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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Aber der wachsamen Polizei war ihr Treiben nicht entgangen. Zahllose Sbirren waren in den verschiedenen Theilen der Stadt in den Straßen aufgestellt, größere Militärposten auf den öffentlichen Plätzen versammelt, die Wachen an den päpstlichen Gebäuden verdoppelt, ohne Aufsehen zu erregen, so daß das leichtlebige Volk diese Vorsichtsmaßregeln kaum bemerkte und sich darum nicht weiter kümmerte.

Noch hatte der prächtige Wagen-Corso nicht begonnen, noch fehlte der eigentliche Glanzpunkt des Festes, das Wettrennen der Pferde, das mit steigender Spannung erwartet wurde. Plötzlich verbreitete sich die unwillkommene Nachricht, daß die römische Regierung den Corso untersagt, das so beliebte Pferderennen der „Barberi“ verboten habe. Zugleich setzte sich eine Abtheilung von päpstlichen Dragonern und Carabinieri in Bewegung, um den Volksplatz und die daran grenzenden Straßen von dem Maskenschwarm zu säubern. Die Menge schimpfte, fluchte, drängte und stieß sich, verdrießlich über die unwillkommene Störung, von Furcht erfüllt und sich in Muthmaßung dieses unerhörten Befehls erschöpfend.

Die allgemeine Verwirrung wurde durch den plötzlichen Knall einiger Schüsse auf das Höchste gesteigert, denen eine regelmäßige Flintensalve des Militärs folgte. Zu demselben Augenblick stürzte sich auf ein gegebenes Zeichen jener verdächtige Maskentrupp auf die überraschten Soldaten; der Straßenkampf entwickelte sich und an die Stelle des heiteren Carnevals war die düster blutige Revolution getreten.

Unter den überraschten Zuschauern dieser ebenso seltsamen wie aufregenden Scene befand sich auch Robert, der sich in das bunte Maskentreiben gemischt hatte, um seinen Schmerz über die Abwesenheit der geliebten Freunde zu vergessen. Plötzlich fühlte er sich von einer weichen Frauenhand ergriffen und aus dem gefährlichen Getümmel fortgezogen. Vor ihm stand die Maske einer schönen Gärtnerin, im kurzen grünen Kleidchen, den Blumenkorb voll Grazie auf dem Haupte balancirend.

Eine schwarze Halblarve, die sie jetzt entfernte, bedeckte das reizende Gesicht.

„Maria-Grazia!“ rief er verwundert, indem er die Frau des früheren Briganten wieder erkannte.

„Was thut Ihr hier?“ sagte sie heftig. „Wollt Ihr Euch von einer verirrten Kugel erschießen lassen? Ich glaube, Ihr seid Eures Lebens müde, daß Ihr Euch einer solchen Gefahr aussetzt. Thut mir den Gefallen und begebt Euch sogleich nach Hause, oder besser noch, wenn Ihr Rom ohne Zögern den Rücken kehrt.“

„Und warum sollte ich fliehen und die Stadt verlassen?“

„Weil es hier nicht recht geheuer ist. Der Tanz geht los, und Francesco, der es als Sergeant von seinem Capitän wissen muß, sagt, daß morgen die Trasteveriner in die Stadt ziehen werden, um alle Vornehmen und Reichen zu morden und auszuplündern. Der heilige Vater hat das Gesindel zur Hülfe gegen die Carbonari aufgeboten und ihnen im Voraus Absolution ertheilt. Hauptsächlich ist es auf die Bonapartes abgesehen, die in ihren Palästen Kisten voll Geld und Diamanten aufbewahren sollen. Da ich weiß, daß Ihr der Freund des Hauses seid, so habe ich es übernommen, Euch und sie zu warnen.“

„Ich kann es nicht glauben, daß der Papst zu diesen Banden seine Zuflucht nimmt.“

„Gerufen oder ungerufen werden sie kommen und das Oberste zum Untersten kehren, darauf könnt Ihr Euch verlassen. Das Volk, welches den heiligen Vater über Alles liebt, wird sich nicht bitten lassen, noch dazu, wo es Beute giebt. Francesco ist von Allem durch einen Gevatter unterrichtet, der den geheimen Auftrag von seinem Beichtvater empfangen hat, die Trasteveriner aufzuwühlen, weil die Carbonari den heiligen Vater tödten, die Peterskirche anzünden und unsern Glauben abschaffen wollen.“

„Das sind thörichte Märchen.“

„Märchen oder nicht, das Volk glaubt einmal daran und will die Feinde des heiligen Vaters, vor Allen die Bonapartes, aufhängen und sich in ihre Schätze theilen. Ich habe Teresina versprechen müssen, Euch zu warnen; das habe ich gethan, und nun macht, was Euch gut dünkt.“

„Teresina!“ rief der Maler, aus seinen Gedanken erweckt, „Wo weilt sie? Hast Du sie gesehen?“

„Im Kloster der barmherzigen Schwestern, wo sie für Euch betet.“

Ehe Robert antworten konnte, war Maria-Grazia verschwunden, erschreckt durch die immer näher rückenden Schüsse, deren Kugeln sich bereits in die abgelegene Straße verirrten. Auch Robert erachtete es für gerathen, sich aus der gefährlichen Umgebung des noch immer fortdauernden Kampfes schnell zu entfernen, um so mehr, da er sich verpflichtet hielt, die noch in Rom verweilende Mutter und Verwandte seiner anwesenden Freunde vor dem Fanatismus und der Habgier des aufgereizten Volkes zu beschützen.

Als er zu diesem Zwecke in den Palazzo Ruspoli trat, erwartete ihn eine neue Ueberraschung. Kaum traute er seinen Augen, als er in der schwarz verschleierten Dame, die weinend an der Brust der Königin Hortense lag, die Prinzessin Charlotte wiedererkannte, die er noch fern und sicher in Florenz glaubte.

Bei seinem Eintritt richtete sich die Unglückliche auf, um dem treuen, bewährten Freunde die Hand zu reichen.

„Um des Himmels willen, was führt Sie, Prinzessin, in diesem Augenblicke nach Rom?“ fragte er besorgt über ihr bleiches, krankhaftes Aussehen.

„Die Verzweiflung hat mich hergetrieben. Ich hoffte, meinen Gatten, Napoleon, hier bei seiner Mutier zu finden. Es war meine letzte Hoffnung, aber auch sie hat mich getäuscht.“

„Wir werden ihn wiedersehen!“ tröstete die durch eine so unerwartete Nachricht tief erschütterte Hortense. „Ich selbst werde meine Söhne aufsuchen und nicht eher ablassen, als bis ich sie gefunden, bis ich Napoleon in Deine Arme zurückgeführt, ihn und Louis in Sicherheit weiß.“

„Er allein trägt die Schuld an unserem Unglück’.“ klagte die Prinzessin.

„Hier ist seine Rechtfertigung,“ erwiderte die Königin, indem sie ihrer Schwiegertochter einen Brief reichte, welchen sie erst vor wenigen Stunden empfangen hatte.

(Fortsetzung folgt.)




Blätter und Blüthen

Ein unentbehrliches Hülfsbuch. Nicht unsere einseitige Annahme, vielmehr unleugbare Thatsache ist es, daß die Gartenlaube zur Hausbibliothek geworden und zwar zu einer sehr stattlichen Bibliothek von bereits fünfzehn Bänden voll des mannigfaltigsten Inhalts an Wort und Bild. Wie aber jede Bibliothek nur dann erst recht gebraucht werden und ihre Zwecke erfüllen kann, wenn uns ein genauer Nachweis über ihren speciellen Inhalt orientirt und so die Benutzung erleichtert, so, meinen wir, wird für alle diejenigen unserer Leser, welche sich die verschiedenen Jahrgänge unseres Blattes gesammelt und in ihrer Bücherei aufgestellt haben, die Gartenlaube erst so recht zum bleibenden Hausbuche und zur immer bereiten Hausfreundin werden, wenn ihnen ein sämmtliche Jahrgänge umfassendes und über alle die Tausende der einzelnen literarischen und artistischen Beiträge nach Band und Seitenzahl Rechenschaft und Nachweis gebendes Register eine genaue Uebersicht über die Fülle des Gebotenen verschafft und sie in den Stand setzt, sonder Mühe zu finden, worüber sie sich gerade belehren oder unterhalten wollen. Ein solches Register unter dem Titel: „Ausführliches Sachregister der Gartenlaube“ etc. aus der Feder des in dergleichen Arbeiten vielfach bewährten Adolf Büchting in Nordhausen liegt nunmehr vor und erfüllt, wie wir aus eigener Erfahrung bestätigen können, in der That nach jeder Richtung hin die Ansprüche, welche man an ein solches Nachschlagebuch stellen muß; mit Einem Worte, es ist durchaus praktisch – das beste Lob, das wir ihm zu ertheilen vermögen.

Allerdings werden unsere zahlreichen preußischen Abonnenten und Leser in diesem Register auch den Inhalt der Jahrgänge verzeichnet finden, die ihnen durch das Verbot der Gartenlaube verschlossen waren, indeß ist dies im Verhältnisse zum Ganzen doch immer mir ein kleiner Theil des Inhalts, und so können wir auch ihnen, wie allen Freunden unserer Zeitschrift, dieses wahrhaft unentbehrliche Noth- und Hülfsbuch, das ihnen jede Buchhandlung um den geringen Preis von 10 Ngr. zu liefern in den Stand gesetzt ist, auf das Angelegentlichste empfehlen. Es wird ihnen den Besitz des Blattes doppelt werthvoll machen, indem es ihnen klar vor Augen führt, welches Bildungs- und Unterhaltungsmaterial durch die bedeutendsten Schriftsteller und Künstler Deutschlands ihnen in der Gartenlaube geboten ist.

S.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 320. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_320.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)