Seite:Die Gartenlaube (1867) 796.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Enden des um den Hals geschlungenen Bands auf den Rücken hinabflattern zu lassen. Die Franzosen bezeichneten bekanntlich diese Wimpel der heirathssüchtigen Canalnachbarinnen mit dem Namen „Suivez-moi, jeune homme“, doch das that der Verbreitung ebensowenig Eintrag, wie vor einigen Jahren der „letzte Versuch“ den runden Strohhüten Abbruch verursachte.

Daß auch die Farbe Modesache ist, bedarf nicht des Beweises, es genügt zu erinnern, daß selbst die Farbe des Trauergewandes, der Sargbekleidung bei verschiedenen Völkern und sogar bei dem nämlichen wechselt. Im Allgemeinen ist bei den gebildeten Völkern der Farbensinn erloschen, besonders in der Kleidung der Männer wird jede volle Farbe verachtet und nur die schmutzige gefällt. In Bezug auf den Anzug der Frauen schien Aehnliches Platz zu greifen, aus den Collectionen der Fabrikanten verschwanden mehr und mehr das Jugend athmende Rosa, das leuchtende Himmelblau, die sogenannten unbestimmten Farben bildeten den Hauptartikel für den Absatz. Da trat durch die schöne Erfindung Nicholson’s und Perkins’ mit einem Male vollkommener Umschlag ein. Die Anilinfarbe erweckte die Lust am Farbenschmucke, Rosa, Himmelblau, Violett fanden wieder lebhaften Anklang. Das Roth der „brennenden Liebe“ brach sich Bahn für Ober- und Untergewänder, ja, es erstreckte sich in Paris sogar bis auf die Haare. Jeder Tag bringt eine neue prächtige Nüance und ihrer Einbürgerung schadet nicht die Gewißheit geringer Dauerhaftigkeit: schmeckt die Pfirsich weniger, weil man in einer Minute sie verzehrt hat?

Besonders Violett errang großen und dauernden Beifall, wenn auch die Aesthetiker es zu den beunruhigenden Farben zählen; zunächst verdankt es die Gunst dem Umstande, daß es die Farbe der napoleonischen Blume ist, sodann – und das ist durchschlagend – weil es zu den kleidsamsten gehört und deshalb von Madame Eugenie bevorzugt wird. Nicht ohne Einfluß auf die Wahl bleiben Ereignisse, mögen sie nun tiefere oder nur oberflächliche Bedeutung haben. Es ist noch nicht allzulange her, daß in gewissen Ländern die grauen Calabreser verboten waren, in Rußland und Polen auf Roth, Schwarz und Grün (vergossenes Blut, Trauer, Hoffnung auf Wiederherstellung Polens) gefahndet wurde, und gegenwärtig sollen die rothen Flanellhemden an der Tiber nicht gerade wohlgelitten sein.

Andererseits pflegten auf den französischen Rennbahnen die Damen der Mitglieder des Jockey-Clubs in den Farben des Grafen von Lagrange zu erscheinen, weil man dessen Pferden Sympathien bezeigen wollte. Während des italienischen Krieges von 1859 trugen die Pariserinnen am liebsten Weiß-Grün-Roth. Augenblicklich gefallen sie sich in dunkelblauen Tuchkleidern mit gelben Knöpfen, vielleicht – wie man scherzend sagte – um die Franzosen an den Anblick der preußischen Uniformen zu gewöhnen. Und daß selbst die Bezeichnung der Farbe nichts Gleichgültiges hat, ergiebt sich aus dem Eifer, mit welchem die verschiedenen „Bismarck“ und jetzt das „Vert Metternich“ aufgenommen werden. Shakespeare meint freilich, die Rose, wie sie auch hieße, würde lieblich duften, die Farbenerfinder und Färbereibesitzer sind aber anderer Ansicht und wissen, was der Name bei der großen Menge zu bedeuten hat. Und diese Erfahrung datirt nicht von heute. In einem 1819 zu Paris erschienenen „Essai sur l’Esprit de Conversation et sur quelques moyens de l’acquérir“ (Versuch über den Geist der Conversation und über einige Mittel, ihn zu erlangen) wird ausdrücklich angerathen, die Lieblingsfarben der Damen gesprächsweise zu loben, und als diese Favoriten werden genannt: „crapaud expirant“ (sterbende Kröte) und „puce évanoui“ (ohnmächtige Floh). Räthselhaft bleibt aber in den meisten Fällen der Grund für den plötzlich allgemeinen Beifall, dessen eine Farbe oder Nüance sich erfreut; jahrelang ist sie dem Publicum vorgelegt worden, ohne Beachtung zu finden (dasselbe gilt von Stoffen); mit einem Male wirft sich der Geschmack auf das lange Unbeachtete oder gar Verachtete und kauft zu erhöhten Preisen, was als „Ladenhüter“ schon werthlos erschienen war. Vermuthlich hängt viel davon ab, mit welchem Geschick die Reclame in’s Werk gesetzt wird. Denn wenn die Mode eine Göttin, so ist die Reclame, der Iris gleich, ihre Botin, die windesschnell dahinfährt,

„Wie wenn der Schnee aus Wolken daherfliegt, oder der Hagel
Kalt und geschnellt vom Stoße des hellanwehenden Nordwinds.“

Und wie Iris speciell der Here angehört, so ist die Reclame recht eigentlich im Besitze der Pariser. Sie kennen dies Geheimniß, als ob sie alle von Vater Barnum abstammten, jedes Mittel wird durch den Zweck geheiligt, jeder Weg ist ihnen recht, wenn er nur zum Ziele – des Bekanntwerdens – führt. In ihrem Dienste stehen die Zeitungen, die Hauswände, die Bretterverschläge, die Eisenbahnhöfe, Bühnenvorhänge, Kammerfrauen, Omnibusdecken, Frachtwagen. Nur auffallen! heißt die Parole sämmtlicher Regimenter, welche im Dienste der Reclame stehen. Und wenn irgendwo das Feld günstig für ihren Sieg, so ist es wiederum Paris und Frankreich, das sogar um eines Namens willen die jetzige Regierung sich gab und – erträgt.




Der Habermeister.
Ein Volksbild aus den bairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Schluß.)


„Ja, ich will!“ sagte Franzi fest und innig. „Ich will den Großvater bereden, daß er mit mir auf’s Land geht, es wird ihm gut thun; bei der alten Bas’ auf dem Oedhof will ich mich einquartieren und will warten, bis das Frühjahr da ist, und wenn Deine Lieb’ nit vergangen ist mit dem Schnee – ob Du wirklich kommst und holst mich ab als Deine Braut…“

Die erste Umarmung, die Wonne des ersten Kusses überströmte das selige Paar. Der biedere Lehrer, der in stiller beobachtender Freude bei Seite gestanden, trat herzu, von Franzi auf’s Freudigste begrüßt, und schüttelte den Freunden glückwünschend die Hand; sagen konnte er nichts, weil Rührung ihm die Stimme erstickte. Susi mit den Ordensschwestern war verschwunden; sie wollten nicht Zeugen eines Glückes sein, das ihren Bahnen so ferne lag, und wollten nicht stören, was selten so schön und wohl kaum jemals an solchem Orte erblühen mochte. Es dauerte lange, bis Alles beiderseits erzählt und durchgesprochen war; gewährte es doch einen eigenen unsäglichen Genuß, all’ das nun süß gewordene Leid der Vergangenheit noch einmal durchzuleben und gemeinsam noch einmal zu ertragen. Jede geknickte Blüthe wurde betrauert, jeder zertrümmerte Augenblick beklagt und dann der Triumphzug begonnen in das offen und schrankenlos ausgebreitete Bereich der Zukunft und im Voraus schon jede Stätte bezeichnet für ein Haus des Glücks, einen Tempel des Friedens oder eine Laube der Liebe.

Als sie schieden und Sixt mit dem Lehrer im Gasthofe angelangt war, wollte kein Schlaf in seine Augen kommen; mit vollem Herzen schritt’ er noch lange unstät und ruhelos hin und wieder und doch hatte er noch nie so selig gewacht. Er trat an’s Fenster, öffnete es und ließ einige Augenblicke den frisch kühlenden Odem der Winternacht um sein glühendes Antlitz wehen – da klangen auf allen Thürmen gewaltig und feierlich die mitternächtigen Glocken zusammen, welche die Geburt des Weltheilands verkündeten; sein Herz erglomm im Gefühle andächtigen Dankes und über den schneebedeckten Giebeln aus dem tiefblauen Nachthimmel grüßte ihn, wie damals vor der Waldcapelle, das Sternenauge der Liebe, diesmal aber schimmernd in Thränen der Freude!


Und der Frühling kam! Schöner kam er und früher als manch’ anderes Jahr; die Sonne schmelzte frühzeitig den Schnee auf den Bergen, daß die vollen Bäche freudebrausend hernieder stürmten, wie Boten, die von der Hochwacht aus den Einzug eines nahenden geliebten Fürsten gesehen und nun in die Niederungen eilen, die fröhliche Kunde hinab zu tragen in die Thäler und hinaus in das flache Gefild. Die Sträucher und Bäume am Weg hörten die lustige Botschaft zuerst und zogen ringsum die weißen und rothen Blüthenfahnen auf und begannen sich mit grünen Blattgewinden zu kränzen. Die Sänger in den Büschen

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 796. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_796.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)