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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 27.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Prinz oder Schlossergeselle.
Historische Novellette von Louise Mühlbach.
(Fortsetzung.)


Cläre überlegte lange, was sie für ein Kleid zum Ball anziehen solle, und suchte in den Truhen nach dem weißen Zitzkleide mit den bunten Blumen, welches die Frau Pathe im vergangenen Jahre der Cläre zu ihrer Einsegnung geschenkt hatte. Das Kleid mußte noch ein wenig mit Schleifen aufgeputzt werden, und dann war’s ein richtig Ballkleid. Und durch die langen goldenen Zöpfe, die, fest geflochten, doch fast wie ein Arm dick über den Nacken der Cläre hingen, da wollte man auch so ein paar rothe Bänder flechten, dann war’s ein schöner Staat zum Ball. Für die Mutter hatte es keine Noth, das Hochzeitskleid von blauem Tuch lag sorgfältig zusammengewickelt in der Truhe und nur an Ehrentagen ward’s hervorgeholt. Das Hochzeitskleid war noch wie neu, und übermorgen konnte die Frau Meisterin damit paradiren auf dem Ballfest. Aber die große Flügelhaube mit den weißen Spitzen und den langen Bändern, die freilich muß noch hergerichtet und in Ordnung gebracht werden. Und das ist der Cläre ihre Arbeit, die versteht prächtig die Flügelhauben und die Kragen zu waschen und zu plätten, ist wie eine richtige Putzmacherin, und bis übermorgen ist eine lange Zeit, da kann man noch gar schön Alles einrichten und vorbereiten.

Am Abend fand in der Herberge die Mahlzeit statt, zu welcher Ludwig Preuß den Meister mit seinen Gesellen eingeladen, indem er sie gleichzeitig beauftragt hatte, noch ein paar Andere mitzubringen.

„Ein richtiges Dutzend muß es sein,“ hatte Ludwig Preuß zu dem Altgesellen gesagt, als der ihn fragte, wie viel er noch einladen sollte, „ein richtiges Dutzend, und wenn ein Paar darüber sind, schadet’s auch nichts.“

„Und Ihr wollt bezahlen für so viele Menschen?“ fragte der Altgeselle ganz ehrfürchtiglich.

Ludwig Preuß nickte. „Ja, ich will bezahlen, so viel Ihr nur essen und trinken mögt, und Ihr sollt Euch nicht geniren, denn ich habe mir von meinem Vater expreß etwas Geld geben lassen zu dem Einweihungsschmaus, und es soll mich freuen, wenn’s schmeckt und Ihr fidel seid!“

„Nun, das wird keine Sorge haben,“ schmunzelte der Altgeselle, „fidel wollen wir schon sein, denn das kann man schon, wenn man’s umsonst hat.“

Und wahrhaftig, sie waren fidel, die ehrsamen Zunftmeister und Gesellen. An der langen Tafel saßen sie da, und drüben an der Seite neben dem Meister Kleemann saß der Mosje Ludwig Preuß und schaute so vergnügt und lustig um sich, als wär’s ein absonderlich Fest heut’, und schien sich gar köstlich zu amüsiren, wie jetzt beim Bierkrug der Altgeselle ein lustig Schmiedelied anstimmte und die Anderen dann im Chor einfielen und mit den blechernen Deckeln der Krüge den Schmiedetact dazu schlugen, als ob die Hämmer auf den Ambos fielen.

„Das klingt gar prächtig,“ sagte er vor sich hin, „das muß ich nur heut’ Abend noch aufschreiben, es ist ein frisches, urkräftiges Lied, das Niemand empfinden kann, wenn er’s nicht gehört hat.“

„Jetzt singt uns ein Lied, Ludwig Preuß!“ rief der Meister, als das Schmiedelied beendet war, „singt uns ein lustiges, flottes Lied, denn ich denke mir schon, Ihr wißt was davon und kennt recht die Lieder der neusten Mode; kommt ja aus Berlin, und da giebt’s übermüthiges Volk, das allerlei Neues weiß, was wir ehrsamen Leute in der kleinen Stadt Burg nimmer gehört haben; singt uns ein neues Lied!“

Ludwig Preuß blickte mit gar lustiger Miene um sich her und ganz leise sagte er zu sich selbst: „Ist’s nicht, als ob wir hier in Auerbach’s Keller wären, und wär’s nicht allerliebst, wenn ich die Scene aus dem Keller dem lieben Goethe zu Ehren hier in’s Leben setzte? Ich wünschte, er wäre dabei, Meister Goethe, er würd’ seine Freude daran haben!“

„Ludwig Preuß, singt uns ein Lied, ein lustiges Lied!“ schallte es wieder. Und da stand er auf, nahm den Bierkrug in die Hand, that einen tüchtigen Zug und neigte sich züchtig und fein zu beiden Seiten hin.

„Wenn’s die Herren befehlen, so sing’ ich ein Lied nach der neusten Mode, wie man es jetzt in Berlin liebt.“

„Das Lied wollen wir hören,“ riefen die Meister und Gesellen und schlugen mit den Deckeln auf ihre Krüge ein.

Und Ludwig Preuß hob das Glas empor und begann mit lauter, kräftiger Stimme:

„Es war einmal ein König,
Der hatt’ einen großen Floh.“

Da lachten die Gesellen und Meister unbändig und begleiteten das ganze Lied mit ihrem brüllenden Lachchor. Die ganze Nacht hindurch dauerte das Gelage, und als beim hereinbrechenden Morgen man sich heimbegab, da schwuren die Zunftmeister wie die Gesellen, daß man niemals einen prächtigeren, fideleren Menschen und einen flotteren Gesellen gesehen habe, als den Mosje Ludwig Preuß.




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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 417. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_417.jpg&oldid=- (Version vom 13.10.2021)