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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Der Graf schwieg einen Augenblick, dann sagte er: „Sie mögen Recht haben.“ –

Und dall’ Ongaro wurde nicht ausgewiesen, und Stadion bemühte sich, die Gesetze in Bezug auf jene Unglücklichen zu verbessern und sie unabhängiger von jenen Elenden zu machen, welche sie ausbeuten und denen sie untergeben waren.

Stadion hegte nun eine solche Achtung für dall’ Ongaro, daß er ihn öfter zu Rathe zog, und dieser wirkte dahin, daß der Elementarunterricht in den öffentlichen Schulen in Triest verbessert und in italienischer Sprache ertheilt wurde. Dies zog später Stadion die Ungunst der österreichischen Regierung zu, und er wurde von Triest abberufen.

Auch dall Ongaro’s so voltsthümlich gewordenes Drama „Il Fornaretto“, welches Alexander Dumas in’s Französische übersetzt hat, ist ein Aufruf zur Milde und Gerechtigkeit: es kämpft für die Abschaffung der Todesstrafe. Als einmal in Mailand ein Todesurtheil vollstreckt werden sollte, genügten die Theaterzettel an den Straßenecken mit der Ankündigung des „Fornaretto“, um das Volk in die größte Aufregung zu versetzen und zu so drohenden Kundgebungen zu veranlassen, daß die österreichische Regierung die Theaterzettel abreißen ließ und aus Furcht das Urtheil auf spätere Zeiten vertagte.

Die Vorlesungen über Dante, welche dall’ Ongaro 1846 hielt, zogen einen großen Zuhörerkreis herbei. Er suchte auch bei diesem Anlaß die neue kirchliche Richtung zu bekämpfen, welche die Werke Gioberti’s und Balbo’s, so wie der Regierungsantritt Pius des Neunten hervorgerufen. In jener Zeit, in der Viele sich durch die ersten Zugeständnisse des neuen Papstes lauschen ließen und glaubten, daß durch ihn die Einheit Italiens verwirklicht werden könne, erkannte der scharfe Blick des ehemaligen Seminaristen der Madonna della Salute bereits, daß nur auf ganz anderem Wege das Vaterland Heil finden könne.

Das Jahr darauf nahm er an einem großen Bankett Theil, welches die Bürgerschaft Richard Cobden zu Ehren gab, und in glänzender und feuriger Rede sprach er von der Zukunft Italiens und daß dessen Einheit einstweilen durch einen Zollverein vorbereitet werden müsse. Die österreichische Polizei aber ließ ihn nicht ausreden; sie unterbrach ihn in der Mitte seines Vortrages. Die weitere Folge hiervon war, daß ein Verhaftsbefehl gegen ihn erlassen wurde. Stadion war nicht mehr Gouverneur. Glücklicherweise benachrichtigte den Dichter eine unbekannte Hand von der bevorstehenden Gefahr, und so konnte er sich durch eine schleunige Abreise dem Gefängniß entziehen.

Italien war bereits in allgemeiner Aufregung; es gährte in Venedig, Mailand, Florenz und Rom. Dall’ Ongaro, ergriffen von dem Sturm und Drang der neuen Zeit, ging nach Venedig, und suchte Tommaseo auf, der bereits viel zu der Bewegung in Oberitalien beigetragen hatte und dessen von der österreichischen Regierung verfolgtes und aufgekauftes Buch „Italia“ dall’ Ongaro selbst heimlich in Triest seinen Freunden mit Eifer vorgelesen hatte. „Ich habe meine Schiffe verbrannt,“ rief dall’ Ongaro Tommaseo zu, „wirken wir zusammen für die Sache Italiens!“ Dies geschah. Dall’ Ongaro machte Tommaseo dann auch mit Manin bekannt; unermüdlich in seiner Thätigkeit setzte er sich in Mailand und Turin mit anderen Patrioten in Verbindung und suchte vorläufig ein Asyl in Toscana, bis er im December nach Rom ging, wo er mit mehreren Freunden gemeinschaftlich für die italienische Sache wirkte.

Als die erste Nachricht von der Wiener Revolution die Römer zu freudigen Hoffnungen entflammte, da eilten sie, von dall’ Ongaro und noch einigen anderen venetianischen Flüchtlingen angeführt, vor den Palazzo di Venezia, wo der österreichische Gesandte wohnte, und rissen das über dem Portal befindliche Wappen mit dem verhaßten Doppeladler herunter, und dall’ Ongaro schrieb mit eigener Hand an die leere Stelle die Worte: Palazzo della Dieta Italiana“ (Palast des italienischen Reichstags), während die jubelnde Menge unten auf dem Platze den Adler in Stücke zerschlug und verbrannte. Diese Scene hatte etwas Ueberwältigendes; der junge Dichter der Freiheit, der das Sinnbild der Tyrannei auslöschte, er feierte einen Triumph des Lichtes über die Finsterniß, er weihte begeistert eine neue Aera ein.

Kurz darauf schiffte sich dall’ Ongaro mit anderen Gefährten nach Livorno ein, wo bereits die Kunde von der Erhebung Mailands und von der durch Manin und Tommaseo in Venedig verkündigten Republik eingetroffen war. Er begab sich nun unverzüglich nach Mailand, wo er mit Carlo Cattaneo und den anderen Helden der fünf Tage eine Zusammenkunft hatte; dann eilte er nach Venedig und schloß sich der Freiwilligenschaar an, gemeinschaftlich mit seinen beiden Brüdern Antonio und Giuseppe dem Feind entgegenziehend, der Friaul bedrohte. Sein gefühlvolles Herz, sein dichterisches Gemüth war dem mörderischen Kriegswesen keineswegs mit Vorliebe zugewandt, aber da er durch Rede, Lied und Schrift zur Befreiung des Vaterlandes aufgerufen, hielt er es für eine heilige Pflicht, im entscheidenden Augenblicke nicht beim Kampfe zu fehlen. Und so zog er, ein italienischer Theodor Körner, mit Leier und Schwert in die Schlacht.

In diesen Tagen erhobener Seelenstimmung und begeisterter Hingebung entfaltete sich auch sein Genius in ganzer Herrlichkeit; seine patriotische Muse ist es vor Allem, die ihm den Kranz der Unsterblichkeit sichert; seine „Canti populari“ seine „Stornelli“ enthalten das innerste italienische Leben, sie feiern das italienische Volk in seinen Kämpfen, in seinem Heldenthum, in seinen Leiden, in seiner Vaterlandsliebe, sie klingen wieder in allen italienischen Herzen, sie trösteten die Verbanntem im Exil; Garibaldi hat die „tre colori“, die, obgleich damals noch ungedruckt, durch den Hauch der Revolution jenseits des Weltmeers getragen wurden, schon in Montevideo gesungen, und diese, so wie fein „grido di Prato“, den man vielfach componirt hat, sind italienische Volkshymnen geworden.

Dall’ Ongaro blieb im Kriege unversehrt, aber sein Bruder Antonio fiel auf dem Schlachtfelde von Palmanova.[1] Als auch Giuseppe an dall’ Ongaro’s Seite am Sila verwundet worden war, da zog er sich mit diesem nach Treviso zurück, und als auch Treviso gefallen, nach Venedig.

Dort gab er nun das Journal „Fatti e paroli“ heraus, dem Volke während der Belagerung von 1848 bis 1849 Muth und Begeisterung einhauchend. Mit Entschiedenheit kämpfte er gegen die zu frühe Vereinigung Venedigs mit Piemont, die er damals für Venedig unvorteilhaft fand. Sein vortreffliches Blatt beschäftigte sich mit gleicher Sorgfalt mit den inneren wie mit den äußeren Verhältnissen des Vaterlandes. Er machte darin auf die Unerfahrenheit und den bösen Willen des Chefs der dortigen Marine aufmerksam. Der Triumvir Graziani widersprach heftig und war so erbittert darüber, daß er mit seiner Demission drohte, wenn dall’ Ongaro nicht ausgewiesen würde. Manin war schwach genug, dall’ Ongaro Graziani zu Liebe zu opfern, und der Ausweisungsbefehl wurde erlassen. Graziani wurden später von der wiederhergestellten österreichischen Regierung seine Güter zurückgegeben, während über dem Haupte dall’ Ongaro’s und Manin’s bis zuletzt Oesterreichs unerbittliche Verfolgung schwebte. Die Chefs der Marine in Venedig aber waren denjenigen ähnlich, welche das Unglück von Lissa verschuldeten,

In Ravenna war es, wo dall’ Ongaro zum ersten Male Garibaldi begegnete, der, von der römischen Regierung vertrieben, überlegte, wohin sich wenden, um am erfolgreichsten der italienischen Sache sein Schwert zu widmen. Als die Nachricht eintraf, daß der Minister Rossi in Rom erdolcht worden und Pompeo Campello an seine Stelle treten würde, den dall’ Ongaro von Triest her kannte, da schlug letzterer Garibaldi vor, er wolle sich nach Rom begeben, um von jenem die Erlaubniß zu erwirken, die erste italienische Legion zu bewaffnen. Garibaldi war hiermit einverstanden und ertheilte ihm unbeschränkte Vollmacht, die Sache abzuschließen. Dall’ Ongaro’s Vermittelung hatte den besten Erfolg; Garibaldi wurde zum General ernannt und erhielt die Mittel, jene erste Schaar von Freiwilligen zu bilden, die unter dem zukünftigen Sieger von Varese, Calatasimi, Palermo etc. einen so glänzenden Antheil an den Schlachten der italienischen Unabhängigkeit haben.

Die Ereignisse folgten sich rasch. Der Papst war nach Gaeta geflohen, und Rom berief die constituirende Versammlung, welche die Republik verkündigte. Garibaldi und auch dall’ Ongaro, der Garibaldi’s Commissär war, wurden zu Volksvertretern erwählt. Dall’ Ongaro schloß sich mit Liebe und Verehrung Mazzini an, den er schon lange aus seinen Schriften kannte und der nun als Triumvir an der Spitze der römischen Regierung stand und diese zu einem ruhmvollen und edlen Vorbild

  1. Wie es heißt, sollen seine Ueberreste jetzt nach Venedig zurückgebracht werden.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_299.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)