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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

der Raumvertheilung schlecht weggekommen. Die Ursache liegt darin, daß sie mit geringen Ausnahmen sich nicht von vornherein einer Reichstagsfraction anschließen mochten und also zur rechten Zeit Niemanden hatten, der für sie sorgen konnte. Die Fractionen des linken und rechten Centrums und der Fortschrittspartei haben genau die Stelle inne an der sie sich im Abgeordnetenhause befinden, so daß diejenigen ihrer Mitglieder, welche sowohl zum Abgeordnetenhause wie zum Zollparlament gehören, auf ihren gewohnten Plätzen sitzen.

Neben dem Präsidenten links ist ein Stuhl frei, welchen der Berichterstatter über die zur Verhandlung stehende Vorlage einnehmen kann. Rechts und links vom Präsidenten und vom Berichterstatter, aber etwas niedriger, sitzen je zwei Schriftführer, hinter diesen stehen vier Saaldiener (Huissiers), wenn sie nicht anderweitig beschäftigt sind. Der dem Präsidenten nächste Schriftführer rechts führt das Sitzungsprotokoll, der auf der andern Seite die Rednerliste. Zu ihrer Unterstützung hat Jeder den Schriftführer zur Seite, welcher in der vorigen Sitzung den Dienst gehabt hat. Unmittelbar vor dem Präsidenten steht die Rednertribüne, die aber in diesem Saal selten bestiegen wird. Die meisten Abgeordneten haben, auch nachdem die beiden „Berge“ am Ministertisch dem Bundesrathe überlassen sind, Plätze, von denen aus sich wohl sprechen läßt. Aber es gehört, von welcher Seite auch Jemand spreche, immer eine gute Stimme dazu, um im ganzen Saale verstanden zu werden. Unmittelbar vor der Rednerbühne ist der Raum, wo an einem Stehpult die Stenographen arbeiten. Der Ober-Stenograph, der nur mitschreibt, wenn die Stenographen wechseln oder in einer Rede schwierigere Stellen, z. B. längere Citate in fremden Sprachen, vorkommen, ist fortwährend anwesend. Die übrigen Stenographen lösen je zwei alle zehn Minuten einander ab, so daß jeder in einer Stunde zehn Minuten im Saale arbeitet und dann fünfzig Minuten Zeit hat, um die Reinschrift zu dictiren.

Für die Abgeordneten stehen drei Schreibtische in den Ecken und ein vierter Schreibtisch links vom Haupteingange des Saales. Rechts vom Eingänge steht ein Schrank mit der Gesetzsammlung für den Handgebrauch im Saal. Hoch über dem Eingang ist die Saaluhr. Die eigentliche Bibliothek liegt in zwei Sälen über den Ministerzimmern. Der nördliche Saal enthält die Parlamentsverhandlungen aller europäischen Länder; im südlichen Saale befinden sich die übrigen Bücher, meistens staatswissenschaftlichen Inhalts.

Um den Saal herum liegen zur ebenen Erde folgende Räume: vorn der Flur und Garderoberaum; rechts die Restauration, die mit Ausnahme des Cabinets für den Präsidenten und eines Schreibzimmers für die Schriftführer die ganze Langseite und noch ein Zimmer am vorderen Hofe einnimmt. Zum Lesezimmer gelangt man jetzt durch die Restauration. In der Restauration ist nichts wohlfeil, aber Alles gut; sie soll auf gewisse Abgeordnete eine merkliche Anziehungskraft üben, und im Publicum ist man so weit gegangen, die beiden conservativen Fractionen nach dem derzeitigen Wirthe, Herrn Müller, mit dem Collectivnamen „Fraction Müller“ zu belegen. Auf der entgegengesetzten Langseite gehören die Nebenräume des Saales dem Bundesrathe. In einem Vorzimmer wird für sie ein besonderer Telegraph bedient. Von hier tritt man in ein Sprechzimmer, dahinter liegt ein Conferenzzimmer, in welchem das preußische Staatsministerium während des Landtags zuweilen Sitzung hält. An dieses schließt sich ein Raum mit Bequemlichkeitsanstalten. Auf derselben Seite liegt noch ein kleiner Flur, durch welchen man vom Saale aus in das Schreibzimmer der Stenographen, mittels der Treppen abwärts in den hintern Hof und aufwärts in die Bibliothek gelangt. Der Haupteingang zur Bibliothek liegt, wie schon bemerkt ist, vorn bei dem Eingange zu den Ministerzimmern. An der schmalen Seite hinter dem Saale liegen zwei Zimmer; in dem einen, das mit dem Schreibzimmer der Stenographen zusammenhängt, können die Abgeordneten die Reinschrift ihrer Reden durchsehen; das andere ist das Abtheilungszimmer Nummer 13 (früher 3) und dient während der Plenarsitzung der rechten Seite als Rauchzimmer.

Ueber den Nebenräumen des Saales befinden sich die Tribünen. Blos an der Seite, wo der Bundesrath sitzt, sind keine Tribünen; dort ist der Raum, der dazu dienen könnte, zur Bibliothek benutzt. Auf den andern Seiten sind die Tribünen folgendermaßen vertheilt: 1. Links, a. zunächst der Bibliothek die Hofloge, b. über dem Haupteingange die Diplomatenloge, c. Loge (genannt Tribüne D) zur Verfügung des Bundesraths. 2. An der Langseite: a. Loge der Ministerialräthe, b. Tribüne C zur Verfügung der Abgeordneten, c. hinter dem Präsidium die jetzt sehr bedeutend erweiterte Tribüne der Zeitungscorrespondenten, d. die kleine öffentliche Tribüne B. 3. Rechts, die große öffentliche Tribüne A. Was diese öffentlichen Tribünen betrifft, so ist zu bemerken, daß auch sie nur gegen Karten zugänglich sind, von denen ungefähr ein Drittel verschiedenen Behörden zur Verfügung steht, ein Drittel unter die Abgeordneten der Reihe nach vertheilt und ein Drittel von der Kanzlei an die darum Nachsuchenden ausgegeben wird. Man thut wohl, sich in der Kanzlei schon am Tage vor der Sitzung, der man beiwohnen will, bis Abends fünf Uhr schriftlich um eine Tribünenkarte zu melden. Am Sitzungstage selbst ist es selten möglich, eine Karte zu bekommen. Im innern Flur am Haupteingange zum Sitzungssaale steht täglich angeschrieben, welche Abgeordneten zur nächsten Sitzung eine Karte zu vergeben haben. Wenn ein Abgeordneter auch keine Tribünenkarte zur Verfügung hat, so kann er einen Fremden doch auf die Tribüne C führen, so weit der Raum dort langt. Bei wichtigen Sitzungen ist aber gerade diese Loge der Abgeordneten am frühesten besetzt und zwar von dem schönen Geschlecht, dessen Wißbegier in Berlin nicht geringer ist als anderswo.




Aus der Zeit der schweren Noth.

Der letzte Rest vom zweiten Regiment.
Von A. Trabert.

Im Hafen von Plymouth war es an einem der ersten Februartage des Jahres 1814 ungewöhnlich lebendig. Officiere der königlichen Seeschule, von angesehenen Kaufherren begleitet, eilten nach dem Ausgange des Hafens. Die Straßenjugend folgte ihnen mit dem lustigen Rufe: „Hurrah, die Nassauer!“ und von den Arbeitern der großen Schiffswerfte warfen nicht wenige den Hammer, die Axt, ja selbst das Schurzfell von sich, um sich neugierig anzuschließen. Auch wir folgen dem bunten Menschenschwarm und sehen auf der Rhede ein Häuflein Soldaten aufgestellt, das sich eben bereit macht zur Einschiffung.

Deutsche Landsleute waren es, das „zweite nassauische Infanterieregiment“, dessen bevorstehender Abzug das Interesse der schaulustigen Menge in so hohem Grade geweckt hatte. Wie aber kamen diese Tapferen hierher nach England? Welches Schicksal hatte sie dahin verschlagen? Und welcher neuen Bestimmung gedachten sie eben jetzt fröhlich entgegen zu gehen?

Am 20. August 1808, vor ungefähr fünf und einem halben Jahre also, hatten sie, dem Befehle ihres Kriegsherrn gehorchend, die schöne deutsche Heimath, die gesegneten Ufer des Rheins und der Lahn, verlassen müssen, um unter dem Commando des ebenso tapfern wie umsichtigen Obersten von Kruse -– als Hülfsvölker Frankreichs den schweren Krieg in Spanien mitzumachen. Sie waren es, die sich dort aus dem Munde des französischen Generals Desolles im Kampfe mit den Spaniern und Engländern den Ehrennamen verdient hatten: „La citadelle mobile!“

Doch nein! Nur noch die Reste der citadelle mobile! standen eben jetzt auf der Rhede von Plymouth; denn als das zweite nassauische Infanterieregiment den Marsch nach Spanien antrat, war es sechszehnhundertneunundachtzig Mann stark; es hatte wiederholt Nachschub aus der Heimath erhalten und zählte jetzt trotz alledem kaum noch mehr als sechshundertundfünfzig. Dreiundvierzig Officiere hatte das Regiment beim Ausmarsche gehabt; hier in dem gastlichen Hafen Englands standen jetzt nur noch zweiundzwanzig, und unter diesen mehrere, die ihre Epauletten sich erst in Spanien verdient hatten. Der Spielleute waren es beim Aufbruche aus den sonnigen Thälern von Wiesbaden und Biebrich

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_311.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)