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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Kleidungsstücke müssen schnell beseitigt und Brust und Füße bis zur Ankunft des Arztes gerieben werden. Sollte dieser, dessen Hülse, wenn er wenigstens kein Homöopath ist, unter allen Umständen dringend erforderlich, nicht gleich zur Stelle sein, so kann man versuchen, dem Vergifteten starken, schwarzen Kaffee einzuflößen. – Wie kann man sich nun gegen die Kohlendunstvergiftung schützen?

In früherer Zeit glaubte man, daß die giftigen Ausdünstungen der Kohlen durch Uebergießen derselben mit Wein aufgehoben werden könnten. Aus demselben Grunde legte man später ein Stück Eisen unter die Kohlen, oder man bestreute sie mit Seesalz, oder zündele etwas Schießpulver in dem Zimmer an. Erstere Methode soll sogar heute noch beim Landvolke in Italien gebräuchlich sein. Das Bestreuen der Kohlen mit Salz geschieht vereinzelt in Deutschland heute noch. Ein eigentliches Schutzmittel gegen die Vergiftung durch Kohlendunst giebt es indessen nicht. Das wirksamste Schutzmittel besteht in der Vermeidung derjenigen Ursachen, welche den Kohlendunst erzeugen können.

Die Medicinalpolizei hat aus diesem Grunde in einigen Staaten Warnungen erlassen, die zugleich eine mehr oder weniger, umfangreiche Belehrung über den Kohlendunst enthalten. Gelesen werden diese Warnungen um so weniger, als sie nur selten und dann meist an einer versteckten Stelle einiger größerer Zeitungen erscheinen, und beachtet werden sie noch seltener. Thatsache wenigstens ist, daß sie in Preußen, insbesondere in Berlin, eine Abnahme der Vergiftungen durch Kohlendunst nicht bewirkt haben. Ob etwa in anderen Ländern oder Städten, entzieht sich unserer Beurtheilung. Wir fürchten, daß das Verhältniß nicht günstiger sein wird, denn immer häufiger melden die Zeitungen aller Orte solche Unglücksfälle. Die Erfahrung ist nicht neu, daß ein großer Theil des Publicums, wenigstens des ungebildeten, sich nicht belehren läßt. Die Ergebnisse der Wissenschaft werden nicht beachtet; man macht diese zur Glaubenssache. Fragte mich doch kürzlich noch ein Schlächtermeister, ob ich denn wirklich an die Trichinen glaube? Er mit seiner Familie kehre sich nicht an den Virchow’schen Trichinenschwindel.

In Fällen, wo es sich um Menschenleben handelt, hat jeder Gebildete die Verpflichtung, mitzuhelfen an der Beseitigung von Vorurtheilen und mangelhaften Zuständen.

Der Uebel größtes aber ist diesfalls die Ofenklappe. Mit deren Verbesserung oder Beseitigung würde die große Anzahl der Vergiftungen durch Kohlendunst auf eine kleine Summe zusammenschmelzen. Verbessern kann man sie dadurch sehr leicht, daß man einige Löcher von Größe eines Zweigroschenstückes in dieselbe bohren läßt, durch welche, ist das Brennmaterial noch nicht völlig verkohlt, der gefährliche Dunst entweichen kann. Noch wirksamer würde die völlige Beseitigung der Ofenklappe sein. Als Ersatz dafür empfehlen sich die in vielen Haushaltungen schon eingebürgerten luftdicht schließenden Ofenthüren. Die Ofenklappe sowohl, wie auch die luftdichte Ofenthür haben den Zweck, den Luftstrom, welcher vom Zimmer aus durch Ofen und Schornstein geht, abzuschneiden und dadurch die schnelle Ausgleichung der erwärmten mit der kälteren Luft zu verhindern. Daher darf auch die luftdichte Ofenthür nicht früher geschlossen werden, als dies bei der Ofenklappe geschehen ist. Erstere beseitigt zugleich die Gefahr, und aus diesem Grunde sollte die Anbringung der Ofenklappe bei Neubauten z. B. gar nicht mehr statthaft sein.

Schließlich wollen wir noch einem ziemlich verbreiteten Irrthum entgegentreten, nämlich dem, daß die Oefen durch die luftdichten Thüren leiden. Nicht jedoch durch die Thüren, sondern durch das zu frühe Schließen derselben leiden die Oefen. Erst wenn das Feuer völlig niedergebrannt ist, schließe man die luftdichten Thüren, dann wird der Ofen, davon halte man sich überzeugt, nicht mehr und nicht weniger leiden, als bei den verhängnißvollen Ofenklappen.

Die Unglücklichen, welche dem giftigen Gase zum Opfer gefallen sind, hatten gegen die ewigen Gesetze der Natur gefehlt, die Jeden unbarmherzig zermalmen, der sich wider ihre Gebote auflehnt. Die Natur gehorcht uns nur da und nicht eines Haares Breite weiter, als wir ihr ihre Gesetze abgelauscht haben.

Wir haben nun das Gesetz kennen gelernt, daß jeder unvollkommene Verbrennungsproceß den giftigen Kohlendunst erzeugt; wir wissen, daß zu geringer Luftzutritt die unvollkommene Verbrennung bewirkt, wir haben es tausendfach gehört und gelesen, daß zu frühe Schließung der Ofenklappen das Leben der Menschen diesem Gifte preisgiebt: nun, so müssen wir uns fragen, wollen wir nicht durch die Beseitigung der Ofenklappen diesen Feind aus unserem Hause verbannen?





Oesterreichische Berühmtheiten.[1]

Von Sigmund Kolisch.
1. Eine Unterhaltung mit Herrn v. Beust.

Aus einem Stücke ist der Mann nicht, welchen, ungeachtet derselbe ein „Ausländer“ und ein Protestant ist, Kaiser Franz Joseph 1866 an die Spitze der österreichischen Staatsgeschäfte berufen. Der Dualismus herrscht, wie in dem letzten politischen Werk, so in dem Leben des Ministers. Herr v. Beust ist Sachse und Oesterreicher. In Dresden hat er von 1849 an das Seinige zum Rückgang der Dinge beigetragen; seitdem er in Wien thätig ist, drängt er die Verhältnisse vorwärts mit seltenem Geschick, mit Muth und auch mit Erfolg.

„Zwei Menschen waren, ach, in meiner Brust,“ kann der Reichskanzler mit Faust rufen. Einen Vorwurf mag man übrigens dem Staatsmann aus seiner Wandlung nicht machen, da dieselbe als eine Wendung zum Besseren, vom Dunkel zum Lichte sich darstellt und, verschieden von den vielen Wandlungen in unseren Tagen, einen Fortschritt bezeichnet. Von einem sehr geistreichen Manne wurde Herr v. Beust treffend „der umgekehrte Bach“ genannt. Schmeichelhafteres kann dem Minister wohl nicht gesagt werden.

Patriotische Sachsen, welchen es einfallen könnte, den Besitz des zu großer Berühmtheit emporgelangten Ministers für ihr Land in Anspruch zu nehmen und welche mir etwa das Recht streitig machen wollten, den Reichskanzler unter die Oesterreicher zu reihen, halte ich die Erklärung entgegen, welche Herr v. Beust selbst in der Sitzung des Ministerraths vom 14. November 1867 über diesen Gegenstand abgegeben: „Ein Mann,“ sagte er, „den der Kaiser auf diesen Platz gestellt, den eine nicht geringe Anzahl österreichischer Städte zu ihrem Ehrenbürger ernannt, den eine böhmische Handelskammer in den böhmischen Landtag geschickt und dem dieser Landtag die Ehre erwiesen hat, ihn in den Reichsrath zu senden, der, glaube ich, hat den Anspruch darauf, nicht als ein eingewanderter Fremder, sondern als ein eingebürgerter Bürger betrachtet zu werden.“ (Allgemeiner Beifall.)

Wie leicht begreiflich, giebt es hier in Oesterreich, dem Lande der gesunkenen Hoffnung und des Mißtrauens, eine Anzahl von Trostlosen, welche an der Aufrichtigkeit des Staatskanzlers zweifeln und seinen Liberalismus für eine Maske halten, die ihm eher lästig als angenehm sei und die er zu gelegener Zeit abzulegen nicht anstehen würde. Unbillig wäre es, den oft Getäuschten diesen Argwohn zu verdenken, ihn zu theilen aber vermögen wir nicht, wenn wir das von dem Reichskanzler bereits Vollbrachte, wenn wir sein Streben, wenn wir die Mittel in’s Auge fassen, die er in seiner neuen Stellung anwendete. Diesen Argwohn

  1. Unter diesem Titel lassen wir eine Reihe Charakteristiken österreichischer Persönlichkeiten folgen, welche in der jüngsten politischen Volkslebens-Entwickelung eine hervorragende Rolle spielen. Wie sehr just Sigmund Kolisch in der Darstellung von dergleichen Miniaturbildern durch Meisterschaft glänzt, ist den Lesern der Gartenlaube längst bekannt; einen größeren neuen Beweis der Vorzüge seiner Schilderungen und vor Allem ihrer lebendigen Anschaulichkeit, gestützt auf scharfe, gewissenhafte Beobachtung, liefert er in seinem Buche „Auf dem Vulcan“ (Pariser Schilderungen, die soeben bei Rieger in Stuttgart erschienen sind), dem umfassendsten Bilde des Lebens und Treibens der vom Kaiserreich des dritten Napoleon geschaffenen Gesellschaft und ihrer Zustände voll nun offenkundiger Fäulniß. Was indeß die Charakteristik des Herrn v. Beust anlangt, so erlaubt uns wohl der geehrte Verfasser, bei einigen Behauptungen ganz im Geheimen ein kleines Fragezeichen zu machen.
    D. Red.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 344. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_344.jpg&oldid=- (Version vom 23.12.2022)