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verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

der Oberfläche rein und trocken reibt; einem zweiten, welcher die Platte auf das Untergestell auflegt, sie unter den Deckel der Presse schiebt, um dessen mächtigen Druck zu empfangen, und die Platte dann dem Ersten wieder aushändigt, und einem Mädchen, das den reinen Bogen hinlegt und den bedruckten wegnimmt und zwischen je zwei ein Blatt braunes Papier ausbreitet, um Beschmutzung zu verhüten. Jede Presse macht ungefähr einhundert und fünfzig Bogen in der Stunde, kann jedoch im Nothfalle bedeutend Mehr liefern. Auf einer weht die amerikanische Flagge zur Erinnerung daran, daß sie einmal in sieben und einer halben Stunde dreitausend Abdrücke lieferte. Die Platten sind künstlich geheizt, weshalb sie der Drucker hastig behandelt, indem sie auf den Fingern des Unerfahrenen Blasen brennen würden. Im Sommer ist der Raum wie das Innere eines Ofens; der Schweiß strömt an den Arbeitern herab, und die· großen Palmfächer der Mädchen sind in beständiger Bewegung. Diese Arbeit ist außerordentlich schwer und anstrengend. Früher wurde auf angefeuchtete Bogen gedruckt, Mr. Clark, der Chef des Druckbureaus, hat jedoch, gegen starke Opposition, das trockene Drucken durchgesetzt. Es gewährt mehr Sicherheit gegen Moder, weil trockene Bogen in abgezählten Paketen von je tausend sich leicht verwahren, während feuchte in großen, ungleichen Haufen gehalten und häufig von einem Haufen auf den andern umgelegt werden müssen. Auch hat sich erwiesen, daß Trockendruck fünfundzwanzig Procent billiger und weniger anstrengend als die frühere Weise ist, welche bei den Druckern häufig Brüche erzeugte.

Beim Druck von Schrift, Stereotypplatten oder Holzschnitten erheben sich die Buchstaben und Linien so bedeutend über die Oberfläche, daß ein leichter Druck genügt, um ihre geschwärzte Seite leserlich auf dem Papier abzudrucken. Allein bei Stahlstichen sind die Linien in die Platte vertieft eingeschnitten, dann mit Farbe gefüllt, und es ist ein ungeheurer Druck erforderlich, um das Papier in diese feinen Linien hineinzustrecken und zu zwängen. Jede Presse hier ist ein Ungeheuer an Kraft. Die zärtliche Umarmung eines Bären ist im Vergleich nicht mehr als die Berührung einer Fliege. Man lege eine geschwärzte Platte und einen Papierbogen in ihren Rachen, drehe eine kleine Feder, und das stählerne Gebiß kommt herab mit einem Gewichte von achtzehntausend Centner. Diese Kraft wird von dem Potomacflusse heraufgepumpt und der Mechanismus beruht auf dem einfachen Satze, daß, wenn man den Druck von zwanzig Centnern (einer Tonne) auf eine kleine Wassersäule von einem Zoll Quadrat wirken läßt und dann diese Wassersäule durch eine Röhre mit einem Teiche (hier der Potomac) von einer achthundert Mal größeren Oberfläche verbindet, man die zwanzig Centner jedem der achthundert Quadratzolle mittheilt und dann das ganze Gewicht auf einen Punkt nicht größer als eine Fingerspitze concentriren kann.

Wir kommen in unserem Umgange nun zum Bronzirraume, den wir in der Reihenfolge der Processe, denen das Papiergeld von der Papiermühle bis zum Verpacken unterworfen wird, eigentlich hätten früher beschreiben sollen, weil das fertige Papier hier zuerst behandelt wird. Das reine Papier geht nämlich in diesem Raume durch eine Hoe’sche Cylinderpresse, worin es mit Druckschwärze die Figuren, Buchstaben und Ziffern erhält, welche auf der Vorder- wie auf der Rückseite der fertigen Note später glänzen sollen. Es passirt dann durch eine zweite Dampfpresse, in der gelbes glänzendes Pulver mittels Bürsten auf die Stellen gestrichen wird, wo die Bronze erscheinen soll. Dies Pulver klebt auf der nassen Druckerschwärze fest, worauf in derselben Maschine andere Bürsten auch die geringsten Partikelchen von Metallstaub von den übrigen Theilen des Papieres sorgfältig wegfegen. Ein eiserner Rahmen stößt dann die Bogen aus und häuft sie auf. Die Bronze wird aus Kupfer und Zink dargestellt. Sie trocknet von selbst und kann nicht vermischt werden, ohne die Substanz des Papieres zu zerstören. Die diese Pressen bedienenden Mädchen tragen Hauben von weißem Papier, um ihr Haar gegen die Bronzetheilchen zu schützen, die herumfliegen wie Mehl in einer Mahlmühle.

Weiter kommt das Numerirzimmer. Ein Dutzend Mädchen sitzen bei winzigen, durch Tretschemel in Bewegung gesetzten Maschinen. Eine ergreift einen Staatsschuldschein, man sieht ihn sich in ihrer gelenkigen Hand unter dem Stempel hierhin, dahin bewegen, – klick – klick – klick –, und schneller als das Picken einer Uhr ist die Nummer 264,720, eine Zahl nach der andern, in Scharlachfarbe auf den Schein selbst und seine vierzig Coupons aufgedruckt. Sie berührt eine Feder und die letzten Ziffer 0 wird durch 1 ersetzt, und wieder verrichten die fleißigen Finger ihr Werk wie zuvor. Das Mädchen an der nächsten Maschinchen hat einen Bogen von Zehn-Dollars-Noten der ersten Nationalbank in Chicago. In der unteren linken Ecke der Note steht die Banknummer 40, sie druckt an die obere rechte Ecke die Schatzamtsnummer 270,832. So klicken die thätigen Arbeiterinnen fort und numeriren Millionen von Dollar jeden Tag.

Der interessanteste von allen Räumen aber ist ohne Frage der Abschneideraum; hier befinden sich die Maschinen zum Durch- und Zurechtschneiden. Ein Bogen mit kleiner Scheidemünze enthält von zwanzig bis fünfzig Scheinen. Die Schneidemaschinen schneiden die Bogen durch, beschneiden die einzelnen Scheine, zählen dieselben und legen sie auf regelmäßige Haufen von Fünfdollars, Zehndollars oder Zwanzigdollars, wie man will. Wenn jeder der ersten sechs Haufen Zehndollars (oder Zwanzigdollars oder Fünfzigdollars, wie gewünscht wird) enthält, dann setzt die Maschine, wenn auf diese Nummer gestellt, kleine Schelle in Bewegung, um diese Thatsache anzukündigen, bewegt einen Zeiger an einer uhrartig eingerichteten Platte, um die Zahl festzustellen, und setzt dann unmittelbar ihre alte Arbeit des Aufhäufens etc. wieder fort. Es ist eine wunderbar geheimnißvolle, fast möchte ich sagen beängstigende Maschine. Sie schneidet in einer Stunde tausend Bogen durch, beschneidet die Masse kleiner Scheinchen und häuft sie auf. Von zwei Mädchen gefüttert, verrichtet sie die Arbeit von vierzig. Sie vereinigt mit maschinenmäßiger Genauigkeit fast menschliche Intelligenz, und sie macht nie einen Fehler. Die Haufen kleiner Noten, wie sie die Maschine aufgehäuft, und ohne einer Wiederzählung unterworfen zu werden, gehen, mit einem Band gebunden und in Pappschachteln von je eintausend bis dreitausend Dollars verpackt, an das Schatzamt, wo sie zum Verkehr ausgegeben werden.

Ueberall auf unserem Umgange sahen wir Mädchen, welche mit der Hand undurchschnittene Bogen von Noten, Staatsschuldscheinen und Postmarken gewöhnlich in Pakete von tausend zählten. Durch lange Erfahrung erlangen sie eine wunderbare Gewandtheit. Man bemerkt blos ein verwirrtes Herumfliegen von Blättern, während sie tausend Bogen in vier Minuten zählen.

Bei den abgeschnittenen Noten verrichten diese Mädchen mit großer Schnelle eine seltsame doppelte geistige Operation. Jeder Bogen mit Greenbacks enthält nämlich ursprünglich vier Noten. Jene Maschine läßt diese, nachdem sie den Bogen zerschnitten, in vier Kasten fallen. Da die Greenbacks mit aufeinanderfolgenden Zahlen numerirt sind, so muß nothwendig ihre Ordnung in jedem dieser Kasten vier überspringen. Wäre z. B. die oberste Note mit 102,640 numerirt, so muß die zweite die Zahl 102,644 tragen, und so weiter bis zum Ende. Das Mädchen nimmt eine Handvoll dieser Noten heraus. In einer Gedankenrichtung muß sie dieselben in Pakete von je hundert abzählen und sich zugleich überzeugen, daß die Schatzamtsnummern in gehöriger Reihenfolge kommen. Wollte sie bei jeder Note die lange Zahl 102,640 etc. wiederholen, so würde dies entsetzlich aushalten. So spricht sie, während ihre Finger über jede Note hinlaufen, zugleich mit dem Abzählen blos die Endziffern der Schatzamtsnummern aus, z. B. 1–0, 2–4, 3–8, 4–2, 5–6, 6–0 etc. bis zum vollen Hundert. Das Auge kann kaum ihrer Blitzesschnelle folgen, die nur selten für eine Secunde unterbrochen wird, um eine an unrechter Stelle liegende Note zurecht zu legen. Sie wird an diese eigenthümliche doppelte Zählung so gewöhnt, daß sie nicht mehr im Stande ist, ein einfaches Hundert zu zählen, ohne in ihrem Geiste die beilaufende Nummer zugleich mitzuschleppen.

Die fertigen Staatsschuldscheine gehen an den Registrator; die Nationalbanknoten an den Controleur; Greenbacks und Scheidemünzscheine an das Schatzamt. Achtundzwanzig Millionen Dollars solcher Scheidemünzscheine sind im Umlauf und sie nutzen sich so schnell ab, daß jede Woche viermalhunderttausend neue Dollars ausgegeben werden. Die abgenutzten werden vernichtet.

Dem Druck- und Gravirbureau gehen täglich von zwei bis sechszig Millionen Dollars von öffentlichen Werthpapieren durch die Hand. Es hat im Ganzen für über siebentausend Millionen solcher Werthpapiere fabricirt, und doch – mit Ausnahme eines Falles von elfhundert Dollars zu einer Zeit, als die Organisation des Bureaus noch unvollständig war – nie auch nur Einen Dollar verloren. Gewiß ein wunderbares Finanzkunststück!

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verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 58. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_058.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)