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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

geneigt, auf eine Aenderung seiner Composition einzugehen, was mir der Erbgroßherzog mittheilte und ich dem König, der nur darauf schrieb:

„Herr Dr. Ernst Förster! Mit Dank schicke ich Ihnen den mitgetheilten Brief zurück. Wie sehr ich auch für’s Antike bin und Rauch’s großes Talent schätze, muß ich dabei bleiben, daß Goethe und Schiller in Weimar, wo sie gelebt und gewirkt, nicht in antiker Tracht dargestellt werden. Bin der Ansicht, daß jedem derselben da ein Standbild werde in Erz. Schon an sich finde ich geeigneter, daß jeder dieser vier großen Männer sein besonderes Standbild bekomme in gedachter Stadt. Vernahm frei Schiller Goethe’s Ansicht, was viel weniger von dessen Seite geschah, so ging doch jeder seinen eigenthümlichen Weg, und auch darum spreche ich mich aus, daß in Weimar Goethe und Schiller eigene Standbilder, als das angemessenste erscheint. Ihr Ihnen wohlgewogener

München, 3. März 1852.             Ludwig.“

Auf diesen Brief, den ich dem Erbgroßherzog mittheilte, sandte derselbe den Freiherrn Zigesar mit Specialvollmacht an den König, ihn umzustimmen. Allein hier machte das „Beharrlich!“ in des Königs Wahlspruch sich geltend. Er schrieb mir:

„Herr Dr. Ernst Förster, ich wünsche, daß Sie dem Kammerherrn von Zigesar ausdrücken möchten, daß ich meine bekannte Ansicht, die Standbilder Goethe’s und Schiller’s betreffend, nicht ändern könnte, daß für Weimar ungeeignet die Ausführung der Gruppe Rauch’s (wodurch aber keineswegs widersprochen werden soll, daß sie sehr schön sey) ich halte, und für’s beste, daß Schiller und Goethe jeder sein eigenes Standbild bekomme. Den hier beygefügten Brief des Erbgroßherzogs wünsche bald zurück. Ihr Ihnen wohlgewogener

München, 16. März 1852.             Ludwig.

In großer Eile geschrieben. Der Inhalt ist Ihnen bereits bekannt, diese Wiederholung des Ausdrucks meiner Ueberzeugung.“

Die Unternehmung war somit zwischen zwei Klippen gerathen und drohte zu scheitern. In der Hoffnung, daß Rauch doch noch umzustimmen sein würde, bat mich der Erbgroßherzog, nach Berlin zu reisen und mein und sein Glück zu versuchen. Der Bericht über die Erfolglosigkeit dieses letzten Versuchs gehört nicht hierher. Rauch’s und des Königs Auffassung der Aufgaben waren so grundverschieden, daß an eine Nachgiebigkeit von der einen oder der anderen Seite nicht zu denken war, wozu überdies Rauch’s entschiedene Weigerung kam, sein Werk in München gießen zu lassen; ein Umstand, der bei dem König sehr heftige Aeußerungen hervorrief.

Rauch war zurückgetreten. Ich sollte für einen Ersatzmann sorgen und schlug Rietschel vor; der Erbgroßherzog ging bereitwillig darauf ein und übertrug mir, deshalb an den Künstler zu schreiben. Rietschel kam als Reconvalescent aus Italien zurück, mein Brief hatte ihn an der Grenze Deutschlands getroffen. Seine Antwort, in der er mit Freuden Ja sagte, enthielt nur mit Bezugnahme auf seine noch nicht ganz feste Gesundheit die Bedingung einer Terminverlängerung. Auf meine desfällige Mittheilung an den König erhielt ich die Antwort:

„Herr Dr. Ernst Förster, auf Ihr gestriges Schreiben erwiedere ich, daß mir anzugeben, wie viele Monate Verlängerung Rietschel wünsche, denn ins Blaue ist meine Sache nicht, ich bin bestimmt. Entschließung, ob in diese Veränderung ich eingehe, behalte ich mir vor. Es scheint mir eine recht gute Wahl zu seyn, dieser Künstler. Löblich ist Ihre Theilnahme an diesem Werke, welches wiederholt Ihr Ihnen wohlgewogener

München, 2. Juli 1852.             Ludwig.“

Der König ließ jetzt der Sache ihren Lauf, die er in guten Händen wußte. Ich hatte inzwischen Nachricht erhalten von Rietschel’s Auffassung und mein Bedenken öffentlich geäußert über die Verbindung eines idealen oder poetischen Gedankens mit streng costumirten Figuren. Wie Rauch’s Auffassung sich nicht mit der Wirklichkeit, so vertrug sich – nach meiner Ansicht bei Rietschel die Darstellung nicht mit der Auffassung. Der König schrieb mir darüber:

„Herr Dr. Ernst Förster, so eben erhielt ich und las Ihr Schreiben vom 4. dieses und den beygefügten Aufsatz, mit großem Interesse. Erfreulich, wie Sie richtig bemerken, war mir zu vernehmen, daß doch vielleicht statt in einer Gruppe Goethe und Schiller jeder einzeln dargestellt werde, was ich immer noch als das geeignetste betrachte. Ihre ununterbrochene thätige Theilnahme an diesen zu errichtenden Denkmahlen ist sehr angenehm Ihrem Ihnen wohlgewogenen

Ludwigshöhe, 8. August 1852.             Ludwig.“

Inzwischen hatte Rietschel seine Gruppe entworfen und dem König zur Ansicht eingeschickt. Der König ließ mir seine Billigung derselben im Ganzen, nebst einigen Bemerkungen gegen die verschiedene Wahl der Bekleidung für beide Dichter, durch seinen Flügeladjutanten mittheilen. Er hatte sich in die Aufstellung einer Gruppe, obschon mit Widerstreben, gefügt; er ließ mir auch später (17. Januar 1857), als das Gypsmodell in hiesiger Erzgießerei angekommen war, durch seinen Cabinetsrath schreiben, daß er „die Dichtergruppe recht schön gefunden“ habe, fügte aber eigenhändig unter den Brief die Worte hinzu: „Mit dem Lorbeerkranze konnte sich König Ludwig nicht befreunden, und kann sich nicht damit befreunden. Nicht Goethe nur, auch Schiller verdient ihn.“ Es braucht nicht gesagt zu werden, daß der König auf Rietschel’s der Darstellung zu Grunde liegenden Gedanken nicht eingegangen ist.

Die Schillerstiftung in München hatte mich zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Als ich in deren Namen bei der hundertjährigen Geburtstagsfeier Schiller’s im Jahre 1859 einen Aufruf zu Beiträgen für die Stiftung erließ, war König Ludwig der erste Wohlthäter mit einer Gabe von eintausend Gulden. Und als ich zum Behuf der öffentlichen Feier (da uns die Vorhalle des Theaters abgeschlagen worden war) ihn um die Erlaubniß anging, die Feldherrnhalle zu diesem Zweck benutzen zu dürfen, schrieb er mir sogleich:

„Erwiedere den Vorständen des Schillerfest Comités auf deren Schreiben vom Gestrigen, daß Ich mit Freude ihren Wunsch der Benutzung der Feldherrnhalle zum Feste unsers Schillers erfülle. Er ist der teutsche Dichter, er spricht zum teutschen Gemüthe, schwingt zum Ideal empor. Den Vorständen sowie dem ganzen Comité des Schillerfestes wohlgewogener

München, den 2. November 1859.             Ludwig.“

Mir aber sagte er in besonderer Audienz, wie es in seiner Jugend sein heißester Wunsch gewesen, Schillern eine Reise nach Italien zu ermöglichen, und wie ihm dafür in seinen beschränkten kronprinzlichen Verhältnissen die Mittel gefehlt. Noch mit diesen Gedanken beschäftigt, habe er im Frühjahr 1805 in dem Lorbeerhain der Ruinen der Kaiserpaläste in Rom gesessen, als (ich glaube) Martin Wagner zu ihm gekommen mit der Nachricht, Schiller sei gestorben. Da habe er sich gelobt, seiner Liebe und Verehrung desselben immer treu zu bleiben, und einst – wenn es ihm vergönnt sein würde – Gleichstrebende nicht ohne Beistand zu lassen. Und der König hat treulich gehalten, was der Kronprinz gelobt, und mit gleicher Wärme und bis selbst in die letzten Tage seines Lebens die Theilnahme an der Stiftung, die Schiller’s Namen trägt, bewahrt, wie er denn auch im Gefühl dessen, was er dem von ihm vor Allen geliebten und hochgehaltenen Dichter zu danken bekannte, die Statue Schiller’s auf einem der schönsten Plätze Münchens im Jahr 1862 hat errichten lassen.

Inzwischen war ihm auch Goethe’s Andenken gleich heilig, und als ich einmal gegen ihn äußerte, es wäre wünschenswerth, daß das Plätzchen in Rom, wo Goethe den Stoff gesammelt zu den „römischen Elegien“, die sogenannte Goethekneipe in den Ruinen vom Theater des Marcellus, eine bleibende Erinnerung erhielte, äußerte er sich sehr einverstanden. Im Winter 1865, da ich zugleich mit ihm in Rom war, sagte er mir: „Ihr Gedanke hat mich hierher begleitet, in der Goethekneipe ein Andenken an Goethe zu stiften. Ich habe mich nur vorher vergewissern wollen, ob die Nachricht begründet ist, und lese ebendeshalb wieder die italienische Reise von Goethe. Sie müssen mich hinführen an die Stelle, damit ich an keine falsche komme.“ Und nun steht die Gedächtnißtafel von Marmor an der einst in der helldunkeln Spelunke des alten Gemäuers höchst gemüthlichen, nun leider durch moderne Civilisation sehr veränderten Stelle, wo Goethe einst seine süßen Feierstunden verlebte.

Die historische Gewissenhaftigkeit bildete einen hervortretenden Zug in des Königs Charakter. In der ebenerwähnten Zeit ging ich einmal mit des Königs Leibarzt und einigen andern Landsleuten von Quattro Fontane hinab und hinaus nach S. Croce. Unweit der vier Brunnen an der Straßenmauer ist ein verschlossener Kasten, dessen mir aus früher Zeit und Ueberlieferung

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