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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 11.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Ein Wort.
(Fortsetzung.)


„Sieh, Du bist schlau, Vater Peter,“ entgegnete Friedrich. „Also eine reiche Bauerntochter soll ich mir freien, willst Du? Wär’ nicht übel. Aber ich fürchte, in der Stadt haben sie mir den Geschmack verdorben für eine von Euren Landschönheiten in Holzschuhen und braunem Friesrock und mit schmutzigen, schwieligen Händen, so Eine könnt’ eine Million haben, der Friedrich nähm’ sie nicht.“

„Aber was redest Du denn so heimtückisch und thust, als ob gar nichts wäre … warst doch sonst nicht so versteckt und ein Duckmäuser.“

„Ein Duckmäuser? Was fällt Euch ein, alter Tillmann; der Ausdruck streift an’s Unparlamentarische, wie wir in der Caserne sagen.“

„Ja, Peter, Du fährst auch gleich so heraus!“ sagte hier Mutter Gertrud, die am Tische stehen geblieben war, um der Wendung dieses Gespräches zu folgen.

„I, was soll ich denn nicht herausfahren,“ rief Vater Tillmann dagegen, „ich denk’, gegen so alte Freunde thut man nicht heimlich. Wir wissen ja doch, daß Du eins bist mit Deiner Marianne.“

„Mit meiner Marianne? Mit welcher Marianne?“ fragte Friedrich auf’s Aeußerste überrascht.

„Nun, mit der Marianne vom Herbothof, und der Herbotbauer, wenn sie auch sein einzig Vorkind ist, will sie Dir ja geben … man weiß auch weshalb und was ihn so willig macht; er ist ja schon lang hinter der Anna drein, und die Anna will ihn erst, wenn die Marianne vom Hofe fort ist, und da die Marianne …“

Der Soldat sah den Wirth an mit einem Ausdruck, als frage er sich, ob unter die Veränderungen, welche seit seiner Abwesenheit im Dorfe vorgekommen seien, auch eine bedeutende Veränderung, die mit den Geisteskräften des Vaters Tillmann vorgegangen, gehöre. Und dann sah er Mutter Gertrud an – Mutter Gertrud aber sah aus so unverändert dumm-gutmüthig, wie sie vor Jahren gethan; und da sie auch nicht mit einem: „Ja, Peter, Du redest auch immer so aberwitzig!“ dazwischen fuhr, was sie gewiß gethan haben würde, wenn Vater Tillmann nur einen Scherz vorgehabt hätte, so rief Friedrich aus:

„Aber da möchte Einer ja alle vierzehn Nothhelfer zusammenrufen, um ihm beizustehen, daraus klug zu werden. Die Marianne und die Anna und der Herbotbauer – zum Henker, Vater Tillmann, was soll denn das Alles?“

„Siehst Du, Peter, Du fällst auch immer so mit der Thür in’s Haus,“ sagte Mutter Gertrud, „der Herbotbauer hat Dir ja gleich gesagt, es sollt’ noch geheim bleiben, daß der Friedrich die Marianne bekommt.“

„Das hat Euch der Herbotbauer wirklich selber gesagt?“ fiel Friedrich ein.

„Ganz gewiß hat er mir’s gesagt,“ rief Vater Tillmann, „was sollt’ er denn nicht? wir kennen uns ja von langen Jahren her und sind immer die besten Freunde gewesen; der hat keine Geheimnisse vor mir. Und im Uebrigen weiß es ja auch schon die ganze Bauernschaft.“

„Nun, dann,“ sagte Friedrich lachend, „dann ist der Herbotbauer entweder verrückt, oder es muß irgendwo in der Welt einen Namensvetter von mir geben, oder gar einen Doppelgänger, der um seine Marianne gefreit hat … denn ich, das kann ich Euch versichern, hab’s nicht gethan, und die Marianne kenn’ ich gar nicht, so zu sagen heißt das – denn als Schulkind hab’ ich sie freilich gesehen, wie Alle, die zum Dorfe gehören.“

„Meinethalb, wenn Du’s abreden willst, thu’s. Aber es ist nicht schön von Dir, daß Du’s gegen Deinen alten Freund thust. Man weiß schon weshalb. Du sollst bald Oberfeuerwerker oder dergleichen werden, sagen sie, und dabei könnt’s Dir schaden, wenn’s zu früh bekannt würde, daß Du heirathen willst, denn beim Militär haben sie die verheiratheten Leute nicht gern … das wissen wir hier auf dem Dorfe auch. Aber sag’ einmal, wozu wärst Du denn nach so langen Jahren in’s Dorf gekommen, wenn nicht dazu?“

Als Vater Tillmann diese verfängliche Kreuzfrage an den Unterofficier der reitenden Artillerie stellte, sah er sehr schlau aus und lächelte spöttisch. Es war klar, er hatte Friedrich gefangen.

Und in der That, Friedrich fühlte sich ein wenig gefangen, als er antwortete:

„Um ganz anderer Dinge willen. Die Frau von Thorbach hat mir sagen lassen, daß sie mir eine Mittheilung zu machen habe.“

Er sah voraus, daß Vater Tillmann diese Erklärung seines Kommens äußerst unwahrscheinlich finden und ungläubig aufnehmen werde, und in der That, Vater Tillmann zuckte lachend die Achseln. „Kann mir’s denken,“ rief er aus, „daß Du darum kommst … ja, ja, wird wohl Alles seine Richtigkeit haben. Die Frau von Thorbach ist eben von der Reise zurückgekehrt und hat Last und Arbeit genug auf den Armen, jetzt, wo der alte Herr von Stromeck gestorben ist – kann mir’s denken, daß sie pressirt ist, gleich den ersten Tag den Herrn Friedrich sich herauskommen zu lassen…“

„Nun weshalb nicht?“ gab Friedrich lachend zur Antwort.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 161. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_161.jpg&oldid=- (Version vom 6.10.2021)