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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 12.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Ein Wort.
(Fortsetzung.)


Unterdeß war eine Magd eingetreten, die eine Platte mit Erfrischungen trug und ein Frühstück auf dem Tische ordnete. Während dieser Beschäftigung blickte sie von Zeit zu Zeit nach dem Unteroffizier hinüber, forschend, wie ihrer Sache nicht ganz gewiß, wie mehrmals im Begriffe zu reden, und dann doch wieder ihre Worte unterdrückend.

„Wollen Sie sich nicht setzen,“ sagte sie endlich, „und sich’s gefallen lassen, Herr … Herr …“

„Möchten Sie meinen Namen wissen?“ fragte Friedrich spöttisch.

„Ach, lieber Gott, nein, den weiß ich ja … Sie sind’s ja doch ganz gewiß, der Friedrich, mit dem meine ältere Schwester noch in die Schule gegangen ist …“

„Der Friedrich bin ich, das ist richtig.“

„Lieber Himmel, wie groß Sie geworden sind, und wie schön! Und nun kommen Sie einmal wieder in’s Dorf zurück … und zur gnädigen Frau … wie lange Jahre sind Sie nicht hier gewesen?“

„Das mag freilich mehr als zehn Jahre sein,“ gab Friedrich zur Antwort.

„Aber jetzt wird es wohl anders werden,“ plauderte die Magd weiter … „jetzt werden Sie schon öfter kommen … und wann ist denn Hochzeit? … Sie haben wohl die gnädige Frau dazu einladen wollen, denn da die gnädige Frau so große Stücke auf die Marianne …“

Friedrich hatte bei diesen Worten der redeeifrigen Dienerin höchst zornig seine Stirnfalten zusammengezogen.

„Zum Teufel,“ unterbrach er sie jetzt, „kommen Sie mir auch mit dem Gerede … ist denn das ganze Nest hier verrückt geworden – es fehlte mir just noch, daß Sie mich an das dumme Geschwätz erinnern …“

„Aber, Herr des Himmels, sind Sie denn nicht …“

„Thun Sie mir den Gefallen, mich damit zu verschonen. Wär’ mir lieber, wenn Sie mir ein wenig Wasser zum Trinken bringen wollten!“

Die Magd schoß mit großer Bestürzung zum Zimmer hinaus.

„Das ist ein Bär geworden, Gott steh’ uns bei,“ rief sie draußen aus … „an dem bekommt die Marianne auch nicht viel Gutes! Ich fürcht’, er prügelt sie nach den ersten sechs Wochen.“

Friedrich setzte sich unterdeß, einige Verwünschungen zwischen den Zähnen murmelnd, zu dem Frühstück nieder.

Dann, als er geendet hatte, ließ er sich in einem weichen Fauteuil, der in der Ecke stand, nieder, und in der versöhnteren Stimmung, die unausbleibliche Folge eines guten Mahles ist, gab er all’ den Gedanken Audienz, die seine Situation herbeiführen mußte. Es war doch räthselhaft, was die gnädige Frau eigentlich, wenn er nur ein Mädchen gewesen wäre, sich mit ihm hatte zu schaffen machen wollen … und darüber stellte sich ihm das Bild dieser hübschen und anziehenden gnädigen Frau so lebhaft vor, daß seine Gedanken von ihr zu seinem Hauptmann hinüberschweiften; an seiner Stelle, sagte er sich, würde ich nun, da sie meine Feindin sein soll, mich erst recht in sie verlieben … und wer weiß, ob das nicht längst geschehen ist; er ist im Winter in der Stadt doch auf allen Bällen mit ihr zusammengewesen und er hat seitdem etwas so Sonderbares in seinem Wesen … er spricht soviel weniger als früher … er sieht auch, denk’ ich, ein wenig blässer aus … er ist immer zu Hause, wenn man eine Meldung bei ihm hat … das war wohl früher anders … und die Art und Weise, wie er gestern Morgen von ihr sprach, … ich meine, es tönte etwas sehr Bitteres, Schmerzliches heraus … ich hätte große Lust, es dieser kleinen Frau ein wenig zu verstehen zu geben … wenn Unsereins nur geschickt genug dazu wäre … aber da fehlt’s … wenn’s durch die mit den Korkzieherlocken, die Kammerkatze war’s wohl, geschehen könnte, geläng’ mir’s wohl eher … vielleicht, wenn ich sie noch sehe …

Und indem Friedrich über diese Angelegenheit nachdachte, fiel ihm wieder die Marianne ein. Diese bestimmte Voraussetzung seiner Verlobung mit der Marianne war doch noch das Räthselhafteste von Allem … er hätte gewünscht, ihr zu begegnen, um sie selber zu fragen, wie denn eigentlich das Ganze zusammenhänge, und dabei hätte er sie ja auch wieder gesehen … es wär’ ihm ganz angenehm gewesen, sie wiederzusehen – ihr Bild, wie sie ihm in der Erinnerung stand – in dem weißen Kleide, mit dem Kranze, tauchte wieder vor ihm auf … wirklich, er hätte sie wieder sehen mögen … er dachte sehr lebhaft an sie … er schloß das Auge, um sie sich lebhaft vorzustellen … und das Auge blieb eine ganze Weile geschlossen … öffnete sich zwinkernd wieder und schloß sich noch einmal … Friedrich sank in einen gesunden Schlummer.

Wie lange, er wußte es nicht; so lange, bis plötzlich die Thür geöffnet wurde, und ein mittelgroßer Herr in schwarzem Anzuge eintrat. Er hatte ergrauendes Haar und sehr vorliegende große blaue Augen und was sehr Bestimmtes, Entschiedenes in seinem Wesen, in welchem jedoch eine gewisse Bedächtigkeit lag.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 177. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_177.jpg&oldid=- (Version vom 7.10.2021)