Seite:Die Gartenlaube (1868) 057.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

das von durch Maschinen bewegten Messern in Bogen zerschnitten wird, die sich bequem aufrollen lassen. Diese Papiermühle ist ein geräuschvolles Ungeheuer, weshalb sie nur bei Nacht arbeitet, indem sie sonst die Ruhe des ganzen Gebäudes und der darin arbeitenden über eintausend achthundert Beamten und über fünfhundert Beamtinnen allzusehr stören würde.

Unmittelbar neben der Papierfabrik sehen wir eine der wunderbarsten Maschinen dieses Papiergeldpalastes, – die zum Anfertigen von Briefumschlägen. Ein stählernes Messer, ähnlich einer umgekehrten Zinnschüssel mit scharfem Rande, wird auf einen Haufen Papier gelegt, das stark gepreßt ist. Mit einem Drucke des Hebels schneidet das Messer fünfhundert Umschläge aus. Diese werden zu je einhundert noch offen so auf Bretter gelegt, daß der untere über den oberen einen Achtelzoll hervorragt. Ein Mädchen streicht mit einem Pinsel den Gummi auf, den der Briefschreiber später anfeuchtet, um den Umschlag zu schließen. Diese Bretter werden der Luft zum Trocknen ausgesetzt, und sobald dies der Fall, gehen die Umschläge, ungefaltet, in dicken Bündeln zu einer kleinen, ungeduldigen und wie mit Magie arbeitenden, höchst gefräßigen Maschine. Diese erfaßt sie mit gierigen Zähnen, streicht sofort Gummi auf jedes Ende und den unteren Lappen, faltet die vier Lappen scharf ein und drückt die drei unteren fest auf, den oberen zur Aufnahme des Briefes offen lassend, und basta – da ist der Umschlag fertig! Dieser kluge, wunderbare Automat, nicht größer als eine gewöhnliche Nähmaschine, faltet, beschmiert, siegelt und stößt zweitausend Umschläge in der Stunde aus. Sie hat etwas Bezauberndes, und nur mit Zögern trennt sich der Besucher von dem kleinen Wunder, um sich nach dem Zimmer der Stecher zu begeben.

Oestliche Façade des Schatzamtes in Washington.

Hier schauen ein halbes Dutzend Arbeiter, mit Schirmen über den Augen, mit gespanntester Aufmerksamkeit durch Vergrößerungsgläser auf kleine Platten von erweichtem Stahl, die wie Spiegel blenden. Sie ziehen mit dem Grabstichel Linien so klein und fein, daß das bloße Auge sie kaum wahrnehmen kann. Wir lehnen uns über des Einen Schulter und nehmen wahr, daß er von einem Papier eine Skizze in zwei Gruppen copirt, die eine das Abschneiden des Weizens mit der veralteten Sichel, die andere dessen Abmähen mit der modernen Erntemaschine darstellend. Es ist ein kleines Ding, woran er arbeitet, etwas größer als ein Champagnerthaler, allein wahrscheinlich arbeitet er ein ganzes Jahr daran, ehe er es vollendet. Jeder Arbeiter fertigt blos einen kleinen Theil einer Note an; er muß auf’s Genaueste der ihm vorgelegten Skizze folgen, und dennoch – wie wunderbar sich doch die Individualität geltend macht! – erkennt ein Sachverständiger selbst in diesen unendlich kleinen Linien ebenso sicher ihren Urheber, wie wir eine Unterschrift. Die Amerikaner behaupten, daß, wenn auch andere Nationen sie in Stahlstich und Holzschnitt für Bücher übertreffen, sie dagegen in derartiger Arbeit jenen weit voraus sind, wobei freilich erwähnt werden muß, daß die besten und meisten Arbeiter Fremde, namentlich Deutsche, sind. Amerikanische Banknoten sollen den feinsten Stahldruck von allen aufweisen. Ein guter Arbeiter erhält von der Regierung dreitausend Dollars das Jahr, in Privatdiensten manchmal bis zu zehntausend Dollars.

Die feinen, verschlungenen Ornamente auf dem Rücken und um die Zahl der Staatsschuldscheine (wie fein verschlungen sie sind, ist nur mit dem Vergrößerungsglase zu entdecken) werden jedoch mechanisch und zwar mit einer von einem Yankee, Asa Spencer, vor etwa fünfzig Jahren erfundenen Maschine gravirt. Das System derselben ist alt und einfach, der Apparat selbst aber höchst complicirt. Die Stahlplatte wird auf einer Unterlage sehr stark befestigt und dann bewegt sich der Grabstichel, von kräftigen Stahlmuskeln erfaßt und durch die Maschine getrieben, über dieselbe, leichte Furchen überallhin zurücklassend. Keine Menschenhand ist im Stande, irgend einen Zug, ein Netz oder eine regelmäßige und schwierige Devise mit solch’ ausgezeichneter Feinheit, Genauigkeit und mathematischer Präcision zu graviren. Sie wird die „geometrische Drechselscheibe“ genannt und kostet von dreitausend bis achttausend Dollars, was freilich manchem Fälscher ein zu hoher Preis sein dürfte. Früher wurden zu derartigen Zwecken Kupferplatten gebraucht, weil es leichter und billiger war, sie zu graviren; von ihnen konnten aber nur acht- bis zehntausend Abzüge gemacht werden, während eine Stahlplatte deren dreißigtausend liefert, ehe sie abnutzte.

Nach einem neuen in dem Schatzamte adoptirten Verfahren ist die Zahl der Abzüge endlos. Es wird nämlich die so sorgfältig gravirte Stahlplatte nie gebraucht, um davon abzuziehen. Sie wird die „Grundlage“ genannt, und wenn der letzte Strich des Stichels an ihr geschehen, fünf bis sechs Stunden der stärksten Hitze ausgesetzt, bis sie die Härte eines Diamants gewonnen hat, worauf sie auf das Lager einer riesigen Presse aufgelegt und einem

Südliche Hauptfaçade des Schatzamtes in Washington.

Drucke von dreitausend Pfund ausgesetzt wird, während ein kleiner Cylinder von weichem Stahl auf ihr hin- und herrollt. Sobald dieser die ersten schwachen Eindrücke zeigt, nimmt ein Arbeiter ihn heraus, um zu prüfen, wo ein schwächerer und wo ein stärkerer Druck erforderlich ist, und danach den convergirenden Druck zu reguliren. Beim Zurückbringen des Cylinders würde die Abweichung um eines Haares Breite Stempel und Platte verwischen und verderben, aber die genau gestellte Maschine macht unter seinem geübten Auge keinen Fehler. In einer bis zwei Stunden prägt der Cylinder oder Stempel einen vollkommenen Abdruck der Note, in Relief, bis zur feinsten Linie und bis zum delicatesten Ton. Die ursprüngliche Platte (die „Grundlage“) wird nun in einer eisernen Kiste verwahrt, bis sie wieder nöthig ist, Der Cylinder, im Feuer gehärtet, wird ein vollkommener Stempel, der so lange über eine große, glatte Platte von erweichtem Stahl gerollt wird, bis dieselbe vier Abdrücke der Note erhalten hat. Dann wird auch der Cylinder für gleichen Gebrauch sorgfältig eingeschlossen, während die neue Platte nun fertig ist, um vier Noten zu gleicher Zeit abzudrucken. Platten für Papierscheidemünze, Coupons und dergleichen ertragen von je zwölf bis zu vierzig Abdrücken. Diesen sinnreichen Uebertragungsproceß empfahl im Anfange dieses Jahrhunderts in Amerika zuerst ein anderer Yankee, Jakob Perkins aus Massachusetts.

Verfügen wir uns nunmehr nach einem der Druckerräume. Beim Thüröffnen trifft unser Ohr das Geklapper von vierundvierzig Pressen, jede von drei Personen bedient, nämlich von einem Manne der die glänzende große Platte mit Schwärze bestreicht und, wenn die Zwischenräume angefüllt sind, den übrigen Theil

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 57. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_057.jpg&oldid=- (Version vom 14.2.2021)