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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

orgienartigen Csárdás mit der Schwester seiner verstorbenen Braut, dann mit einer Andern, mit einer Dritten, und nach jeder Tour ließ man ihn wieder trinken; er taumelte bereits. Ich forderte den jungen Dráskóczy auf, dagegen einzuschreiten, und wir versuchten es die Leute zu überreden, doch es war nicht möglich; am Felsen der Vorurtheile scheiterten alle unsere Vernunftgründe. Als wir ihn aber fortreißen wollten, bemächtigten sich die Willis unserer Personen. Drei, vier von ihnen überfielen Jeden von uns, sie drehten uns im wirbelnden Kreisel, dem wir nicht widerstehen konnten, und wir waren froh, als sie uns endlich losließen und wir den Friedhof verlassen durften, ohne selber zu Tode getanzt zu werden. Am nächsten Morgen erkundigte ich mich nach Martzi; er war in total bewußtlosem Zustande nach Hause gebracht worden und mußte das Bett hüten.

Im Herbste desselben Jahres, als ich wieder mit dem jungen Dráskóczy zusammentraf, erfuhr ich von ihm, daß sich der Bursche in jener Nacht eine Lungenentzündung zugezogen, an deren Folgen er wenige Wochen darauf starb.


Ein Künstlerleben. Unsere Leser erinnern sich gewiß gern zweier Genrebildchen „O bete, Kind!“ und „Sein Bild“, von welchen wir jenes im vorigen Jahrgang, Nr. 49, dieses im laufenden, Nr. 21, der Gartenlaube mittheilten. Beide Male ist es versäumt worden, den Namen des begabten Künstlers zu veröffentlichen; um so mehr freut es uns, nun in den Stand gesetzt zu sein, mit diesem Namen zugleich das interessante Bild einer rüstigen Künstlerlaufbahn „von der Pike auf“ in raschen Zügen verbinden zu können.

Theodor Thieme lebt als ein vielgesuchter Portrait- und Genremaler in Dresden. Wie vielen seiner Kunstgenossen drückten die Armuth der Eltern und der Drang nach einer der Kunst möglichst nahe stehenden Thätigkeit ihm die kalte Nadel des Lithographen in die Hand. Bekanntlich erfreute, wie die Musik, auch die Lithographie sich früher der zunftmäßigen Behandlung ihrer Glieder; so kam auch Thieme zu einem schlesischen „Meister“ in die „Lehre“, mußte, da er kein „Lehrgeld“ bezahlen konnte, dasselbe durch verlängerte „Lehrzeit“ abverdienen und das bekannte Lehrlingsschicksal jener guten alten Zeit bis in sein achtzehntes Jahr ertragen, wo er als Wanderbursche in die Fremde zog. An selbstständigen Erwerb schon in der Kindheit gewöhnt, – denn noch als Zögling der untersten Classe des Görlitzer Gymnasiums, an welchem sein Vater den Zeichenunterricht ertheilte, hatte Thieme durch Malen von Stammbuchblättern, Landkarten und dergleichen für seine Mitschüler sich Rock und Stiefeln zu seiner Confirmation verdient – fand er bald lohnende Arbeit, zeichnete namentlich in Polen eine Menge Heiligenbilder in Kreide auf Stein und faßte, von dem ungewöhnlichen Geld in der Tasche ermuthigt, den Entschluß, jetzt noch, im einundzwanzigsten Jahre, auf eigene Faust Maler zu werden. Er eilte nach Dresden, erlangte (1844) den Aufnahmeschein zur Akademie und warf sich mit aller Kraft lang gehemmter Sehnsucht auf seine geliebte Kunst, des Leibes Nahrung und Nothdurft dem lithographischen Erwerb in seinen Freistunden anvertrauend. Dieses Vertrauen bewährte sich jedoch so wenig, wie der Ruf eines allgemein gepriesenen reichen „Beschützers der schönen Künste“, der ihn mit einer dringend empfohlenen Bitte um Unterstützung zurückwies, „weil er, nach seinen Kleidern zu urtheilen, der Hülfe noch nicht bedürfe“. Das Jugendglück half über den knurrenden Magen hinweg, Thieme schwang sich durch alle drei Classen der Akademie hindurch bis zu Julius Hübner’s Atelier empor und war gerettet. Empfehlung und glückliche Leistungen verschafften ihm lohnende Bestellungen, deren klingendes Resultat er anwandte, um sich auf der Akademie zu Antwerpen weiter auszubilden und nach vollendetem Cursus Brüssel und Paris zu besuchen und dann nach Dresden zurückzukehren. Dies geschah im Jahre 1853. Seitdem hat Th. Thieme den Kunstsitz an der Elbe nicht wieder verlassen. Hier war sein nächstes Streben, den Portraitbildern mehr dauernden Werth dadurch zu sichern, daß er Portraitgruppen im Charakter von Genrebildern componirte, gewiß das beste Mittel, dergleichen Gemälde vor dem Schicksal, von undankbaren Enkeln in die Rumpelkammer geworfen zu werden, zu bewahren. Von diesen genreartigen Portraits ging er zur Genremalerei selbst über, und zwar mit eben so vielem Geschick wie Glück. Seine „alte Muhme“ und „die Verlassene“, sowie „die Wittwe“ (von uns als „Sein Bild“ bezeichnet) und „O bete, Kind“, gehören zu den trefflichen Originalwerken, die mit Recht die Freude ihrer Besitzer sind. Möge dem Künstler noch mancher so glückliche Wurf gelingen, wie bisher! Der Ernst seiner Bilder ist stets der Art, daß er das Mitgefühl erregt, aber ohne es zu hart zu beladen oder gar zu verletzen.


Ein beharrlicher Druckfehler. Es ist gewiß wünschenswerth, daß die neuen Classikerausgaben, die wir nach dem Erlöschen des Cotta’schen Privilegiums zu erwarten haben, uns die Werke unserer großen Dichter in möglichst fehlerfreier und vollkommener Gestalt bieten. Um dies zu erreichen, sollte Niemand, der im Stande ist, zu Beseitigung der schon früh eingedrungenen und beharrlich von einer Ausgabe in die andere fortgeschleppten zahlreichen Druckfehler beizutragen, mit seinem Scherflein zurückhalten, und vielgelesene Blätter, wie die Gartenlaube, können sich ein wahrhaftes Verdienst erwerben, wenn sie derartigen Berichtigungen ihre Spalten öffnen. In der Hoffnung, daß sein Beispiel Nachahmung finde, will der Einsender dieses hiermit einen sinnverwirrenden Druckfehler in Platen’s Werken berichtigen.

In der „verhängnißvollen Gabel“ (Ausgabe von Platen’s Werken in fünf Bänden, Stuttgart und Tübingen, Cotta, 1854. – Vierter Band Seite 12) erzählt der Jude Schmuhl seinem Universitätsfreund, dem Schultheiß Damon:

„Noch in Leipzig ergab ich mich ganz, wie Du weißt, Schwarzkünsten und chemischen Studien,
Und die Chiromantie und die Pyromantie und die Nekromantie des Agrippa, Drauf las ich für mich Pfaff’s Astrologie und in Göttingen trieb ich Punktirkunst.“

und fährt dann fort:

„Als einst bei Nacht ich im Mondschein saß auf der Pleiße romantischen Trümmern,
Und ein Zephyr strich durch’s Buchengezweig, weit über die Felder der Eb’ne,
Da erschien ein Gespenst mir …“

Platen’s Leipziger Leser werden in Verlegenheit sein, wo sie an ihrem heimischen Flusse die romantischen Trümmer und die Buchenwaldungen zu suchen haben, und ihre Rathlosigkeit wird steigen, wenn sie bald darauf lesen:

„Sie (die Erscheinung) verschwand und es theilte der Nachtflor sich, tief sanken zu Thale die Nebel,
Ich selbst ließ drauf nach Arkadien mich einschreiben im Göttinger Posthaus.“

Die Lösung des Räthsels liegt einfach darin, daß statt „Pleiße“ zu lesen ist: „Plesse“. So heißt nämlich eine von Studenten zu Platen’s Zeit und auch jetzt noch vielbesuchte Burgruine in der Nähe von Göttingen.

Dresden. M. K.


Der Unions-Präsident Johnson ist, wie unsere Leser längst wissen, mit neunzehn gegen fünfunddreißig Stimmen freigesprochen. Eine einzige Stimme fehlte zur Zweidrittelmajorität, welche das Gesetz für die Verurtheilung erfordert. Niemand wird dieser Art Freisprechung ein bedeutendes moralisches Gewicht beilegen, auch wenn die vielfach verkündete Untersuchung wegen Bestechung zu Gunsten des Angeklagten sich in ein Gerücht auflösen sollte. Gleichwohl ist der Jubel der dort sogenannten demokratischen Partei, welcher Johnson angehört, außerordentlich und spricht sich in Verhöhnungen und Angriffen aus gegen Alle, welche während des Processes auf der Seite der Ankläger gestanden. Zu letzteren gehörte die „Gartenlaube“ insofern, als sie über diesen Gegenstand den unseren Lesern bekannten, Johnson’s Parteitreiben scharf rügenden Bericht eines ihrer langjährigen Mitarbeiter veröffentlichte. Gegen diesen erhebt soeben ein New-Yorker Journal seine Stimme, indem es ihm vorwirft: „er habe seinen Namen verschwiegen, weil er sich fürchte, öffentlich blamirt zu werden.“ Daß dieser Verfasser sich nicht fürchtet, hat er oft genug der amerikanisch-demokratischen Partei bewiesen. Er gehört zu den hervorragendsten Männern der Union und hat als Staatsmann wie als Publicist sich eine einflußreiche Stellung zu erringen gewußt. Schon deswegen brauchten wir uns nicht zu bedenken, einen Artikel aus seiner Feder in die Gartenlaube aufzunehmen. Wir haben aber auch außerdem in dem vorliegenden Fall die liberale Presse Deutschlands ohne Ausnahme auf Seite der republikanischen Partei Nordamerikas gefunden und ihr nach unserer Ueberzeugung uns angeschlossen. D. Red.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_416.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)