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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

und reicher Herr, von dem wir ein gutes Lösegeld zu erwarten haben.“

„Und ich“ sagte Robert in entschiedenem Tone, „will lieber sein Schicksal theilen, als den Herrn in Euren Händen lassen. Ich weiche nicht von der Stelle, bis ich auch ihn in Sicherheit weiß.“

„Ich danke, Ihnen,“ sagte der Gefangene, sich in das Gespräch mischend, „für Ihre Theilnahme, aber ich wünsche nicht, daß Sie meinetwegen sich einer Unannehmlichkeit aussetzen. Vielleicht kann ich mich mit diesen Leuten einigen, wenn sie sich billig finden lassen. Auf einige Goldstücke soll es mir nicht ankommen.“

„Eccellenza wissen, was Sie werth sind,“ sagte der Räuber. „Unter tausend Ducati können wir Sie nicht freigeben.“

„Ihr sollt hundert haben und die fünfzig, die in meiner Börse sind, dagegen verlange ich meine Uhr, meinen Siegelring und mein Taschenbuch zurück, für die ich Euch auch noch fünfzig Ducaten vergüten will. Wenn Ihr damit zufrieden seid, so soll Euch der Haushofmeister meines Oheims das Geld zahlen.“

„Wer aber bürgt uns dafür, wenn wir Euch ziehen lassen?“

„Das Wort eines Edelmannes,“ versetzte der junge Mann mit persönlicher Würde.

Während die Räuber den Vorschlag in Erwägung zogen und sich heimlich beriethen, näherte sich Robert dem Gefangenen, dessen ganze Haltung eine gewisse aristokratische Vornehmheit verrieth. Er mochte ein Jüngling von achtzehn bis neunzehn Jahren sein, mit lichtbraunem Haar und blauen Augen, aus denen ebenso sehr Geist wie Herzensgüte sprach, so daß der Maler sich unwillkürlich zu ihm hingezogen fühlte.

„Wie sind Sie,“ fragte er ihn leise, „in die Hände dieser Schurken gefallen?“

„Daran trägt lediglich meine Liebe zur Kunst Schuld,“ versetzte der Unbekannte im reinsten Französisch. „Ich war auf der Jagd in der Nähe von Frascati, wo ich zum Besuch bei meinem Oheim verweilte, der in der Nähe eine Villa besitzt. Ich verirrte mich im Walde und gelangte in diese Schlucht, die mir so romantisch erschien, daß ich sie zu zeichnen beschloß. In meine Arbeit vertieft, bemerkte ich nicht die Räuber, welche mich plötzlich überfielen, ehe ich mich zur Wehre setzen konnte.“

„Sie sind demnach Maler, und ich freue mich, einem Collegen dienen zu können.“

„O, ich bin nur ein schwacher Dilettant,“ erwiderte der Jüngling lächelnd, „aber destomehr liebe ich die Kunst.“

Unterdeß sprach Teresina in dem unverständlichen Dialekt der Gebirgsbewohner eifrig mit den Briganten, welche noch immer unschlüssig schienen. Mit feurigen Worten bat, warnte und drohte sie, indem sie sich bald auf den Schutz Francesco’s, bald auf die Verdienste Robert’s um die gefangenen Räuber und auf dessen Bekanntschaft mit dem gefürchteten Cardinal Consalvi nicht ohne südliche Uebertreibung berief, bis die schwankenden Briganten, welche mit Teresina’s Familie genau bekannt und verbunden waren, ihren Vorstellungen Gehör schenkten.

„Besser ein Sperling in der Hand, als eine Taube auf dem Dache,“ sagte der Anführer, welcher de Cesari hieß. „Wir wollen Euren Vorschlag annehmen und erwarten das Geld an der Capelle, wohin es Euer Haushofmeister zum Ave Maria bringen kann. Wenn Ihr nicht Wort haltet, so werdet Ihr unserer Rache nicht entgehen. Ihr wißt, daß wir nicht scherzen und daß wir Euch überall finden werden.“

Zugleich überreichte er dem unterdeß von seinen Fesseln befreiten Gefangenen dessen Uhr, Siegelring und ein ansehnliches Taschenbuch, worauf die Räuber sich durch die Grotte entfernten, während die Reisenden den entgegengesetzten Weg in Begleitung ihres neuen Gefährten nach dein Gebirge einschlugen.

„Ich bin Ihnen zu großem Danke verpflichtet,“ sagte der junge Mann zu dem Maler, „da ich ohne Ihren Beistand nicht so billigen Kaufes fortgekommen wäre. Wahrscheinlich hätte ich eine unfreiwillige Reise in das Gebirge machen und so lange warten müssen, bis mein Lösegeld eingetroffen sein würde. Die Schurken haben es auf meine Familie abgesehen und im vorigen Jahr meinem Oheim einen Besuch auf seiner Villa abgestattet, zum Glück aber statt seiner einen armen französischen Maler, der sich zufällig in seiner Wohnung befand, ergriffen und mit sich fortgeschleppt. Doch auch er kam mit dem bloßen Schreck davon, da sie ihn wieder frei gaben, als sie ihren Irrthum gewahrten. Seitdem lauern diese Briganten auf eine bessere Gelegenheit, vor der Sie mich freundlichst bewahrt haben.“

„Danken Sie dem Zufall und nicht mir,“ entgegnete Robert, indem er seinem Begleiter über seine seltsamen Beziehungen zu den gefangenen Briganten Aufschluß gab.

„Das Alles,“ sagte der junge Mann, „klingt wie ein Märchen; „es ist das seltsamste Abenteuer, das ich bis jetzt erlebt habe.“

„Doch buchstäblich wahr, wie Ihnen das junge Mädchen bestätigen kann.“

„Ich zweifle nicht daran. Doch wohin gedenken Sie jetzt zu gehen?“

„Nach Sonnino, wo ich mich noch einige Tage aufhalten will, um daselbst Studien zu machen.“

„Ich glaube, daß sich dazu die dortige Gegend weniger eignet, als die herrliche Umgebung von Frascati. Meine Verwandten würden sich freuen, Ihre Bekanntschaft zu machen. Aber darf ich, ohne unbescheiden zu sein, nach dem Namen meines Retters fragen?“

„Ich heiße Leopold Robert, Maler Robert.“

„Den Namen werde ich nicht so leicht vergessen,“ erwiderte der Fremde mit verbindlichem Lächeln. „Vielleicht gestatten Sie mir, Sie in Rom in Ihrem Atelier zu besuchen und unsere flüchtige Bekanntschaft zu erneuern. Ich bin,“ setzte er fast zögernd hinzu, „der Sohn des Grafen von Saint-Leu.“

Der Neffe des Kaisers!“ rief Robert überrascht von dieser seltsamen Begegnung.

„Ein armer, verbannter Napoleonide!“ seufzte der wirklich schöne junge Mann, indem ein Schatten seine klare Stirn verdüsterte.

(Fortsetzung folgt.)




Ein Haupt der ultramontanen Partei in Deutschland.

Es ist ein Bild von keineswegs zu unterschätzendem culturhistorischen und zeitgeschichtlichen Interesse, das Bild der Wirksamkeit eines Mannes, der bereits seit fast zwei Decennien den ultramontanen Bestrebungen in unserem Vaterlande nicht nur als eine ihrer mächtigsten Stützen gedient, sondern vielmehr mit weithinschallendem Kriegsruf ihnen die Ziele und Wege gewiesen und alle Hebel in Bewegung gesetzt hat, um, soweit es an ihm lag, seinen Lebenszweck, die Wiederherstellung der Macht der Kirche, wie sie im Mittelalter war, zu erreichen. Nicht allein, daß wir, wenn wir dieses Bild auch nur in seinen äußeren Umrissen geben, um die Bekanntschaft einer jedenfalls hervorragenden Erscheinung unserer Zeit reicher werden; wir gewinnen damit auch zugleich einen lehrreichen Einblick in den Charakter und das Wesen einer Gegnerschaft, die den glück- und erfolgverheißenden Bestrebungen unserer Gegenwart in einem Kampfe „auf Leben und Tod“, wie ihn Wilhelm Emanuel Freiherr von Ketteler, Bischof von Mainz – denn er ist es, von dem wir hier sprechen – selbst bezeichnet, einen zähen, hartnäckigen, schwer zu ’ermüdenden Widerstand leistet. Wenn dieses Bild aber recht klar und deutlich werden soll, ist es nothwendig, einen kurzen Blick auf das Verhältniß zu werfen, in welchem die beiden christlichen Confessionen des Großherzogthums Hessen, – dies ist bekanntlich der engere Schauplatz der Thätigkeit des Bischofs, – vor Inthronisirung des letzteren auf dem Stuhle des heiligen Bonifacius zu einander gestanden haben.

Wie der Verfasser dieses Aufsatzes aus völlig zuverlässigen und unverfänglichen Quellen, über die er jederzeit Rechenschaft zu geben bereit ist, in Erfahrung gebracht hat, waren die interconfessionellen Beziehungen in Hessen vor den Zeiten des Herrn von Ketteler durch gegenseitiges Entgegenkommen im wahren Geiste christlicher Liebe in so wünschenswerther Weise geordnet, daß tüchtige Männer beider Religionsbekenntnisse, Priester und Laien, die alt genug sind, um die Differenz zwischen Sonst und Jetzt ziehen zu können, auf jene Zeiten wie auf einen glücklichen Traum zurückblicken. Die Geistlichen standen untereinander in einem geselligen Verkehr, der in vielen Fällen zu enger Freundschaft führte, unter allen Umständen es aber niemals an der gegenseitigen

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_244.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)