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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Schloß eingeschlichen hatte. An den mußte die Cläre denken, wie der junge Mann sich tief vor ihr verneigte und so ehrerbietig sprach. Aber es schmeichelte ihr doch und wider ihren Willen umspielte ein Lächeln ihre frischen Korallenlippen.

Er sah es, als er jetzt seine braunen Augen zu ihr emporhob, und er lächelte auch und nickte ihr zu, daß sie tief erröthend versuchte ernsthaft zu sein und es doch zu ihrem eigenen Aerger nicht konnte.

„Ihr erlaubt es doch, gnädiges Fräulein von der Laube, daß ich noch ein klein Bissel in dem Garten bleiben kann?“ fragte der junge Mann mit ehrerbietiger Stimme. „Die Levkoyen hier und der Goldlack duften gar so prächtig, und mir scheint, die Schmetterlinge, die hier so lustig um die Laube flattern, sind blos um Euretwillen gekommen und sind Eure verkleideten Pagen, welche Euch die Grüße von den Engeln im Himmel herniederbringen.“

„Jetzt ist es klar, er ist ein Komödiant,“ brummte Meister Kleemann, gravitätisch mit dem Haupte nickend. „Mau muß Acht haben auf ihn, denn solches Volk ist gar zu frech, und wer weiß, was er im Schilde führt. – Wie heißt Ihr denn, Monsieur? und bei welchem Namen soll ich Euch nennen und in das Buch eintragen?“

„In welches Buch?“ fragte der junge Mann sich rasch umwendend zu Meister Kleemann.

„Nun, in das Lehrbuch, in welches ich Jeden einzeichne, der bei mir in der Schmiede lernt, und dann muß ich Euch ja such anmelden bei der Hochlöblichen Polizei.“

„Glaub’ nicht, daß das nöthig ist,“ erwiderte der junge Mann rasch. „Ich wohne im Gasthof und habe bei dem Gastwirth mich schon legitimirt, und da will ich auch ferner bleiben. Was aber Euer Buch anbetrifft, so schreibt nur hinein: Ludwig Preuß.“

„Schön, Ludwig Preuß. Und woher?“

„Aus Berlin. Mein Vater ist Hausbesitzer.“

„Ich denke, Ihr habt ein Gut in der Mark?“ fragte der Meister ein wenig argwöhnisch.

Der junge Mann nickte. „Ein Bauergut in der Mark und ein Haus in Berlin.“

„Da müßt Ihr ja höllisch reich sein,“ sagte der Meister Kleemann kopfschüttelnd, „und es wundert mich wirklich, daß Ihr das Schmiedehandwerk erlernen wollt. Es würd Euch überdies schwer werden, Eure Hände sind so weich.“

„Sie werden schon hart und schwielig werden,“ lachte der junge Mann, „wenn ich den Hammer führe und die Zange in der Hand halte. Nicht wahr, Meister Kleemann? dafür ist keine Noth, sie werden schon schwielig werden. Es können ja auch nicht alle Hände so sein wie die von Jungfer Cläre, so rein, so appetitlich und nett.“

Und ohne weitere Umstände trat der junge Mann in die Laube ein, nahm die Hand des jungen Mädchens zu ihrem größten Schrecken in die seine und drückte einen Kuß auf dieselbe. Sie entriß sie ihm hastig.

„Scheint mir ein schöner Wildfang zu sein,“ brummte Meister Kleemann. „Man wird Acht auf ihn haben müssen und er soll mir nicht oft im Garten sein. Aber vier Groschen für die Stunde ist doch auch eine hübsche Sache, und man wäre ein Narr, wenn man es sich entgehen ließe von so einem Narren, wie der mir zu sein scheint.“

Am nächsten Morgen in der Frühe trat der junge Mann „im regulären Schlosseranzug“ in die Schmiede ein. Meister Kleemann betrachtete. ihn mit prüfendem Blick und dann nickte er. Es war allerdings nichts auszusetzen an dem Anzüge, nur daß er im Ganzen feiner, zierlicher und eleganter aussah, als es sich eigentlich für einen Schmiedegesellen geziemt. Das lange, graue Beinkleid war von feinem Stoff, das Schurzfell war funkelnagelneu, und wie es so fest um die Taille geschnürt war, sah man, wie schlank und stark und prächtig diese Taille war. Noch niemals war ein Gesell in die Schmiede gekommen mit einer so prächtigen Weste von dunkelbrauner Seide, die im Rücken gerade so mit Seide gemacht war, wie vorn aus der Brust. Und die Hemdärmel, die aus der Weste hervorsahen, waren so fein und so puffig und bauschig, wie man es auch im Leben von einem Schmiedegesellen noch nie gesehen hatte, und was das für eine Mähne von dunkelbraun lockigen Haaren war, welche das hübsche Angesicht und die rothen Wangen umgab, und wie klug die braunen Augen dreinschauten, so fröhlich und so muthig!

Es war ein Vergnügen, einen solchen Schmiedegesellen anzusehen, und dem Meister selbst lachte das Herz im Leibe, als der junge Mensch mit so frischer und so froher Miene zu ihm herantrat, ihm die Hand bot und ihm guten Morgen wünschte.

„Verdammt weich sind Eure Hände, Mosje Preuß,“ sagte der Meister kopfschüttelnd. „Es wird Euch wehe thun und Schwielen machen, wenn Ihr den Hammer in die Hand nehmt.“

„Es thut Manches wehe, wenn man’s zuerst angreift,“ sagte der junge Mann mit munterer Stimme. „Aber man gewöhnt sich auch an Alles. Gebt nur den Hammer her und lehrt mich, was ich zu thun habe.“

Die Gesellen mit ihren rußigen Gesichtern schauten anfangs wohl verächtlich drein auf den geschniegelten, feinen Mosje, der sich unterstehen wollte, Schlosser zu werden mit den weißen, feinen Händen und den feinen, weißen Hemdsärmeln dazu.

Freilich, Kraft genug konnte er wohl dazu haben, denn groß gewachsen war er und breit gebaut, und stark waren die Schultern, aber die Hände, die weißen Hände!

Es war doch ein Scandal, daß so ein Mensch glaubte, den Hammer führen und das Eisen schmieden zu können. Meister Kleemann schien indessen sehr bemüht um den Mosje, der als Lehrjunge in die Schmiede eingetreten war, denn ein Lehrjunge, nichts als ein Lehrjunge, konnte er doch sein. Er bedeutete dem Obergesellen, der seinen Platz neben dem Meister hatte, sich weiter hinten an den Ambos zu stellen, der sonst nicht gebraucht ward, und dem fremden Mosje, dem wies er den Ambos an. Die Gesellen thaten alle, als sähen sie ihn gar nicht, hatten alle die Blicke auf ihre Arbeit niedergesenkt und schmiedeten das glühende Eisen.

Es würde sie geärgert haben, wenn sie gesehen hätten, mit welchen frechen, lustigen Blicken der Mosje sie anschaute und wie er Gefallen zu finden schien an der rußigen Schmiede und an dem blutrothen Feuer in der Esse.

„Jetzt, Ludwig Preuß,“ sagte der Meister mit würdevoller Miene, „jetzt nehme Er sich zusammen, denn jetzt geht’s los. Sieht Er da die Stange im Feuer, die so roth ist?“

„Ich sehe sie, Meister, sie sieht aus, als hätte des Teufels Großmutter sie eben zum Umrühren ihres Kaffees gebraucht.“

Der Meister sah mit zürnenden Blicken zu ihm auf. „Hör’ Er, Ludwig Preuß, die Witze, die lasse Er hier, die kann Er draußen verschenken an den, der sie mag; in der Schmiede ist man hübsch ehrbar.“

„Werd’s mir merken, Meister!“ erwiderte Ludwig Preuß ganz ehrerbietig, „gebt mir die Zange, daß ich die Eisenstange nehme.“

Der Meister reichte ihm die große Riesenzange dar und Ludwig Preuß nahm sie mit kräftigem Griff und trat an die Esse heran. Da erschallte rings umher in der Schmiede ein lautes Gelächter.

„Ein netter Kerl, wahrhaftig. Kommt so großnasig hierher und weiß von nichts!“

Und wieder tönte das höhnische Lachen der Gesellen und Burschen, und sie hielten einen Augenblick an in ihrer Arbeit und im Hämmern und schauten über die Ambose gelehnt hin zu dem Kecken, der da an der Esse stand und sein lachendes Gesicht zu ihnen umwandte und gar nicht empört und beleidigt war von ihrem Lachen.

„Nun, was giebt’s, Ihr Jungens? Warum lacht Ihr mich aus?“ rief Ludwig Preuß fröhlich.

„Jungens?“ riefen die Gesellen, „wie kommt der Bengel dazu?“

„Still, Ihr Alle, still!“ gebot der Meister, „Und Er, Ludwig Preuß, verhalt’ Er sich still und mucks’ Er sich nicht! Die Kücken, die eben aus dein Ei gekrochen sind und noch die Eierschale auf der Nase tragen, die dürfen sich nicht mucksen.“

„Hochehrwürdiger Meister,“ sagte der junge Mann mit drolliger Miene, „halten zu Gnaden, bin ich ein solches Kücken mit der Eierschale auf der Nase?“

„Natürlich ist Er’s und ich will Ihm ’jetzt sagen, was Er für eine Dummheit gemacht hat. Wenn man das glühende Eisen aus der Esse holt, thut man’s nicht mit der rechten Hand, denn die hat den Hammer zu führen, man nimmt die Zange in die

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