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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

grau und braun. Grau und braun ist vornehmer, weil es eigen und nicht gemiethet sein muß. Die gemietheten dagegen sind alle schwarz.

Mit dem Reitknecht in weiter Ferne hinter sich auszureiten, ist anständig; dagegen ist es für eine Dame höchst unanständig, ihn neben sich reiten zu lassen oder sich gar mit ihm zu unterhalten. Einiger Grund zu dieser strengen Sitte liegt in dem Zuge der romantischen Schönen, mit den Reitknechten durchzugehen. Vor einigen Jahren machte sich noch die Tochter eines Pfarrherrn (eines Sinecuristen von Vermögen) dadurch berühmt, daß sie den Reitknecht entführte und den Vater zur Genehmigung der Verbindung nöthigte. Aus den Zeitungen kam die Begebenheit in die Carnevalsposse (Pantomime).

Viele alte Herren von Stellung und Vermögen reiten der Gesundheit wegen und sehr oft ohne alle Vorübung und ohne allen Sinn für das Pferd. Man sieht sie hülflos ohne Schluß und Haltung im Sattel auf- und niederhopsen, und mancher von ihnen läßt sich so über den Kopf des Pferdes wegschleudern und verkürzt sein Leben durch den nämlichen Ritt, durch den er es verlängern wollte. So der berühmte und brave Sir Robert Peel. Er ist aber nur Einer von den Vielen, die so um’s Leben kommen.

Das Klima im Süden von England ist so mild und gleichmäßig – am 26. Februar d. J. war die Temperatur meines Zimmers ohne Feuer 12° Reaumur –, daß der Landmann für Pferde und Rindvieh keine eigentlichen Ställe, sondern nur offene Verschläge braucht. Es kommt hier selten zu Schnee und Frost, und der letztere ist nicht von Dauer und nicht scharf. Dabei hegt alle Welt das Vorurtheil, kaltes Wetter und ein ordentlicher Frost seien gesund. Für Luxuspferde und für die Anstalten, wo Milchkühe gepflegt werden, hat man natürlich die schönsten Ställe in den Städten und auf dem Lande. Die Arbeitspferde sind meist große flämische oder normannische Rosse, wie sie wohl noch Mancher aus der Zeit der französischen Messagerieen kennt.

Pflege und Fütterung der Thiere ist ausgezeichnet. Rennpferde bekommen sogar Bier und Brod. Schafe werden mit großen Runkelrüben fett gemacht. Das kurze Urgras auf den Kreidedünen wurde sonst für die Nahrung gehalten, welche die schönen Sussexhämmel so zart mache; jetzt mit der Rübenfütterung sind sie es nicht minder.

So ist die Thierwelt gewissermaßen verbessert und damit der Stoff veredelt worden, von dem wir uns nähren, und so eine neue verbesserte Auslage von uns hergestellt. Dabei muß ich freilich der Pflanzenesser gedenken, der Dissenters vom Fleischessen. Als ich zuerst nach England kam und aus continentaler Verzogenheit den Thieren weder Vernunft noch ein Recht zugestehen wollte, wurde ich von einem hiesigen Literaten hart angelassen, und er sagte in allem Ernst zu mir: „Es ist kein Wunder, daß ihr in Knechtschaft lebt, da ihr so despotisch und ungerecht gegen die Thiere seid. Das Thier hat auch sein Recht! Ihr seid Barbaren, daß ihr dies nicht wißt und nicht zugebt.“

Ich erzählte einem berühmten deutschen Flüchtlinge[1] von dieser Abkanzlung und meinte, die Hausthiere oder das Wild auf meiner Flur sei wohl rechtlich geschützt, das Recht habe aber nicht das Thier, sondern der Eigenthümer. Die Fische im Meer dagegen hätten doch gar kein Recht.

„Sie haben das Recht zu leben,“ erwiderte er, „zwar das Recht dandi in judicium (zu klagen) haben sie nicht, aber ich erkenne ihr Recht an und esse sie nicht, ich esse nur Pflanzenkost.“

Die armen Fische! wie Wenige sind so großmüthig, diese Lücke in der Weltverfassung, daß die Fischesser noch unverantwortlich sind, nicht zu benutzen! Vielleicht sind auch darum die Fischfresser, die Hechte und andre Kannibalen des Oceans und der süßen Gewässer, erst so gewissenlos geworden, daß sie ihre Bruder verschlingen, statt, wie unser Freund, von Pflanzenkost zu leben.

Arnold Ruge.




Von drei großen Zauberern.

Eine räthselhafte Geschichte.       Von Rudolf Löwenstein.


Ein großer Zaubrer ging einmal
Auf Wanderschaft durch Berg und Thal,
Trug eine Mappe in der Hand
Und einen[WS 1] Hut mit breitem Rand,

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      Von Schlangenkraut umschlungen;

Von seinen Wundern ist die Mähr
Durch’s weite, weite Land umher
      Auch bis zu mir gedrungen.

Das muß doch wohl ein Zaubrer sein:

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Er fängt die Sonnenstrahlen ein,

Er holt mit seinem Zauberstab
Vom Himmel Mond und Steril’ herab
      Und kann die Wolken haschen.
Er greift, und macht sich nicht ’mal naß,

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Den Wasserfall und steckt ihn baß

      In seiner Mappe Taschen.

Ihm ist zu hoch kein Alpenschnee,
Kein Strom zu wild, zu tief kein See;
Wo er sich setzt auf grüner Flur,

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Da braucht er seine Taschen nur

      Ein Weilchen aufzuklappen,
Dann nimmt sein Stäbchen er geschwind,
Und Wald und Felder, Schaf und Rind –
      Husch! sitzen sie in der Mappen!

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Was auf der schönen Gotteswelt

An Land und Leuten ihm gefällt,
Sei es des Königs Prunkgemach,
Sei es des Bettlers niedres Dach,
      Sei’s Ritter oder Knappe –

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Er schwingt sein Stäbchen – Eins, Zwei, Drei –

Und fertig ist die Zauberei
      Er steckt sie in die Mappe.

Der Reiter auf behendem Roß,
Im Sturmesschritt der Krieger Troß,

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Der Aar in pfeilgeschwindem Zug

Sind sicher nicht im schnellsten Flug
      Vor seiner Zauberklappe,
Der Hirsch im Sprunge, Schwalb’ und Spatz,
Auf hohem Dach die schwarze Katz –

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      Sie müssen in die Mappe.


Die Rose sammt dem Falter d’ran –
Er lockt sie mit dem Stab heran.
Die Blumen rings in Wald und Au
Mit all’ den tausend Tröpfchen Thau,

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      Die an den Blättern hangen,

Das Bienchen, das im Kelch sich stärkt,
Sie alle sind, eh’ sie’s bemerkt,
      Vom Zauber schon gefangen.

Und wo da scherzt ein glücklich Paar –

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Sein scharfer Blick nimmt gleich es wahr.

Ihr Kinder all’ mit feur’gem Blut
Und feur’gem Aug’ – seid auf der Hut,
      Daß er euch nicht ertappe!
Ihr Mägdlein, hold von Angesicht –

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Euch hilft kein Flieh’n, noch Sträuben nicht –

      Ihr müßt in seine Mappe!

Der Zaubrer also ging einmal
Auf Wanderschaft durch Berg und Thal,
Er hatte auf seinem kurzen Gang

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Gethan schon manchen guten Fang

      Und wollte zur Rast sich legen.
Wollt’ träumen einen Zaubertraum,
Da kam vom nahen Waldessaum
      Ein Wandrer ihm entgegen.

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Der Fremdling, der des Weges kam,

Sah aus gar fremd und wundersam;
Er trug ein Büchlein in der Hand
Und einen Hut mit breitem Rand,
      Von grünem Band umwunden,

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Ein Sträußlein d’rauf mit Edelweiß,

Das ihm auf hoher Alm mit Fleiß
      Die Sennerin gebunden.

„Grüß Gott,“ sprach er, „seid Ihr der Mann,
Der Alles schier verzaubern kann?“

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Der Zaubrer spricht mit lust’gem Sinn:

„Mein lieber Fremdling, ja, ich bin
      Der Herr von Licht und Schatten;
Die halbe Welt schon trag’ ich schier
In meiner Mappe – doch wer seid Ihr?

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      Wollt mir die Frage gestalten.“


Der Fremdling spricht und lacht dazu:
„Ich bin ein Zaubrer, just wie Du,
Wie Du zieh’ ich von Land zu Land,
Und selbst zu fernster Meere Strand

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      Trägt mich ein Zaubernachen,

Und zog’ zum Nordpol ich hinaus –
Wohin ich komm’, bin ich zu Haus –
      Ich kenne alle Sprachen.

Ich weiß, was in der Tanne dicht

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Holztäubchen mit dem Tauber spricht,

Was aus des Finken Ruf erklingt,
Was hoch im Blau die Lerche singt
      Und was die Drosseln schlagen.
Was Elster und Kiebitz im Moor,

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Und was der Sperling schwatzt im Rohr –

      Ich kann’s genau Dir sagen!

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: einem
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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 296. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_296.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)