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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

„Was für eine Arbeit – für meine Hände oder – für mein Herz?“

„Vielleicht für Beide und für den Kopf dazu! – Ich habe mich ein wenig vermummen müssen um in Eure Höllenküche schlüpfen zu können; ich bin nicht so arm, wie ich scheine, – ich kann Eure Kochkünste bezahlen!“

„Aber nur mit einem Preise, den ich selber stellen würde!“

„Vielleicht! – Aber laßt uns die Zeit nicht verlieren durch nutzloses Plaudern! Ich habe einen brennenden Wunsch. Mein Mann will mir kein Majolica-Service kaufen, wie es die Königin besitzt. Ich ertrage es aber nicht immer, nur von den Tellern des Raffael reden zu hören und eine Andere zu beneiden um ihr Besitzthum; ich selber will beneidet sein! – Man sagt, Ihr könntet zaubern! Ihr selber versprecht in einem Briefe an den König, den ich gestern in den Händen hielt, Wunderdinge, – ich glaube an Euch. Zaubert mir irgend etwas Niegesehenes, ein prächtiges Gefäß, ein Theegeräth – ich will es Euch lohnen!“

„Wißt Ihr, daß für einen Andern als meinen hohen Herrn arbeiten mein Leben verwirken heißt? Und doch, schönste Frau, Ihr glaubt an mich, ich arbeite für Euch und – sterbe!“

Anna von Hoymb blickte in das erregte Gesicht des jungen Mannes. Es erschien ihr so wunderbar anziehend wie nie ein Männerantlitz vorher. Seine Augen strahlten sie an, als ob er mehr als ein Leben hinwerfen würde, um ihr zu dienen. Das Bewußtsein ihrer Schönheit kam zum ersten Male mit voller Gewalt über sie und erfüllte sie mit unsagbarer Freude. Zugleich aber fluthete ein heißes Mitleid über ihr Herz. Ihr Wunsch erschien ihr plötzlich thöricht und frevelhaft. Verdiente seine Erfüllung das Opfer dieses Lebens?

„Vergeßt, was ich bat,“ sagte sie nach einer Pause leise mit gesenkten Augen, „ich will nicht, daß Ihr nur die kleinste Gefahr lauft um meinetwillen. Ich will es nicht, hört Ihr!“ setzte sie fast gebietend hinzu und die blauen Sterne blitzten ihn wieder an. „Wenn es kein Mittel giebt, daß der König Euch erlaubt, für mich zu arbeiten, so vergeßt, um was ich gebeten, wie ich es vergessen werde.“

Wie wunderbar verführerisch sie aussah in jenem Augenblick! Aus den dunkeln Falten des zurückgeschlagenen kleinen Mantels erhob sich der wunderschöne Kopf auf dem schlanken Halse wie eine Blume. Ein Hauch holder Weiblichkeit milderte den sonst so stolzen Ausdruck, – es zuckte etwas wie Angst um den Mund.

Ein Hoffnungsstrahl, blendend und erwärmend wie das Sonnenlicht, blitzte plötzlich durch das Herz des jungen Mannes.

„Holde Frau – wißt Ihr, daß in Euern Händen meine Rettung liegt? Wie eine mächtige Zauberin erscheint Ihr mir, ein Wort von Euch, und ich bin erlöst.“

„Ich verstehe Euch nicht.“

„Bittet selber mit diesen Euren Augen und Lippen den König für mich um die Gunst, Eure Befehle ausführen zu dürfen.“

„Würde das helfen?“

„Es würde ein Wunder vollbringen, eine Erfindung retten, die auf dem Wege ist, verloren zu gehen!“

Seine Wangen glühten, er zitterte vor Erregung.

„Wie wäre das möglich?!“

„Wer Ihr auch sein mögt, schönste Frau, es muß Euch gelingen, den König zu bewegen, bei dem nächsten Gusse zugegen zu sein. Ihr habt jenen Brief gelesen, sagt Ihr, den ich ihm geschrieben. Man hat dem hohen Herrn also diesen Brief nicht abgeliefert, so müßt Ihr ihm den Brief jetzt selber in die Hand geben! O, wahrlich, Ihr sollt nimmer bereuen, gütigste Frau, an mich geglaubt zu haben! Ich fühle meine Flügel wachsen, Muth und Lebenslust kehren zurück. Bewegt den König, daß auch er mir wieder vertraut, und Ihr sollt fortan nicht mehr Königinnen, sondern Königinnen sollen Euch beneiden um die Arbeit dieser meiner Hände.“

Staunend blickte Anna von Hoymb auf den Bewegten, und hätte sie vorher nicht an ihn geglaubt, von diesem Augenblicke würde sie felsenfest an seine Wunderkraft geglaubt haben; die stolze Zuversicht seines Wesens, die Siegesgewißheit, die aus seinen Augen flammte, wirkte hinreißend. Sie vergaß gänzlich, warum sie hergekommen, ihr eitler Wunsch war verflogen, ein höheres Verlangen erfüllte sie, diese ringende Seele zu retten.

„Beruhigt Euch,“ sagte sie leise, aber mit fester Stimme, „ich werde mit dem Könige reden, ich selbst, Anna von Hoymb, die Frau des Staatsministers, und Eure Erfindung soll nicht verloren gehen. Gute Nacht!“

Sie streifte flüchtig mit ihren weißen Fingern seine Hand und schied. Die kleine Fischerin tauchte auf, – Blicke flogen noch herüber und hinüber, und Friedrich Böttcher fand sich, wie aus einem Traume erwachend, in der Dämmerung seines matt erleuchteten Arbeitszimmers wieder. –

Wenige Tage nach diesem Besuch der Staatsministerin auf der Jungfernbastei wußte man wiederum in ganz Dresden, daß die Brennöfen dort vergrößert wurden und daß in dem größten das Glühfeuer fünf Tage und fünf Nächte nicht erloschen war, während welcher Zeit Böttcher nicht vom Platze gewichen.

Gefäße aller Art wurden gedreht und geheimnißvolle Proben gemacht, Boten flogen hin und her zwischen dem Schlosse und der Jungfernbastei. Und ein Tag kam endlich heran, wo die Arbeiterschaar einem aufgestörten Ameisenhaufen glich. Der König selber wollte erscheinen mit einem großen Gefolge, und man machte die glänzendsten Zurüstungen zu seinem Empfang. Und als der vornehme Zug wirklich eintraf und der hohe Herr an der Seite der schönsten Frau seinen feierlichen Einzug hielt und seinen vernachlässigten Schützling mit der größten Huld begrüßte und von ihm die Erlaubniß sich erbat, dem entscheidenden Versuch wirklich in Person beizuwohnen – da begegneten sich die Augen des jungen Gefangenen und die strahlenden Augen Anna’s von Hoymb in einem flüchtigen Blick, aber eine ganze Geschichte von glühender Dankbarkeit und stolzem Triumph lag darin verborgen. – Prächtig erschien sie, als sie aus den verhüllenden Pelzen wie der Mond aus den Wolken hervor trat, die herrliche Gestalt in dem reichgestickten Kleide, das sie so zierlich zu schürzen wußte, daß man die Kinderfüße in den Hackenschuhen sah. Mit dem Anstand einer Fürstin reichte sie dem Könige die Fingerspitzen, als er sie über die Teppiche führte, die man ausgebreitet bis zu jener thronartigen Estrade, welche man für die hohen Gäste errichtet.

Es war ein wunderbar reiches Bild, das sich in dem hohen gewölbten Raume bei phantastischer Beleuchtung entwickelte, – hätte es doch der Pinsel eines Malers festhalten können! Wie ein lebendig gewordenes Märchen, das unter den Cyclopen spielte, stellte sich das Ganze dar, und wie ein Magier stand Friedrich Böttcher da und gebot der schwarzen Schaar. Sein Gesicht war freilich todtenblaß in der Aufregung dieses bedeutungsvollen Moments, aber auf seiner Stirn stand eine felsenfeste Zuversicht und ans seinen Augen blitzte helle Siegesfreude.

Und als er nun eine Kapsel aus dem Schmelzofen nehmen und in das Wasser werfen ließ, ohne daß jene zierliche Theekanne zerbrach, welche seine Hand herausnahm, da entstand ein Jubel ohne Gleichen. Er überreichte das kleine Gefäß mit einer Kniebeugung, welche jedem Hofmann Ehre gemacht haben würde, der schönsten Frau als die erste gelungene Probe. Ohne Risse und Sprünge, tadellos war die Masse geblieben – es war kein Zweifel: das Problem war gelöst – die richtige Mischung der feuerfesten Masse der deutschen Majolica gefunden.

Das vielbewunderte braunrothe Thee- und Tafelserviee der nachherigen Gräfin Cosel ist in der That das erste Meißner Porcellan in seiner Vollendung. Ein Theil desselben wurde nachher von Steinschneidern geschliffen und von Goldschmieden vergoldet, ein anderer Theil mit einer Glasur versehen, deren glänzende Farben den Gefäßen das Ansehen chinesischer Holzarbeiten gab. – Als es zum ersten Mal auf dem Schenktisch in dem Speisesaal der Gefeierten aufgestellt wurde und so fremdartig blitzte und funkelte, – da waren die Teller des Raffael und – manches Andere vergessen. –

Später hat Friedrich Böttcher auch seiner schönen Gönnerin das erste Weiße Tafelservice, mit Malerei und Gold versehen, geliefert. – Der König aber belohnte ihn für jene erste verhängnißvolle Arbeit mit der Ueberweisung der Albrechtsburg zu Meißen und dem Titel eines Directors der Königlichen Porcellanfabrik, die nun daselbst in’s Leben trat. – In Dresden erzählte man sich freilich, es sei diese Verbannung eine kleine Strafe für die Keckheit, mit der jener vielbewunderte Zauberer für sein Theeservice den Lohn eines Kusses von den schönsten Lippen gefordert. – Ob er ihn erhalten, steht nirgend geschrieben.

Einzelne Stücke von jenem braunen Theeservice sind noch heute in der bekannten Wundersammlung des japanischen Palais zu Dresden

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