr bietet mir meine Schande! Das thut weher, als alles Andere. Daß Er ein Prinz ist, das ist schon Unglücks genug. Aber daß Er’s wagt, so zu mir zu sprechen, das ist mehr als Unglück, das ist Verachtung! Gehe Er, Herr Prinz!“

Er neigte still sein Haupt und murmelte: „Ich hab’s verdient!“ und sah zu ihr auf mit einem traurigen Blick, und mit Augen, die verdüstert waren von Thränen, wandte er langsam sich um und ging nach der Thür hin.

Aber nun sprang sie auf und faßte ihn und rief: „O, geh’ nicht, geh’ nicht, Ludwig, denn ich liebe Dich!“ Und da hing sie an seinem Halse und weinte bitterlich und klammerte sich an ihn, als gälte es hinabzusinken in den Abgrund und als wollt’ sie sich retten vor einem Unglück, das aus diesem Abgrund sie angähnte. „Ich liebe Dich, liebe Dich grenzenlos! Ich fühl’s jetzt, da Du fortgehst! Ich liebe Dich und werd’ an Dich denken mein Leben lang und um Dich weinen. O, wie konntest Du so grausam sein und so hart!“

„Vergieb mir, Cläre, vergieb mir, denn ich leide sehr und mein Herz macht mir Vorwürfe und ist doch selbst so unglücklich. Vergieb mir!“

Sie preßte ihre Arme fester um seinen Nacken und drückte einen langen Kuß auf seine Lippen, dann auf einmal riß sie sich los und drängte ihn nach der Thür hin. „So, nun gehe, liebe mich nicht mehr und gehe!“

Er öffnete die Thür, taumelte hinaus wie ein Trunkener und mußte draußen auf dem Flur lange Zeit stehen bleiben, um sich zu sammeln und das schmerzliche Schreien in seiner Seele still zu machen.

Der Altgeselle und die anderen Gesellen saßen lange in der Herberge und warteten auf Ludwig Preuß und tranken tüchtig Bier auf seine Rechnung und ärgerten sich sehr, daß er nicht kam. Es war ein gar lustiger, flotter Bursch, und es war hübsch mit ihm zu singen und zu plaudern. Als er immer noch nicht kam, gingen sie nach dem Wirthshaus, in welchem er wohnte, und fragten nach ihm. Er war droben in der Stube, und der Altgeselle ging hinauf. Aber die Thür war verschlossen, und von drinnen antwortete Ludwig Preuß, er wäre krank und könne nicht kommen, sie sollten aber recht fröhlich sein und tüchtig essen und trinken auf seine Rechnung.




7. Der Abschied.

In der Frühe des nächsten Morgens hielt ein Wagen vor der Thür des Gasthofes, in welchem Ludwig Preuß in Burg wohnte. Der Hausknecht trug den kleinen Mantelsack hinunter und machte sich dann Allerlei an dem Wagen zu thun, bis Ludwig Preuß herunter kam, um einzusteigen. Der Wirth kam hinter ihm her mit respectvoller Miene und mit gezogenem Käppel, denn der junge Herr hatte die Rechnung gezahlt, ohne irgend etwas abzudingen, und hatte auch ohne Murren bezahlt, was der Herbergvater noch angekreidet hatte für das Essen und das Bier des Altgesellen und seiner Freunde.

Wie er jetzt in den Wagen sprang, da reichte er auch dem Hausknecht, der den knarrenden Wagentritt aufschlug, ein Trinkgeld dar, und der hätte schier laut aufschreien mögen vor Wonne und Ueberraschung, denn einen harten, blanken Thaler hatte er ihm gegeben. Der Wagen fuhr von dannen und der kratzfüßende Wirth und der entzückte Hausknecht schauten ihm nach, und Jeder dachte bei sich selber: der ist entweder närrisch oder furchtbar reich, oder am Ende gar ein verkleideter Prinz; ein gewöhnliches vernünftiges Menschenkind zahlt nicht solche Rechnungen und giebt nicht solche Trinkgelder!

Ueber das holprige Steinpflaster fuhr der Wagen knarrend und polternd dahin, und die Leute in den Häusern rissen die kleinen Fenster auf und schauten ihm nach, und die jungen Mädchen, welche den Ludwig Preuß erkannten, seufzten und sagten: „Es scheint, die Herrlichkeit ist jetzt zu Ende und der schöne Schlossergeselle reist schon wieder ab; das wird die Cläre recht betrüben.“

Jetzt war der Wagen dicht am Thor, er machte Halt vor dem Hause des Schlossermeisters Kleemann und Ludwig Preuß sprang heraus. – Er wußte es ja, daß der Meister mit seiner Ehehälfte noch nicht heimgekehrt sein konnte von Magdeburg, – wußte, daß er die Cläre allein treffen würde in der Laube.

Und da saß sie, so wie er sie zuerst gesehen, saß und bereitete das Gemüse vor für den heutigen Mittagstisch. Nur sah sie blässer aus als damals, und die wenigen Tage hatten eine traurige Veränderung in dem lieblichen jugendlichen Antlitz bewirkt. Die Wangen waren eingefallen, die Augen geröthet und der Mund, der sonst so froh gelächelt, war fest zusammengepreßt, als wollte er einen Schmerzensschrei zurückhalten.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 451. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_451.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)