Seite:Die Gartenlaube (1868) 033.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1868)

No. 3.   1868.
Die Gartenlaube.


Illustrirtes Familienblatt.Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich bis 2 Bogen.0 Vierteljährlich 15 Ngr. – In Heften à 5 Ngr.



Der Schatz des Kurfürsten.
Historische Erzählung von Levin Schücking.
(Fortsetzung.)


„Elise – bleibt, bleibt!“ rief gedämpften Tones der Inspector hinter ihnen, und an sie herantretend fuhr er fort: „Hat Mensing mit Ihnen gesprochen, Wilhelm?“

„Er hat es, Herr Inspector!“

„Und welche Antwort haben Sie ihm gegeben?“

„Die Antwort, die er von mir erwartete. Wenn Sie wünschen, daß Elise thut, wie Mensing will, so werde ich Ihren Schatz fahren – aber ohne sie nicht!“

„Und Du, Elise?“ fragte der Inspector seine Tochter.

Sie umarmte ihn, und ihren Kopf an seine Brust legend, sagte sie: „Ich sehe nur das Eine, daß ich helfen kann, Deinen Kummer und Deine Sorge zu enden!“

„Du bist ein gutes, gutes Kind,“ sagte der Inspector weich, „und Sie, Wilhelm, Sie verdienen Elise nicht zu theuer, wenn Sie sie verdienen durch eine muthige That, bei der Sie das Leben auf’s Spiel setzen …“

„Das weiß ich, Herr Inspector,“ versetzte Wilhelm, „und es freut mich, daß ich die That gefunden habe, durch welche ich sie verdienen kann!“ –

Die Aufgabe, welche dem Inspector zugefallen, war von diesem über Erwarten glücklich gelöst. So zagend und so kleinlaut er die ersten Worte, welche Mensing ihm angegeben, auch fallen lassen, als er mit dem Grafen Boucheporn die Besichtigung des kleinen Lustschlosses zu Schönfeld vorgenommen, so leicht war es ihm geworden, seine Rolle weiter zu spielen. Graf Boucheporn nämlich war mit einer solchen lebhaften Theilnahme und bereitwilligen Gläubigkeit auf das, was ihm Steitz mittheilte, eingegangen, daß dieser nicht zu sorgen brauchte, von ihm durchschaut zu werden – und bereit zu Allem zeigte sich der Graf.

„Ja, ja, Sie haben Recht, Inspector,“ rief er aus, Steitz am Knopfe seines Rockes fassend, „wenn es so ist, so senden Sie das Mädchen weg; es ist das Beste, das Einzige, was Sie thun können; einen königlichen Fourgon dazu sollen Sie haben und ein Laissez-Passer auch – jeden Augenblick können Sie es bekommen …“

„Ich bin gerührt von Ihrer Güte, Herr Graf,“ versetzte der Inspector. „Ihr Rath bestimmt vollends meinen Entschluß! Wenn es nur ganz in der Stille, ohne Aufsehen und Gerede, geschehen könnte! Es müßte Alles dabei gemieden werden, was meine Tochter in den Mund der Leute brächte …“

„Natürlich!“

„Darum,“ fuhr Steitz fort, „müßte die Abreise Nachts geschehen, auch schon deshalb, damit La Croix sie nicht bemerkt!“

„Nachts, gewiß,“ fiel Boucheporn ein, „ich will das dem Stallmeister selbst sagen und schon begreiflich machen!“

„Aber, Herr Graf versprechen mir …“

„Schweigen? Discretion? verlassen Sie sich darauf, lieber Steitz!“

„Sie sind so gnädig für mich, Herr Graf,“ sagte der Inspector, „daß ich wagen möchte, noch Eines hinzuzufügen.“

„Und was ist das? sprechen Sie doch frei heraus, Steitz.“

„Ich wäre der Verschwiegenheit des Stallknechtes, der den Wagen führt, nicht sicher; nur Einer ist unter dem Stallpersonal, welchem ich ganz vertrauen könnte, es ist der Sohn einer Wittwe, einer mir wohlbekannten Frau, er heißt Wilhelm Momberg …“

„Und Sie wünschen, daß dieser Wilhelm Momberg die Ordre bekommt …“

„Es wäre mir außerordentlich erwünscht, wenn er den Fourgon fahren würde … wenn es zu machen wäre, würde es Ihrer Gnade die Krone aufsetzen!“

„Weshalb sollte es nicht zu machen sein? Ich sage Ihnen, ich werde selbst mit dem Stallmeister reden.“

„Und auch ihn um Discretion bitten, Herr Graf?“

„Das versteht sich, verlassen Sie sich auf mich,“ fiel der eifrige Franzose lebhaft ein, „werfen Sie deshalb Ihre übermäßigen Sorgen von sich, ich sehe, Sie sind in gewaltiger Aufregung, alter Herr, die Schweißtropfen stehen Ihnen auf der Stirn, kommen Sie, damit wir sehen, was in den übrigen Zimmern dieses Schlosses zu thun ist, und dann können Sie heimkehren, um Ihrer Tochter zu sagen, daß sie sich reisefertig machen darf.“

Der Graf schritt weiter, Steitz folgte ihm, sich mit seinem Taschentuche die Stirn wischend. Es war dem alten Mann bei den Lügen, die er vorgebracht hatte, entsetzlich heiß geworden.

„Das also ist vortrefflich gelungen!“ sagte Mensing, als ihm der Inspector am Abend den Ausgang berichtete, „Sie haben jetzt nur noch mit Brethauer und Mann zu reden, Steitz!“

„Es soll morgen geschehen,“ antwortete Steitz, dessen Zuversicht und Muth sich wunderbar gehoben hatten nach diesem ersten Erfolge.

Aber freilich, es war mit diesem Gelingen des ersten vorbereitenden Schrittes noch gar wenig erreicht, und Mensing trat am andern Morgen ziemlich sorgenbedrückt in die Bureaux der Adjutantur im Schlosse. Dort erbat er sich einen Urlaub für den Rest des Tages. Er benutzte ihn zu einem Ritt in die Gegend jenseits der Fulda, wo eine herrschaftliche Domaine, ein Meierhof lag, auf welchem seine Mutter als Pächterin wohnte. Er mußte

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1868). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1868, Seite 33. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1868)_033.jpg&oldid=- (Version vom 2.10.2021)