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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

sind die Appartements gedrängt voll von den Berühmtheiten der Kunst, der Literatur, der Diplomatie und der Finanzen. Daß in solchen Soiréen viel Musik getrieben wird, versteht sich von selbst. Die größten Virtuosen, die beliebtesten Sänger und Sängerinnen rechnen sich’s zur höchsten Ehre an, vor dem Schwan von Pesaro ihr Licht leuchten zu lassen. Der Schwan hört bei dieser Gelegenheit fast ausschließlich seine eigenen Tondichtungen. Zuweilen setzt er sich selbst an’s Clavier und läßt eine seiner neuesten Compositionen hören. Daß ihm dabei der Applaus nicht fehlt, kann man sich leicht denken. Rossini stellt sich zwar sehr gleichgültig gegen den Beifall, der ihm gezollt wird; man weiß aber recht gut, daß der Weihrauch, mit dem seine Bewunderer ihn umqualmen, ihm kein sonderliches Unbehagen erregt. Seinen Gästen gegenüber benimmt er sich sehr ungenirt. Wenn ihm der Gesang oder das Spiel irgend eines Tenoristen, irgend eines Pianisten nicht gefällt, zieht er sich in sein Cabinet zurück und läßt sich erst wieder sehen, nachdem die Production vorüber.

In den Rossini’schen Soiréen werden keine Erfrischungen gereicht. Wenn eine Prima-Donna sich trocken gesungen, läßt sie sich in der Küche ein Glas Zuckerwasser geben. Es kommt wohl zuweilen vor, daß einer der vertrautern Freunde Rossini’s die Lust nach einer Erfrischung verspürt und dies dem Maestro mittheilt. Dieser läßt dann lächelnd ein Fenster öffnen und empfiehlt ihm, den Kopf in die frische Luft zu stecken.

Die Hauptrolle an diesen Empfangsabenden spielt die Gattin Rossini’s. Sie war früher eine seltene Schönheit und hat ihrem langjährigen Freunde Horace Vernet als Modell für die Judith in seinem bekennten Bilde „Judith und Holofernes“ gedient. Madame Rossini ist eine derbe Natur. Sie hält nicht gern mit ihren Aeußerungen zurück. Wer sich ihrer Sympathien nicht erfreut, dem sagt sie es auf’s Schonungsloseste in’s Gesicht und schreckt ihn von ferneren Besuchen ab. Madame Rossini treibt die Sparsamkeit sehr weit, ja viel zu weit, und es ist schon vorgekommen, daß sie einem Tischgaste seinen starken Appetit vorgeworfen. Was die ungebetenen Gäste betrifft, nämlich solche, die, ohne eingeführt worden zu sein, sich in den Soiréen einfinden, so hat sie mehrere derselben ohne Weiteres vor die Thür gesetzt.

Rossini steht jeden Morgen um acht Uhr auf und arbeitet ziemlich fleißig. Zwischen drei und vier Uhr Nachmittags macht er einen Spaziergang auf den Boulevards. Seit undenklichen Zeiten trägt er einen langen braunen Ueberrock mit einem verschossenen Sammetkragen. Der Schneider der dieses Prachtstück verfertigt hat, ist gewiß schon längst zu seinen Vätern versammelt worden. Auch der Hut des Altmeisters sieht schäbig und altfränkisch genug aus und mag noch von der Juliregierung her datiren. Rossini hat niemals auf Eleganz in seinem Anzuge gehalten. Er hat mehrere Perrücken, von denen eine ruppiger als die andere ist. Im Sommer, wenn es ihm zu heiß wird, nimmt er während der Unterhaltung seine Perrücke ab und zeigt dann seinen nackten, gewaltigen Schädel, der in der That ein großes Genie verräth. Rossini’s Kopf erinnert an Cuvier und Goethe zugleich. Sein Gesicht ist schön und sein dunkelbraunes Auge äußerst lebhaft. Rossini gehört zu den witzigsten Menschen. Seine Bemerkungen sind sehr kaustisch und er zeigt sich mit denselben nichts weniger als geizig. Der Cynismus, den er gern zur Schau trägt, ist nicht ganz aufrichtig. So kalt er sich auch stellt, so bricht doch die heißglühende Künstlernatur oft bei ihm hervor, besonders wenn er sich unter Künstlern von Talent befindet. Seine Bewunderung vor Mozart ist grenzenlos. Er hält ihn nicht nur für seinen Meister, sondern für den Meister aller anderen Operncomponisten.

Rossini, dessen Selbsterhaltungstrieb beispiellos ist, reist niemals mit der Eisenbahn, aus Furcht vor einem Unfall; aber selbst bevor er sich in eine Droschke setzen will, überzeugt er sich auf’s Genaueste, ob die Pferde altersschwach und abgehetzt genug sind, um nicht mit ihm durchzugehen. Während der Fahrt unterläßt er es nicht, den Kutscher zu ermahnen, hübsch langsam zu fahren und die Gäule nicht zu reizen.

Seit einigen Monaten ist Rossini leidend und macht den Aerzten sehr viel zu schaffen, da er von Diät nicht reden hören mag. Er hat einstweilen, zum Bedauern der Pariser feinen Welt, seine Empfangsabende eingestellt; den Musen hat er jedoch nicht entsagt. Er componirt täglich mehrere Stunden. Seine Hervorbringungen werden von Madame Rossini sogleich unter sicheren Verschluß gebracht und sollen erst nach dem Ableben des Meisters in die Oeffentlichkeit gelangen.




Ein großes nordamerikanisches Sängerfest. welches im nächsten Jahre stattfinden soll, hat Veranlassung zu einem Preiswettkampf für Tondichter gegeben, zu welchem der betreffende Festausschuß unsere deutschen Componisten durch die Gartenlaube aufzufordern bittet. Wir kommen diesem Wunsche gern nach, indem wir die Aufforderung des Festausschusses selbst der uns zugänglichen Oeffentlichkeit hiermit mittheilen, wobei wir allerdings nicht verschweigen können, daß uns weder der ausgesetzte Preis (denn auch für einen Text hat der Componist mit zu sorgen) noch die Bestimmung, welche sämmtliche eingesandten Compositionen ohne Weiteres für Eigenthum des Baltimore-Sängerbundes erklärt, geeignet erscheinen, für das Unternehmen Kräfte von Ruf und Bedeutung zu gewinnen.

An die geehrten Componisten.
Einladung zu Preiscompositionen.

Der Festausschuß für das im Sommer 1869 zu Baltimore zu feiernde eilfte allgemeine Sängerfest des „Nordöstlichen Sängerbundes von Amerika“ erläßt hiermit an die Herren Componisten die freundliche Einladung, sich durch Einsendung von Original-Compositionen um die von besagtem Festausschuß ausgesetzten Preise zu bewerben. Indem der Festausschuß dem Componisten über die Wahl des Charakters der Composition im Allgemeinen freie Hand läßt, wünscht er nur, daß folgenden Punkten Rechnung getragen werde: Die Composition soll für Männerstimmen mit voller Orchesterbegleitung geschrieben sein und mögen darin Chöre mit Quartett und Solosätzen nach Belieben des Componisten abwechseln; ihre Ausführung soll ungefähr zehn Minuten Zeit in Anspruch nehmen, und braucht der Inhalt nicht gerade kirchlichen Stils zu sein. Jede Composition muß mit einem Motto versehen und von einem mit dem gleichen Motto überschriebenen versiegelten Couvert, die Adresse des Componisten enthaltend, begleitet sein. Componisten in den Vereinigten Staaten senden ihre Arbeiten vor dem 15. October 1868 an den correspondirenden Secretär des Festausschusses ein unter der Adresse: „Henry Vees, North West corner of Lombard & South Street, Baltimore, Md Componisten in Europa dagegen adressiren an „Herrn Johannes Heckemann in Bremen“, welcher sodann sämmtliche bei ihm vor dem 1. October 1868 eingegangenen Arbeiten an den genannten Secretär übermacht. Spätere Einsendungen können keine Berücksichtigung finden. Am 1. November laufenden Jahres werden sodann sämmtliche eingelaufenen Arbeiten einem Preisgericht, bestehend aus fünf anerkannt tüchtigen, persönlich nicht interessirten Musikern, deren Namen innerhalb zwei Monaten zur öffentlichen Kenntniß gebracht werden, zur Entscheidung vorgelegt. Dem Urtheil dieses Preisgerichts gemäß wird dann der besten Composition ein Preis von einhundert Dollars in Gold und der zweitbesten ein Preis von fünfzig Dollars, ebenfalls in Gold, zuerkannt, worauf die Couverte geöffnet und die Namen der betreffenden Componisten veröffentlicht werden. Beide Preiscompositionen sollen während des erwähnten Festes zur Aufführung gebracht werden. Alle eingesandten Compositionen bleiben Eigenthum des Baltimore-Sängerbundes, die Componisten behalten jedoch das Verlagsrecht.

Der Festausschuß hofft auf eine rege Betheiligung amerikanischer sowohl, als europäischer Componisten um so mehr, als eine Einladung zum Feste an sämmtliche Gesangvereine Amerikas und Deutschlands ergehen wird, dasselbe durch allseitige Betheiligung zu einem wirklich internationalen Gesangsfeste zu gestalten.

Im Auftrage des Festausschusses
Henry Vees, Gev. P. Steinbach,
Corr. Secr. Präsident.





Als Druckfehler, die in einem Theil der Auflage sich in die „Skizzen aus dem Zollparlament“ der vorigen Nummer eingeschlichen haben, bitten wir Folgendes zu berichtigen: Statt Bundescommissäre setze man: Bundesräthe; auf der äußersten Rechten sitzen die Würtemberger und die specifischen Baiern; auf den Hintern Bänken der Linken die nationalliberalen Vertreter Badens. Rothschild ist in’s Centrum, zu den Altliberalen, ausgewandert. Was die Tribünen betrifft, so steht Loge c (genannt Tribüne D) dem Bundesrath, b Tribüne C den Abgeordneten zur Verfügung. Die Tribüne der Zeitungscorrespondenten ist sehr bedeutend erweitert, während „d kleine Loge zur Verfügung des Präsidenten“ ganz weggefallen ist.




Für die Verwundeten und die Hinterlassenen der Gefallenen

gingen noch ein: Aus Sonneberg, nachträglicher Ertrag einer Sammlung in einer Gesellschaft 10 Thlr.; C. B. in Thornfields in Irland 5 Thlr. John Doll in Philadelphia 10 Thlr.; Frau S. K. aus O. 2 Thlr.; Elgees in Breslau 5 Thlr.; eine Verehrerin der Gartenlaube 1 Thlr.; G. W. in Roermond 5 Thlr. 5 Sgr.; L. in Lancaster 5 Thlr. 18 Sgr.; aus Heidelberg 1 Thlr.; St. in Orell 5 Thlr.; aus Delmenhorst 5 Thlr.; gesammelt beim Stiftungsfest des landwirthschaftlichen Vereins in Wetzdorf 5 Thlr. 18 Sgr. 5 Pf.; C. F. in St. 2 Thlr.; vom Ohmthal-Sängerbund durch den Redacteur der „Neuen Sängerhalle“ 19 Thlr. 5 Sgr.; ? 10 Thlr. 15 Sgr.; auf dem Privat-Maskenballs in Limbach gesammelt 4 Thlr. 10 Sgr.; Joh. Ronner in Grönheim 4 fl. (2 Thlr. 8 Sgr.); Fräul. H. F. L. in Neu-Wittenberg 1 kleines goldenes Kreuz; Phr. in Meißen 1 Ohrring, 1 Broche, Verbandzeug; aus Dresden 1 Collier; aus Würzburg 3 Armbänder, 1 Paar Ohrringe, 1 Broche; ein armes Mädchen 1 Ring; aus Schloß Chemnitz 2 Weißstickereien; Motto: „Der Himmel erhalte uns Frieden“ 1 Ring; aus Homberg 1 Armband.


Unsere gesammte Einnahme zur Unterstützung der Verwundeten und der Hinterlassenen der Gefallenen aus dem Kriege 1866 betrug 9117 Thlr. 10 Sgr. 8 Pf., wovon wir 4000 Thlr. nach Berlin, 1500 Thlr. nach Dresden, 1000 Thlr. nach Wien gesandt; 100 Thlr. gaben wir an das damalige preußische Commando in Leipzig; für 158 Thlr. 8 Sgr. 4 Pf. sind Kleidungsstücke, Schuhe etc. für die Lazarethe beschafft und 1714 Thlr. 9 Sgr. 5 Pf. an einzelne direct und persönlich bei uns Hülfesuchende vertheilt worden, worüber die Quittungen vorliegen. Den Restbestand von 644 Thlrn. 22 Sgr. 9 Pf. halten wir vorläufig noch zur Disposition, da von Zeit zu Zeit noch immer Bittgesuche von Invaliden und Angehörigen Gebliebener bei uns eingehen.

Die Redaction.




Inhalt: Vetter Gabriel. Von Paul Heyse. (Schluß.) – Ein neuer Bühnendichter. Mit Portrait. – Ein heimlicher Hausfeind. Bon Otto Hermes. – Oesterreichische Berühmtheiten. Von Sigmund Kolisch. I. Eine Unterhaltung mit Herrn v. Beust. – Aus der Zeit der weichgeschaffenen Seelen. Mit Abbildung. – Im Hause der Bonaparte. Historische Erzählung von Max Ring. (Fortsetzung.) – Blätter und Blüthen: Rossini. – Ein großes nordamerikanisches Sängerfest. – Druckfehlerberichtigung. – Für die Verwundeten und die Hinterlassenen der Gefallenen.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 352. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_352.jpg&oldid=- (Version vom 8.11.2021)