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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

Freut mich, daß Sie mir beistimmen, Doctor!“ versetzte Herbot. „Die Marianne paßt ohnehin besser für einen Stadtherrn als für einen Bauern, Die Frau von Thorbach, die sie durchaus zu ihrem Kammermädchen haben wollte, so daß ich sie auf ein Jahr zu ihr lassen mußte, hat sie für den Bauernhof ganz verdorben.“

„Hm!“ sagte der Doctor nachdenklich, legte seine Mütze wieder ab und warf die Handschuhe, die er anzuziehen begonnen, hinein.

„Sagt mal, Herbotbauer,“ begann er dann von Neuem, „das ist wohl schon eine alte Liebschaft zwischen der Marianne und dem Friedrich, wohl schon von damals her, als sie Beide noch die Kinderschuhe trugen?“

„Das nicht,“ entgegnete Herbot, „sie datirt von diesem Winter her.“

„So, so! Nun, das verschlägt wenig. Dann ist die Liebe desto frischer und feuriger. Und der Friedrich ist ein sehr ehrlicher Bursche. Ich kenn’ ihn; ich kenn’ ihn besser, als irgend Jemand; er ist kein Mann, der leicht sein Wort bricht.“

„Sein Wort bricht? Wie kommt Ihr darauf?“

Rostmeyer antwortete nicht gleich. Er streichelte schweigend sein Kinn.

„Eine Tochter vom Herbothofe, denk’ ich, läßt Einer ohnehin nicht sitzen!“ fuhr der Bauer fort.

„Ja, ja,“ entgegnete Rostmeyer, „unter Umständen! Besser noch ist, daß die Tochter vom Herbothofe ein so verwettert hübsches Ding ist.“

Dabei streichelte Rostmeyer abermals sein glattes Kinn und blickte seinen Clienten mit den großen Augen so seltsam und so fragend an, als ob er vergessen, wen er eigentlich da vor sich stehen habe, und sich gar nicht wieder darauf besinnen könne.

„Doctor,“ sagte der Bauer endlich, „was geht Euch eigentlich im Kopfe herum? Ihr habt etwas, mit dem Ihr nicht herausrücken wollt; wenn Ihr nicht Frau und Kinder hättet, würde ich sagen, die Marianne hätt’s Euch selber angethan, und Ihr wär’t just auf dem Weg gewesen, um sie zu freien …“

Doctor Rostmeyer ging auf diesen angenehmen Scherz gar nicht ein. Er antwortete ernst:

„Ich hab’ Euch noch keinen Stuhl angeboten, Herbot; thut mir den Gefallen und setzt Euch dort … ich möchte noch ein wenig länger mit Euch von der Sache reden. Da Ihr mir einmal sagt, der Friedrich solle Euer Schwiegersohn werden … hört, Ihr habt vor wenigen Jahren Eure sauern moosigen Wiesensümpfe umgebaut … was hat Euch das gekostet?“

„Meine Wiesen? Wie kommt Ihr darauf?“

„Ich frage nur. Was hat es Euch gekostet?“

„Viel Geld, Doctor, viel Geld!“

„Wie viel?“

„Mehr als tausend Thaler!“

„Mehr als tausend Thaler. Gut. Und nun reut’s Euch nicht, es war ein gutes Geschäft. Ihr könnt aber, wenn Ihr tausend Thaler daran wenden wollt, noch ein besseres machen. Ihr könnt Euch den ganzen Schwiegersohn umbauen … solch’ ein Unterofficier ist nur ein schlechtes Parcel, bei dem nicht viel zu holen; am Ende auch nur ein Stück Sumpf; legt Ihr tausend Thaler daran, so baue ich ihn Euch um – in etwas Besseres! Ich mach’ Euch etwas draus, woran Ihr Eure Freude haben sollt!“

„Sie spaßen, Doctor!“

„Nein, Herbot, wenn ich von tausend Thalern rede und von einer Sache, an der ich verdienen will, so spaße ich niemals!“

„Aber was wollt Ihr denn eigentlich?“

Der Advocat ging und zog eine Klingelschnur. Dann zündete er die beiden auf seinem Schreibpult stehenden Kerzen an, da es nach und nach dunkel geworden. Als eine Magd erschien, befahl er ihr, eine Flasche Wein zu bringen, und während sie ging, den Auftrag auszuführen, reichte er seinem Clienten eine Cigarre und hielt ihm zum Anzünden das Licht hin.

„So,“ sagte er dann, während Herbot die ersten Dampfwölkchen von sich blies und sich in seinem Stuhl ausstreckte … „jetzt will ich Euch eine Geschichte erzählen und dann wird Euch bald Alles klar werden. Laßt nur erst das Mädchen mit dem Wein gekommen und wieder verschwunden sein!“

Das Mädchen kam mit dein Wein; Rostmeyer schenkte ein, und dann begann er seine Mittheilung.

Sie dauerte ziemlich lange. Der Bauer hörte ihr erstaunt und verwundert zu. Mit den Schlußsätzen aber, womit Rostmeyer, endete, schien er höchst gründlich einverstanden. Er nickte ihm überaus vergnügt und freudig zu; er rieb sich die Hände aus Vergnügen über Alles, was er vernommen hatte.

„Macht nur die tausend Thaler flüssig, für alles Andere steh’ ich ein,“ sagte Rostmeyer sich erhebend, „nur die Gelder sind nöthig. Und dann freilich ist’s Mariannens Sache, den Friedrich beim Worte zu halten. Er muß Fuß bei Mal halten. Und ich denk’, der gute Bursche wird’s! Eines dürft Ihr nicht unterlassen. Ihr müßt es so offenkundig wie möglich machen, daß die beiden jungen Leute verlobt sind. So lange Niemand von solch’ einem Verhältniß weiß, ist’s leicht wieder abgebrochen – aber wenn’s öffentlich kund gemacht worden ist, dann ist man gebunden … der Friedrich wird dann nicht so leicht daran lenken; ihr untreu zu werden.“

„Gewiß, gewiß,“ antwortete Bauer Herbot, „dafür will ich schon sorgen!“

„Und ich,“ fuhr der Advocat fort, „will sogleich an die Frau von Thorbach, die im Bade ist, einige Zeilen schreiben. Ich will sehen, sie für den Friedrich zu interessiren. Vielleicht geht sie, um ihres Vaters willen, eifrig darauf ein – und damit wäre viel gewonnen; solch’ eine Dame vermag in der vornehmen Welt viel, und wer weiß, was wir da noch für Leute nöthig haben – Fürsprache und Connexionen sind ein gutes Ding, und auch, wenn man ganz offenbar das Recht für sich hat, nicht unnütz!“

„Thut das, Doctor, thut das!“ rief Bauer Herbot aus; „wir wollen jeder das Unserige thun …“

„Und daran wird’s nicht fehlen,“ versetzte Rostmeyer, dem Bauer das letzte Glas einschenkend, „auf den Schwiegersohn, Herbot!“

„Solch’ einen Schwiegersohn kann man schon leben lassen,“ rief Herbot aus und stürzte, nachdem er mit dem Doctor angestoßen, den Wein hinunter, „und jetzt gute Nacht!“

„Gute Nacht!“ versetzte der Rechtsanwalt.

Die beiden Verbündeten trennten sich.




3.

Es waren acht Tage verflossen. In der Provincialhauptstadt, in einem sehr elegant eingerichteten Zimmer, welches die sauberste Ordnung zeigte, saß ein junger Mann von höchst gewinnendem Aeußern. Er saß an einem der Fenster, vor einem mit allerlei Zeichenmaterialien bedeckten Tische und war beschäftigt, ein Aquarellbild, das eine düstere Landschaftsscenerie, eine Felsgegend mit einem dunklen Gewitterhimmel darüber, darstellte, zu malen. Bald war er über seine Arbeit gebeugt, bald benutzte er die Augenblicke, wo er innehalten mußte, die Farben trocknen zu lassen, nur zum Fenster hinauszublicken und träumend den Himmel anzusehen; und dies stille Träumen, wobei sich sein hübscher männlicher Kopf mit dem dunkelbraunen Haar und dein schönen Vollbart auf seine wohlgepflegte aristokratische Hand stützte, dehnte sich dann meist weit über die Zeit aus, welche die Farben zum Eintrocknen bedurften.

Die Ausstattung des Zimmers deutete darauf, daß der Bewohner seine Malerei ohnehin nur als Dilettant trieb. Die gekreuzten Säbel zwischen Revolvern unter einem Helm mit langem schwarzem Roßschweif verriethen, auch wenn der junge Mann nicht in einen mit rothem Tuche gefütterten dunklen Uniformrock gekleidet gewesen wäre, daß er Officier war.

Die Thür öffnete sich, ohne daß angepocht worden, und herein trat ein großer, breitschulteriger und festgebauter Mann, dessen blühendes gutmüthiges Gesicht mit dem blonden Bart auf der Oberlippe kein höheres Alter als höchstens vierundzwanzig verrieth, während die ausgebildete Gestalt auf wenigstens dreißig hätte schließen lassen … es war eine jener kräftigen Erscheinungen, welche unter den Söhnen seiner Heimath so häufig ist und so viel Musterbilder wackerer Vaterlandsvertheidiger darunter finden läßt.

Er trug die Uniform desselben Regiments, zu dem der Officier gehörte, aber die eines Unterofficiers.

„Du bist’s, Friedrich,“ sagte der Officier, „etwas Dienstliches?“

„Zu Befehl, ja, Herr Hauptmann, ich komme Sie zu bitten, mir einen Urlaub von acht Tagen zu gewähren.“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 146. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_146.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)