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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

No. 48.

1867.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen.     Vierteljährlich 15 Ngr.     Monatshefte à 5 Ngr.


Der Habermeister.
Ein Volksbild aus den bairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Die beiden Männer eilten, so gut es in dem tiefen Schnee auf wegloser Bahn anging, dem Scheine zu, sich in Muthmaßungen erschöpfend, wo denn das Feuer ausgebrochen sein könne. Von allen Seiten kamen andere dunkle Gestalten über den Schnee heran; aus jedem Hause eilte die Bewohnerschaft herbei, dem vom Unglück betroffenen Nachbar so viel wie möglich beizuspringen; Einzelne kamen auf halbgezäumten Pferden heran, um die Nachricht des Unglücks in die entlegeneren Orte zu tragen, bis zu welchen der Feuerlärm nicht zu dringen vermochte. An den Eilenden vorüber sauste ein Gespann von vier vollständig angeschirrten Pferden, ein Reiter auf dem vordersten, der es wie im Fluge gegen das Dorf hinan jagte.

„Aha,“ sagte Einer der Männer, „der neue Gemeindevorsteher zeigt sich schon … war das nicht der Aicher, der so dahin sprengt?“

„Gewiß!“ rief der Grubhofer in dem anstrengenden Schneelauf etwas inne haltend. „Der hat von seinem Hof aus das Feuer gesehen und hat gleich wieder den Nagel auf den Kopf getroffen! Er reit’t in’s Dorf hinein, um die Feuerspritzen zu holen, und weil’s sonst allemal schier eine Stund’ her’gangen ist, bis man gewußt hat, an wem der Umgang ist zum Vorspannen, und bis richtig eingeschirrt gewesen ist, hat er gleich seine eigenen Ross’ mitgebracht!“

„Ich hab’ mir’s gleich von Anfang gedacht,“ sagte der Finkenzeller, während sie wieder vorwärts eilten, „es muß das Feuer in irgend einer Waldhütten oder sonst einem einschichtigen Haus sein, denn es liegt keine Ortschaft in der Richtung und so hoch, daß man den Brand so sehen könnt’, und Ihr werdet auf meine Red’ kommen, es ist nirgends anders als auf dem kleinen Einödgütl, das über der Mangfallhöh’ liegt, in dem Winkel vor’m Rantinger Forst …“

„Das wär’ ja dasselbe, das einmal dem Nußbichler gehört hat, dem Haderlumper!“ erwiderte ein Anderer. „Die Richtung könnt’s wohl sein, aber das täuscht gar sehr bei der Nacht – das Gütl ist ja leer, es wohnt kein Mensch darin, weil’s nächstens wieder versteigert werden soll … wie soll denn da ein Feuer auskommen?“

Eben bogen die Eilenden um die letzte Waldspitze vor, welche ihnen den Anblick verwehrt hatte, und standen auf die Entfernung von ein paar Schußweiten dem brennenden Gebäude gegenüber.

„Der Finkenzeller hat Recht behalten,“ sagte der Grubhofer, „es ist wirklich das Nußbichler-Gütl! Wie kann denn da ein Feuer aus’kommen sein? Das müssen rein fremde Schelmenleut’ angezünd’t haben …“

„Oder es hat’s gar der narrete Nußbichler in seiner Desperation selber gethan!“ rief der Finkenzeller. „Wenn’s wahr ist, daß er aus dem Gefängniß ausgesprungen ist, könnt’s nit unmöglich sein!“

Sie nahten bereits der Brandstelle; das Gütchen lag freundlich auf einer Wiesenblöße, welche nach drei Seiten vom Walde umschlossen, nach der vierten hin sich gegen den scharfen Thaleinschnitt senkte, in welchem die Mangfall zwischen schroffem Gestein und engen Steilen dahin braust. Die Flammen hatten bereits das ganze Haus und alle Nebengebäude ergriffen und stiegen in hohen Säulen und mächtigen Bündeln in den dunkeln Nachthimmel empor, bald sinkend, bald mächtiger ausschlagend, je nachdem ein neu ergriffener Balken oder ein vergessener Rest von Futter oder Streu neue Nahrung darbot; prasselnd und Funken streuend, daß die Sterne davor wie auslöschend erbleichten, die ganze Gegend mit unheimlicher Röthe übergießend, welche rings die schwarzen schneebedeckten Tannen erkennen ließ und die einzelnen nackten Buchenstämme unter ihnen, wie eine Schaar von dunklen Wächtern, welche das Gehöft, das sie so lange vertraulich gehütet, in starrem Entsetzen untergehen sahen! Dazu waltete tiefes feierliches Schweigen über der ganzen Umgebung; man vernahm kein Rufen oder Jammern derjenigen, deren Hab’ und Gut zu Grunde ging und welche in der Einsamkeit vergeblich um Hülfe riefen – die das Geschrei und den Lärmen der Rettung bringen sollten, eilten erst von allen Seiten heran – einsam, feierlich, wie eine riesige Opferflamme verrichtete das entfesselte Element sein furchtbares Amt.

„Da wird nimmer viel zu löschen und zu retten sein!“ rief der Finkenzeller, indem er mit seinen Gefährten vor dem brennenden Gebäude ankam. „Das alte Gebälk brennt wie ein Bündel Spähne! Gut, daß nicht viel drin sein wird, als ein Gerümpel von ein paar alten Tischen und Stühlen, um das kein Schade ist! Von Holz und Stein ist auch nichts mehr zu gebrauchen, und da das Haus so allein liegt und das Feuer nicht weiter kommen kann, ist’s wohl das Beste, man läßt den ganzen Plunder ruhig in sich zusammenbrennen …“

Einer der Männer hatte sich dem Gebäude etwas genähert, so weit es bei dem Herabfallen des Feuers vom Dache und dem drohenden Einsturze des glühenden Gebälkes möglich war; zu gleicher Zeit kam Sixt mit seinem Viergespann angejagt, hinter sich mächtige

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 753. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_753.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)