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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

linke Hand, sieht Er, so, und da packt man nun das Eisen, sieht Er, wie ich’s jetzt mache, und dann schwingt man’s auf den Ambos.“

Und der Meister hob mit kräftigem Arm die glühende Eisenstange mit der Linken aus der Esse, schwang sie durch die Luft, daß sie einen glühenden Kreis beschrieb, und legte sie nun auf den Ambos nieder.

„Jetzt fast Er an, Ludwig Preuß, hier ist der Hammer.“

„Schön, ich fasse an,“ sagte Ludwig Preuß und nahm die Zange, aber ließ den Hammer liegen, nahm mit der Zange die glühende Eisenstange, hob sie empor, ließ sie einen Kreis schwingen und legte sie wieder in die Esse.

„Was soll das bedeuten?“ fragte der Meister.

„Das soll bedeuten, Meister, daß, wenn man ein Werk thun will, man es auch zuerst angreifen muß mit eigener Hand,“ rief der junge Mann frohgemuthet, und nun faßte er mit der Zange die Eisenstange wieder empor, ließ sie, gleich dem Meister, einen glühenden Kreis schwingen, und da lag sie jetzt auf dem Ambos, und dann hob er den Hammer.

Die Gesellen, die vorher höhnisch zu ihm hingeblickt hatten und gedacht haben mochten, er würde das schwere Eisen nicht heben können, die sahen jetzt ganz ernsthaft drein und keiner wagte zu lachen.

„Was geschieht nun, Meister, was hat man weiter zu thun, um einen Brettnagel zu schmieden?“ fragte der neue Lehrbursche.

„Man nimmt den Hammer und bearbeitet das glühende Eisen links und rechts, daß die Funken fliegen, und macht es spitz.“

Und rechts und links, daß die Funken davon flogen, bearbeitete Ludwig Preuß das Ende des glühenden Eisens und machte es spitz. Dann schaute er zu, wie der Meister, der neben ihm stand und es auch so machte, das dünn zusammengeschlagene und gespitzte Ende der Eisenstange auf die kleine Schneide emporhob und mit dem Hammer darüber hieb, daß das gespitzte Ende hoch emporflog und dann wieder nieder.

„Jetzt die glühende Eisenstange rasch zurück in die Esse und schiebt mir den spitzen Nagel nun hinein hier in die kleine Maschine. So, und jetzt noch mit dem Hammer drei tüchtige Hiebe gethan, daß ein Kopf draus wird.“

Drei tüchtige Hiebe that Ludwig Preuß, und dann schlug er unten mit dem Hammer dagegen, daß der spitze Stachel herausfuhr, hoch aus der Maschine heraus und hinein in das Wasser, das daneben stand.

Meister Kleemann hob den langen, etwas schief gebogenen Nagel aus dein Wasserbehälter hervor und reichte das kleine, dampfende Ding dem neuen Lehrjungen dar.

„Das ist der erste Nagel, den Er geschmiedet hat,“ sagte er mit feierlicher Stimme, „den muß Er sich aufheben sein Leben lang, und ich will Ihm wünschen, daß Ihm kein Nagel im Kopf und Herzen und Gewissen stecken bleibt, sondern daß Er unvernagelt und gesund und frei aller Orten ist!“

„Dank Euch, Meister, für den schönen, prächtigen Wunsch!“ rief der junge Mann, nicht mit der Ehrerbietung in der That, welche ein solcher Kiekindiewelt dem Meister zollen mußte. „Dank Euch für den prächtigen Wunsch! Hurrah, ich hätt’ nun meinen ersten Nagel geschmiedet! Und der große Gott wird geben, daß es kein Nagel zu meinem Sarge wird. Das Ding gefällt mir unbändig, Meister, und ich sag’s Euch vorher, werd’ nicht eher ruhen, als bis ich einen tüchtigen Brettnagel nach allen Regeln der Kunst fabriciren kann.“

Einen, zwei und drei Nägel schlug nun der neue Lehrjunge mit kräftigem Arm und tüchtiger Faust zurecht, und die Gesellen verziehen ihm seine weißen, feinen Hände und die feinen, weißen Hemdsärmel dazu. War er doch sonst ein ganz tüchtiger Mensch, wie es schien, und es war ganz unmöglich, daß der nicht schon früher den Hammer geführt, denn ein Lehrling kann nicht einen so raisonnablen Brettnagel fabriciren.

„Wenn’s Euch recht ist, Meister,“ sagte nach einer Weile der junge Lehrbursche, da er ein halb Dutzend Nägel fabricirt hatte, „wenn’s Euch recht ist, so ruhe ich jetzt ein wenig, bin eben noch ein Schwächling im neuen Handwerk, und die jungen Cyklopen werden mit mir Nachsicht haben.“

„Was ist das?“ fragte der Altgeselle, der eben den Hammer erhoben hatte, um einen zierlichen Halbnagel zu fabriciren. „was ist das für eine Rede? Wie nennt er uns? Ich glaube, er will uns schimpfiren.“

„Um Gotteswillen, nein,“ lachte der junge Mann, „hofiren will ich Euch, aber ich bitt’ Euch um Vergebung, wenn Ihr mich falsch verstanden habt. Ich meinte mir, ich hätte nicht so starke, kräftige Glieder, und bin nicht so anstellig, wie Ihr, aber Ihr dürft mich deshalb nicht verachten und Ihr müßt mir schon vergönnen, daß ich auf gute Cameradschaft heute mit Euch trinke. Ihr erlaubt doch, Meister, daß ich die hochlöblichen Gesellen und den Meister selber heut’ Abend einlade zu einem kleinen Abendbrod in der Herberge.“

Der Meister nickte gravitätisch, und die Gesichter der Gesellen nahmen einen freundlicheren Ausdruck an.

„Ich sehe, er weiß, was der Brauch ist,“ sagte der Meister, „und wir kommen und nehmen den Imbiß an in der Herberge.“

„Und ladet mir noch ein paar andere Meister und Gesellen ein,“ sagte Ludwig Preuß und seine Stimme klang gebieterisch, aber sie hörten’s gern jetzt, denn eine Einladung kann schon gesagt werden in welchem Ton sie will, sie klingt immer recht hübsch, „ladet mir noch ein paar andere Meister Eures Gewerkes dazu.

Auch wär’s gar nicht so übel, wenn Ihr ein paar hübsche Mädchen einlüdet, daß wir lustig sein und tanzen können.“

Die Gesellen ließen alle wie auf Commando mit einem lauten Gedröhn die Hämmer auf den Ambos niederfallen und schauten erschrocken und belustigt zu dem jungen Mann hin.

Das war unerhört in der ganzen Schmiede. Ein eben eingetretener Lehrjunge untersteht sich zu sagen, daß man hübsche Mädchen soll in die Herberge einladen!

„Das heißt, Er will einen Ball geben?“ fragte Meister Kleemann ganz erschrocken.

„Natürlich einen Ball,“ erwiderte der junge Mann; „wenn keine Mädchen dabei sind, ist’s langweilig, und unter uns können wir nicht tanzen.“

Aber der Meister schüttelte den Kopf. „So rasch macht sich das Ding nicht. Man fällt nicht aus den Wolken herunter und sagt zu den ehrsamen Frauen und Töchtern des Gewerkes: ,Kommt heut’ Abend und tanzt!’ Das muß fein sittsam gemacht werden, und dann geht’s heut’ nicht, dann müssen wir warten bis übermorgen.“

„Nun, so laßt uns warten bis übermorgen mit dem Ball, und heute Abend lade ich Euch Alte zum Imbiß ein.“

Das war erstaunenswürdig, man hatte nie dergleichen gehört. Wer konnte wissen, was das für ein Monsieur war? Meister Kleemann sagte zu sich selber: „Ein Schauspieler ist’s nimmermehr, denn die Kerls haben nie Geld und sind immer so pauvre, und der scheint Geld zu haben. Gleichviel was er ist, wenn er zahlt, ist’s gut, und das muß er in der Herberge.“ –

Die Cläre saß heut’ wie gestern in ihrer Laube im Garten, es war nichts Auffälliges dabei, sie saß da alle Tage, denn sie liebte die Blumen, das Grün und die frische Luft, und sie konnte da so gut wie in der Küche die Kartoffeln schälen und das Gemüse herrichten und konnte nachher noch dort sitzen und arbeiten und nähen, es war kein Zeitverlust und es arbeitete sich viel schöner in der lieben Gottesluft, als in der dumpfen Stube.

Aber die Cläre sang heute nicht und es schien, als lausche sie gar aufmerksam nach den Stimmen, welche aus der offenen Thür der Schmiede herausklangen.

Sie hatte ein feines Ohr, sie hörte, wie der junge Fremde davon sprach, daß auch Mädchen geladen werden sollten und Frauen, und daß er einen Ball geben wollte in der Herberge.

„Ich will nicht hingehen, ganz gewiß nicht,“ sagte sie leise zu sich selber, „er ist ein gar zu übermüthiger Mensch, wie mir scheint; ich will nicht hingehen!“

Und wie sie’s eben gedacht hatte, da trat ganz keck und übermüthig der junge Fremde an die Laube heran.

„Schön Clärchen, darf ich eintreten einen Augenblick?“

Sie schrak zusammen und senkte ihren Kopf nieder auf ihre Arbeit und dachte wohl, er sollte nicht sehen, daß sie dunkelroth geworden war.

„Wenn’s der Vater erlaubt hat, daß Er in den Garten kommen kann, so hab’ ich nichts dagegen,“ sagte sie.

„Und so darf ich eintreten?“ Er wartete gar nicht die Antwort ab und war schon eingetreten in die Laube und hatte mir nichts dir nichts auf der Bank gegenüber, auf der andern Seite

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 403. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_403.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)