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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Lincoln’s vollends bedeutete schlechthin den Niedergang amerikanischer Freiheit, die Zerreißung des Staates, den bequemen Triumph der Sclavenhalterpartei. Denn schon an der Spitze des Heeres hatte Mac Clellan, jetzt Lincoln’s Gegencandidat, mit mehr als zweifelhaftem Zaudern dem Vordringen der südlichen Heere eine fortwährende Concentration nach rückwärts entgegengesetzt.

In diesem großen Wahlkampf, der sicherlich in demselben Grade, wie der kühne Zug Sherman’s nach Savannah, auf Jahrzehnte über das Schicksal der nordamerikanischen Union entschied, stand die große Mehrzahl der Deutschen in Amerika mit aller Kraft ein für die Wiederwahl Lincoln’s. Indessen gab es eine Anzahl Städte, wo nur wenige muthige Deutsche dem Terrorismus der „Demokraten“ gegenüber für ihre Ueberzeugung und ihren Candidaten einzutreten wagten. An diesen Orten galt es vorzugsweise, in die theils träge, theils wenig muthige Masse unserer Landsleute Leben und Energie zu bringen. Und diese Aufgabe hatte sich Schurz gestellt. Er reiste von Stadt zu Stadt. Ueberall, wo er aufgetreten war, hinterließ er mindestens unter seinen Landsleuten begeisterte Wiederwähler Lincoln’s. Jetzt nahte er sich seiner schwersten Aufgabe, seinem Auftreten in Chicago. Chicago galt bis dahin als das Bollwerk der „Demokraten“ oder „Copperheads“,[1] wie ihre Gegner sie nannten. Hier waren wiederholt jene „demokratischen“ Monstreversammlungen abgehalten worden, zu denen ganz Amerika Vertreter sandte und die stets mit der Ausstellung jener famosen „demokratischen“ Parteiprogramme („Plattform“) endigten, die in ihrer perfiden Vieldeutigkeit einem Talleyrand Ehre gemacht hätten. Der irische und amerikanische Pöbel der Stadt konnte in Hinsicht der Ungenirtheit und Rohheit seines Auftretens gegen politische Gegner durchaus als Muster „demokratischer“ Wahlagitation gelten. Und in diese Höhle des Löwen wollte Schurz sich wagen! Wenige muthige Deutsche hatten eine Volksversammlung ausgeschrieben. Durch Placate war den erstaunten Demokraten kundgethan, daß Karl Schurz heute Abend für die Wiederwahl Lincoln’s auftreten werde. Karl Schurz kam an und stieg in dem ihm von seinen Freunden bezeichneten Gasthofe ab. Er fand sie versammelt. Nach einem herzlichen Empfange konnten sie ihre Niedergeschlagenheit nicht mehr bemeistern „Sie dürfen heute nicht auftreten,“ riefen sie Alle.

„Warum nicht?“

„Die Copperheads werden in Massen erscheinen und haben alle Taschen voll Steine. Sobald Sie reden, Schurz, sind Sie ein Mann des Todes.“

„Ah bah,“ sagte Schurz, „das ist nicht zu fürchten. Ich werde sprechen.“

Er blieb fest, trotz aller Mahnung. Pünktlich zur bestimmten Stunde betrat er die Rednerbühne. Eine gewaltige Kriegserklärung gegen die Copperheads bildete den Anfang seiner Rede. Stürmische Unterbrechung, Beifall der Freunde, Johlen, Brüllen, Gelächter auf Seiten der Gegner. Einige derselben steigen auf die Bänke.

„Meine Herren Copperheads!“ fährt Schurz fort, „daß Sie johlen, lachen und brüllen können, weiß ich, daß Sie mich unterbrechen wollen, auch, ja ich weiß sogar noch ganz andere Dinge. Sie wollen auch Steine werfen! Sie haben alle Taschen voll. Aber ich weiß auch sicher, daß Sie das nicht thun werden, und zwar einfach deswegen, weil Sie Copperheads, d. h. zwar giftig, aber feige sind und sich der Ueberzahl meiner Freunde gegenüber niemals zum Kampf stellen werden. Der erste Stein, der geworfen wird, bedeutet den Tod des Werfers; beim Hinausgehen werden wir genau erfahren, wer mit mörderischer Absicht hier erschienen war mit Steinen in den Taschen. Der Lohn dafür wird draußen ausgetheilt werden. Denn heute haben wir die Macht.“

Lautlos hörte die Versammlung die große politische Rede, die dann folgte; unendlicher Beifall lohnte den Redner. Als aber die Versammlung sich verlaufen hatte, fand man Unter und auf jeder Bank ansehnliche Steinhaufen, genug, um die vierfache Anzahl der Freunde von Karl Schurz zu steinigen. Sie bezeichneten die Stätten, wo „demokratische Gesinnungstüchtigkeit“ gesessen hatte.




Die Deutschen – ein Räubervolk. Wir haben uns bisher immer, etwas auf unsere Civilisation zu Gute gethan Und glaubten wenigstens über den Mongolen und ähnlichen Völkern zu stehen. Daß dieses jedoch nicht der Fall ist, das zu beweisen, hat einer der berühmtesten slavischen Gelehrten, Herr Franz Palazky in Prag, unternommen, welcher von jeher die Deutschen auf das Gehässigste in seinen Schriften verunglimpft, hat und nun sich so weit versteigt, uns als „Räubervolk“ hinzustellen. Herr Palazky gehört einer Nation an, die von jeher bei ihren Nachbarn übel berüchtigt war, nämlich der czechischen. Man weiß, wie dieses Volk gern Mein und Dein verwechselt, Man kennt seine schmachvollen Judenhetzen aus der allerjüngsten Zeit, seine Schwärmerei für den Feudaladel, seine Vorliebe für das Concordat und seine Opposition gegen das liberale Ministerium. Ist so das Volk beschaffen, dann darf man sich nicht wundern, wenn seine Gelehrten in, ähnlicher Weise Vorgehen und gegen die Deutschen die gröbsten Schmähungen ausstoßen. Dieses that in einer historischen Streitschrift gegen Prof. Höfler kürzlich der genannte Palazky. Nach ihm giebt es zwei Völkergruppen: „Räubervölker“ und „friedliche, erwerbfleißige“. Zu den ersteren gehören die Deutschen, Mongolen, Türken, Hunnen, zu den letzteren vorzugsweise die Slaven. Bei uns floß das Recht aus der Quelle der rohen Gewalt, bei den Slaven aber aus dem vereinbarten Willen der Gesammtheit. Das allgemeine Merkmal der ursprünglich slavischen Zustände ist die Freiheit, das der deutschen die Herrschaft und Knechtschaft; ja dieser Historiograph beweist uns sogar, daß vom Standpunkte der Staatenbildung die Römer und die Deutschen tief unter den Russen, ja selbst unter den Mongolen stehen! Daß die Deutschen, welche den Slaven Städtewesen und Bürgerthum brachten, welche in Böhmen die Eisenbahnen bauten, Handel und Industrie begründeten, Anspruch auf Dankbarkeit der Slaven haben, leugnet der genannte Gelehrte, der auch die Erfindung machte, daß die Leibeigenschaft von den Deutschen bei den Slaven eingeführt wurde. Es möge dies genug sein, um die Phantasie des „größten slavischen Gelehrten“ zu charakterisiren. Aber noch Eines haben wir zu bemerken. Die Deutschen sind ein gemüthliches Volk und nur allzu gerecht gegen ihre Feinde. Als im Jahre 1858 die Universität Jena ihr dreihundertjähriges Jubiläum feierte, da schmückte sie die Häuser, in welchen hervorragende Männer als Studenten gewohnt, mit Gedenktafeln. Eine solche Tafel trägt auch den Namen Franz Palazky’s, der seine Bildung deutschen Hochschulen verdankt, aber voll des Undanks unsere Nation in unwürdiger Weise jetzt beschimpft. Wäre es nicht Ehrensache der Stadt und Universität Jena, diese Tafel zu entfernen? – Zur Zierde kann sie der freundlichen Musenstadt sicher nicht gereichen, und jeder Deutsche, der dort den Namen des haßerfüllten Czechen liest, wird sich mit Ekel von dem Hause abwenden müssen, in welchem ein Verunglimpfer unsers Volkes wohnte.

R. A.


Kleiner Briefkasten.

Nackwitz. Der eingesandte Beitrag von zwei Thalern ist an die hiesige Localsammlung abgegeben und im Leipziger Tageblatte quittirt.



Opferstock für Ostpreußen.

Es gingen ferner ein: Aus Boston 500 Thlr. und zwar: durch den Gesangverein Orpheus 206 Thlr., durch den Bostoner Turnverein 150 Thlr., Extrabeisteuer aus der Orpheus-Casse 100 Thlr. und Ueberschuß einer Sammlung für eine dem Orpheus von deutschen Frauen geschenkte Fahne 44 Thlr., in Summa 500 Thlr.; Sammlung durch Hrn. Buchhändler Berndt in Odessa 50 Thlr.; freie Spenden, gesammelt bei einem Vortrage des Hrn. Dr. Stern im handelswissenschaftlichen Verein in Dresden 30 Thlr. 25 Sgr.; H. D. in W. 10 fl. rhein.; Ertrag einer Abendunterhaltung Chemnitzer Sonntagsschüler und deren Gönner 3 Thlr.; Ertrag eines Gesang-Concerts von der Lehrer-Conferenz zu Dittmannsdorf bei Freiberg, durch Kirchschullehrer König (für die Lehrer) 10 Thlr.; C. A. Busch in Odessa 10 Thlr.; C. Rabe in Medzibosch (Rußland) 9 Thlr. 5 Sgr.; Garderobengeld von Oe. durch Ptr. 1 Thlr. 5 Sgr.; von denselben in Paris (45 Franken) 12 Thlr.; der Turnverein in Helgoland durch Cath Buse 15 Thlr.; A- P. in Zürich 3 Thlr.; L. in Sz. Hutta (Ungarn) 5 fl. ö. W.; K. T. 4 Thlr. 71/2 Sgr.; Ungenannt 5 fl. ö. W.; Georg Bodemer in Zschopau (für die Lehrer) 100 Thlr.; bei der Confirmation in Hebbelstedt ges. von Lehrer Werner 3 Thlr. 211/2 Sgr.; von Deutschen in Fellin (Livland) 38 Silberrubel; Expedition des Friedländer Wochenblattes 3 fl. ö. W. und 1 Thlr. ; Ertrag einer von sieben Schülern der Classe 2 B. des Teichmann’schen Institutes in Leipzig veranstalteten Lotterie kleiner Handarbeiten durch Margarethe Schmidt 5 Thlr.; Sammlung von J. Zeisberg in Freudenthal 4 fl. öster.; von Seibt, Fuhrath und Aettner in Antonoffka (Gouvernement Poltawa) in Rußland 15 Rubel; Pfennigsteuer des Turnvereins in Lützen 3 Thlr.; Daskow in Mürzzuschlag 1 Thlr.; der Theater-Dilettanten-Verein in Beuthen 15 Thlr.; von C. von Schoultz in Mohileff (Rußland) 3 Rubel; ein Ungenannter und eine Ungenannte 2 Thlr.; A. durch H. 3 Thlr.; H. in Bremen 1 Thlr.; Siegfried in Amsterdam 1 Thlr.; von zwei deutschen Mädchen E. B. und A. H. in Marseille 2 Thlr. und fünf Franken; ein Rheinpreuße in Oberitalien 1 Thlr.; Sammlung durch Herm. Wenige in Eliot House in Boston 25 Thlr.; aus dem Gouvernement Tambofs in Rußland (40 Rubel) 37 Thlr. 7 Sgr.; der Frauenverein in Manitowa (Wisconsin) durch Gesine Boquelle 48 Thlr.; Sammlung unter den Mitgliedern des Germania-Schützenvereins in Boston 100 Thlr.; Sammlung des Anzeigers in Crimmitzschau 128 Thlr. 23 Sgr. 1 Pfg.; Ertrag eines für die Hungernden veranstalteten Concerts in Hamilton (Ohio) durch Kaufmann Hermann 199 Thlr.; durch das Hülfscomité (durch Hauptmann Madlung) in Oldesloe (Holstein) 126 Thlr. 19 Sgr.; von der Liedertafel in Brüssel 135 Thlr. und nachträglich dort gesammelt durch Kießling u. Co. 5 Thlr., zusammen 140 Thlr; M. M. P. Mecklenburg 60 Thlr.; Sammlung in Lasalle (Illinois) durch Matthiessen und Hegelen 250 Thlr., und zwar: von H. Hallbauer, Miß Mohme, E. C. Hegelen, R. Graf, CH. Güngerich, Chr. Nenner, I. Weerth, H. Wertheim und Weyl, L. Leffman, M. Friedman, H. Fleischer, G. Lässig, Fr. Stuhl, John Hauschildt, E. Pagenstecher, I. Holby, Edmund Haug, Louis Pöschel, Paul Konschack, Franz Waschkawack, Waller, John Waschcoviack, Nic. Rungman, August Neps, Wilhelm Friedrich Neps, Alexander Berninger, J. Jacques, Lambert Joubens, I. Hasselmann, Eng. Mellerlein, Neureuther, Maurice Welsh, John Roß, Pet. Wagner, Louis Schwaderer, Louis Peterson, Louis Dehn, Joseph Pasque, John Zarkirka, Jos. Zarkirka, George Frost, Louise Bayrhoffer, F. Matthiessen, J. Eliel, John Trewitz, Orsinger, Conrad Bräutigam, Chas. Diesterweg, R. Eliel.

Von diesen neuesten reichen Gaben (nahezu 2000 Thlr.) gingen sofort ab: an den Bürger- und Bauernfreund in Gumbinnen 500 Thlr.; an den Hülfsverein für Ostpreußen in Berlin 500 Thlr.; an das Provincialcomité in Königsberg 500 Thlr.; an das Unterstützungscomité für Lehrer 300 Thlr.; den Hinterbliebenen der ihrem Berufe zum Opfer gefallenen neunzehn Aerzte 200 Thlr.

Die Redaction.



Inhalt: Im Hause der Bonaparte. Historische Erzählung von Max Ring. (Fortsetzung.) – Die Heiligen Hallen des Rheinweines und die Ruhestätte eines Volkskämpfers. Von Ferdinand Heyl. Mit Abbildung. – Pariser Bilder und Geschichten. Der Herr von Paris. Von U. Roderich. – Der Componist des Arndt'schen Vaterlandsliedes. Ein Burschenbild. - Deutschlands große Industriewerkstätten. 5. Die Königin-Marienhütte bei Zwickau. Von Fr. Hfm. Mit Abbildung, – Blätter und Blüthen: Noch einmal Karl Schurz. – Die Deutschen - ein Räubervolk. - Kleiner Briefküsten. – Opferstock für Ostpreußen.

  1. Eine kleine, aber sehr giftige Schlange der nordamerikanischen Fauna. Sie hat einen kupferfarbigen Kopf. Daher der Name.
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