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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

hin und vor einem derselben ein breites Polster, mit einem Teppich bedeckt, um auf der Erde zu sitzen, wie die Morgenländer es lieben.

Auf diesem Polster saßen die Mutter und die Schwester der Frau vor einem wie ein Tafelaufsatz geformten Kohlenbecken, um den Kaffee zu bereiten. Ein großer Blasebalg und ein silberner Teller mit den bekannten Bechern und Kaffeeschälchen vervollständigte das Bild, ebenso ein kleiner weißer Schooßhund, der sich behaglich auf dem Polster zusammenrollte, und der Negerknabe, welcher bereit stand aufzuwarten.

Auf dem gegenüber liegenden Polster nahmen die beiden Gatten Platz und ließen mich in ihrer Mitte sitzen. Der Anstand und die Sitte des Hauses erfordern, daß die Frau sich an diesen kleinen Beschäftigungen nicht betheiligt, sie ruht auf dem Divan an der Seite des Mannes und wird bedient.

Der Blasebalg fachte jetzt die Kohlen zu heller Gluth, das Wasser brodelte in der kleinen Kanne, der feingemahlene Mokka wurde hineingeschüttet und einige Secunden gekocht. Während dieses köstliche Gebräu sich setzte, erfüllte sich das Zimmer mit dem Aroma des Mokka und des Ambra, von welchem sie ein Stückchen in die Kohlen werfen. Der Negerknabe brachte jetzt zwischen den Fingern die kleinen Kaffeebecher und – verhülle dein Antlitz, Kranzler, und wie sonst unsere Kaffeekünstler heißen mögen – nie hat ein wunderbareres Kaffeearom meine Lippen berührt, als im Hause des Scarabäenverkäufers in Kairo. Chareb reichte dazu ihrem Gatten und mir Papiercigarren, die der Knabe uns mit einer Kohle anzündete, und es war sehr graziös anzusehen, wie sie in ihren beringten Händen zierlich die Schale hielt, um sie auszunippen, und in der andern die Cigarette. Die Mutter zündete sich einen langen Tschibouk an und Abdallah flüsterte mir zu, daß dies nur noch die alten Frauen thäten – nicht mehr Fashion.

Mich überkam ein unaussprechliches Behagen. Die ganze Scene hatte einen Anstrich von ruhiger Vornehmheit, den man zuweilen in den vornehmsten Häusern vergebens sucht, sie repräsentirte die Poesie des Hauses in ihrer einfachsten, wahrsten und reizendsten Gestalt, und der Anblick der antiken Ruhe, mit welcher die Orientalen die alltäglichen kleinen Freuden genießen, erfüllt uns fieberisch unruhigen Geister des neunzehnten Jahrhunderts mit einer Art von beneidender Bewunderung.

In dieser Form mag man den Harem und den Schleier der Frau getrost gelten lassen. Ja ich begriff, als ich Abdallah seine hübsche Frau entzückt betrachten sah, plötzlich den Reiz, welchen es für den Mann haben muß, seine Kleinodien, seine Frau und sein häusliches Glück vor den Augen der Welt zu verbergen, und daß das Bild der Ehe keine reinere Form annehmen könne. Während in den vornehmen türkischen Häusern das Haremswesen noch in seiner vollen Verderbniß florirt, würde man diesen Zustand des Familienlebens in den meisten arabischen Häusern finden, und es ist eine Freude zu sehen, wie sich die Mißbräuche der Jahrhunderte ohne Gewaltsamkeit aus dem gesunden Sinn der Völker ausscheiden. Wenn die Orientalen viel von unserer Cultur annehmen müssen, um sich auf die Höhe der Zeit zu stellen, so finden wir dagegen in der Ursprünglichkeit und Poesie ihrer Empfindungen und Lebensformen einen unerschöpflichen Quell der Schönheit und Grazie, von welcher der egoistische Materialismus unserer Tage nur zu sehr entkleidet ist, und wir sollten uns sorglich hüten, mit unserer überlegenen Bildung vornehm auf sie herabzublicken, sondern gebend – lernen.




Im Hause der Bonaparte.

Historische Erzählung von Max Ring.
(Fortsetzung.)

Das bekannte historische Schreiben Louis Napoleon’s an seine Mutter lautete folgendermaßen: „Deine Liebe wird uns verstehen; wir sind Verbindungen eingegangen, die wir nicht lösen dürfen. Der Name, den wir tragen, legt uns die Verpflichtung auf, den unterdrückten Völkern zu Hülfe zu eilen, wenn sie uns rufen. Lassen Sie mich in den Augen meiner Schwägerin als den Verführer meines Bruders erscheinen. Es schmerzt ihn tief, daß er ihr eine einzige That seines Lebens verschwiegen hat.“

Ein neuer Thränenstrom netzte die schönen Wangen der Prinzessin, als sie den Brief beendet hatte. Robert zögerte, sich in das Gespräch der betrüben Frauen zu drängen und ihren Kummer noch durch seine Befürchtungen zu mehren. Doch blieb ihm keine andere Wahl, wenn er die Freunde warnen, vor der drohenden Gefahr beschützen wollte.

„Ich fürchte nicht das Volk,“ erwiderte Hortense mit königlicher Würde, „da ich und die Meinigen stets demselben wohlgethan, uns für dasselbe geopfert haben. Den fanatisirten Pöbel, das Werkzeug unserer Feinde, verachte ich. Mag er immerhin mein Geld, meine Juwelen nehmen, wenn ich nur damit die Rettung meiner Kinder erkaufen kann.“

„Aber die Sicherheit Ihrer Hoheit ist bedroht. Sie dürfen nicht länger in Rom verweilen.“

„Nicht aus Furcht werde ich Ihren Rath befolgen, sondern aus Liebe zu meinen Kindern. Ich habe noch immer nicht die Hoffnung aufgegeben, ihnen auf meinem Wege zu begegnen. Noch heute werde ich mit meiner Schwiegertochter die Stadt verlassen.“

„Sie können unmöglich allein die Reise unternehmen. Die Umgegend von Rom befindet sich in der höchsten Aufregung, die Straßen werden von bewaffneten Banden durchzogen und unsicher gemacht. Jedenfalls bedürfen Sie des männlichen Schutzes.“

„Mein Schutz ist der Himmel. Die Bonapartes haben auf Erden keine Freunde. Selbst auf unsere nächsten Verwandten darf ich nicht rechnen. Mein Schwager Lucian sucht seinen Sohn, der, wie meine Kinder, heimlich entflohen ist und sich in das aufständische Lager begeben hat. Jerôme muß bei Lätitia, unserer Mutter bleiben, und mein Gatte lebt in Florenz von der Gicht gelähmt,“ versetzte traurig Hortense.

„So gestatten Sie, daß ich Sie begleiten darf,“ bat Robert. „Ihre Lage und meine Freundschaft für den Prinzen werden hoffentlich die Kühnheit meines Anerbietens bei den Damen entschuldigen.“

Ein freundliches Lächeln der unglücklichen Mutter, ein dankender Blick aus Charlottens Augen sagten Robert, daß sie mit Freuden seinen Schutz annahmen. In seiner Begleitung legten beide Frauen schnell und ohne jede Gefahr den Weg nach Florenz zurück, obgleich sich ihre Hoffnung nicht erfüllte, auf der Reise die Spuren der geliebten Flüchtlinge zu entdecken.

Erst von dem aufgebrachten Vater, der über die Unbesonnenheit der jungen Prinzen zürnte, erhielt Hortense die erste sichere Nachricht von den schmerzlich Vermißten, als die gemeinsame Liebe zu ihren Kindern die getrennten Gatten wieder vereinte.

„Ich habe,“ sagte der frühere König Ludwig von Holland, „endlich durch meine ihnen nachgeschickten Couriere erfahren, wo die Verblendeten weilen. Sie standen noch vor Kurzem mit den Verschworenen in Civita-Castellane, um die dort eingesperrten Staatsgefangenen zu befreien. Die Thoren! Wer weiß, ob sie nicht morgen schon dasselbe Schicksal trifft, wenn sie nicht erschossen werden. Wie Du weißt, sind die Oesterreicher, von dem Papste aufgefordert, auf dem Wege nach Bologna. Wenn unsere Söhne in ihre Hände fallen, sind sie verloren. Wie mir gestern erst Fürst Corsini mittheilte, wollen die Oesterreicher ein Exempel an unseren Söhnen statuiren und werden keinen Anstand nehmen, sie vor ein Kriegsgericht zu stellen.“

„Meine Kinder, meine Kinder!“ klagte die entsetzte Mutter.

„Das sind die Folgen einer verkehrten Erziehung,“ grollte der Vater. „Louis’ Ehrgeiz ist durch die Erinnerung an den Kaiser künstlich genährt worden, und er hat seinen Bruder angesteckt. Jetzt ernten wir, was wir gesäet.“

„Wozu die Vorwürfe? Ich habe nur den einen Gedanken, wie ich meine Söhne retten kann. Wir müssen Alles aufbieten, um sie der Gefahr zu entreißen.“

„Ich habe bereits gethan, was in meinen Kräften stand, an sie geschrieben, sie beschworen, von ihrer Thorheit abzulassen und zu mir zurückzukehren, ihnen selbst mit meinem väterlichen Fluch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 334. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_334.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)