Seite:Die Gartenlaube (1867) 747.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Kinderzahnen: Elektromotorisches Zahnhalsband für Kinder der Gebrüder Gehrig in Berlin, welches das Zahnen erleichtern soll, ist ein doppelter Sammetstreifen, in welchem sich der Länge nach zwei übereinander liegende, mit Schwefel imprägnirte Leinwandstreifen befinden. Das Stück kostet 10 Sgr. und sein reeller Werth ist höchstens 2 Sgr. – Zahnperlen (patentirte) für Kinder, von Gehrig und Grunzig in Berlin; eine Schnur mit 36 Perlen aus vulcanisirter Gutta-Percha; 15 Sgr. kostend und nur 3 Sgr. werth. – Zahnperlen von Ramçois in Paris (August Leonhardi in Freiburg), sind nichts als beinerne Kügelchen, kosten einen Thaler und sind nur einige Silbergroschen werth. – Sirup de dentition von Delabarre in Paris, zur Erleichterung des Zahndurchbruchs täglich einige Male auf das Zahnfleisch gestrichen, ist nichts weiter als Safransirup, kostet 3½ Frank und ist schon mit 6 Kreuzern bezahlt. –


Zahnkitt: Zahnkitt von Sorgel in Paris, zum Ausfüllen hohler Zähne, ist basisches Zinkchlorid. – Ein anderes Zahnamalgam zum Ausfüllen besteht aus Quecksilber (69 Theile) und Kupfer (31 Theile).


Die Homöopathie hat gegen Mund- und Zahnleiden eine Unzahl von Arzneistoffen in Nichts-Form aufzuweisen, denn sie führt z. B. bei Zahnschmerzen ganz andere Heilmittel in’s Feld, wenn der Schmerz in den Schneidezähnen sitzt, andere bei dem Schmerz in den Augen- oder Backzähnen, andere, wenn der Schmerz auf der rechten oder linken Seite, oben oder unten wüthet, wenn er nur Nachts, nur am Tage, Morgens, Vormittags, Mittags, Nachmittags gegen Abend, Abends, im Frühjahr, Sommer, Herbst oder Winter auftritt; wenn er sich verschlimmert: Abends, Nachts, durch Wärme, durch Kälte, durch Essen, durch Trinken, durch Sitzen und Liegen, durch Geistesarbeiten, Tabakrauchen, Stochern, Berühren, Saugen an den Zähnen; wenn er sich bessert: durch kalte Luft, kaltes Trinken, Wärme, warmes Trinken und Essen, Kauen, Drücken, Stochern, Liegen, Gehen, Ruhe, Aufsitzen im Bette, Warmwerden im Bette, Tabakrauchen, in der Stube, beim Zähneputzen, durch Schlaf. Im homöopathischen Hausarzte von Constantin Hering sind nicht mehr als 222 (schreibe zweihundertzweiundzwanzig) verschiedene Zustände bei Zahnleiden aufgeführt, von denen ein jeder durch andere (und zwar bis zu zwanzig) Mittel zu heben ist. – Dr. Müller führt dagegen in seinem Haus- und Familienarzte uns dreiundfünfzig solcher Fälle auf, wo aber bei dem einzelnen, ganz bestimmten Falle auch bis zu dreizehn verschiedene Mittel verordnet werden können.

Nun, Leser! wie gefällt dir Das? Da sind mir denn doch die vom dummen Volke erdachten

sympathetischen Curen

noch weit weniger lächerlich, als dieser von angeblich wissenschaftlich gebildeten Männern veröffentlichte Unsinn. – Die wirksamsten von den sympathetischen Curen gegen Zahnschmerz sind folgende: 1) Man nehme einen alten Zahn aus einem Todtenkopfe, reibe den schmerzhaften Zahn damit und stecke den alten Zahn nun wieder in seine gehörige Stelle. – 2) Man spuke auf die untere Seite eines Kieselsteins, den man am Wege findet, und lege ihn nachher wieder an seine alte Stelle. – 3) Man hänge sich einen Menschenzahn an den Hals. – 4) Man spreche leise zu dem Kranken: „Der Herr Jesus warne die Zahnwüthigen; darinnen waren Würmer, drei weiße, drei schwarze, drei rothe; er nahm die andern zwei und schlug sie damit todt. Das sag’ ich dir zur Buße. †††. – 5) Man kann den Zahnschmerz auch abschreiben, wenn man einen Hufnagel nimmt, an eine Stelle geht, wo sich drei Wege kreuzen, und zwischen die Wege auf die Erde die Zeichen schreibt: „Rex, Pax, Max, ppo in Folio;“ darauf schlägt man den Nagel in eine Thür. – 6) Nimm den Zahn eines Todtenkopfes und eine Bohne; bohre ein Löchlein in die Bohne, in dieses stecke eine lebendige Laus, verwahre das Löchlein wohl mit Wachs und trage den Zahn sammt der Bohne, in ein Tüchlein gemacht, am Halse. – 7) Man nehme von dem Moos, das im Beinhause an den Todtenköpfen wächst, und binde es an die Backe. – 8) Man gehe Nachts zwölf Uhr auf den Kirchhof und beiße in ein Todtenbein. – 9) Man jage eine Katze so lange über geackerte Felder, aber immer quer über, bis sie zwischen den Beinen schwitzt; mit dem Schweiße bestreiche man den kranken Zahn und der Schmerz ist für immer vorbei.

Daß sympathetische Curen, und zumal die aufgeführten, das Zahnweh sicherer heilen als die homöopathischen Nichtse, steht fest. Am sichersten wird dieses Weh aber gehoben, wenn der Kranke sofort zum Zahnarzte geht und sich den schadhaften Zahn, wenn es nöthig ist, entweder ausziehen oder reinigen und plombiren läßt. Sodann hat er aber seinen noch gesunden Zähnen die richtige Pflege angedeihen zu lassen, damit sie nicht hohl werden.

Bock.




Auf den Gräbern von Sadowa.


„Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern.“ – „Nicht Pommernland, nicht Schwabenland“ etc., sondern „sein Vaterland muß größer sein.“ Nicht irgend ein Theil, sondern das ganze Vaterland! Wir haben’s seit einem halben Jahrhundert uns oft genug gelobt und gesungen und dabei nach dem Siegesjubel aus den massenhaften Gräbern von Leipzig und Waterloo statt der gehofften Einheit und Freiheit unheimliche Gespenster aufsteigen und Fleisch und Blut, Criminalbeamte werden sehen, welche die schwarz-roth-goldenen Jünglinge des Einheits-Enthusiasmus bei Nacht und Nebel aus ihren Betten zerren, in elende Kerker verschließen und Jahre lang als Verbrecher schmachten ließen, weil sie es mit den Errungenschaften der gefallenen Helden der Freiheitskriege und den darauf begründeten Verheißungen der Fürsten ehrlich und ernstlich nahmen. Und so mußten wir ein halbes Jahrhundert später die Kinder und Enkel dieser Märtyrer und der massenhaft ausgestreuten Einheitssaaten wieder in den Krieg ziehen und tausendweise fallen und begraben oder als elende Krüppel zurückkommen sehen, um der deutschen Einheit eine neue Geburtsstätte zu erobern. Und nun sind doch wohl wirklich diese Gräber zwischen den Hügeln Böhmens zur Wiege dieser Einheit geworden? Wir wollen sehen, wir hoffen es, wir arbeiten dafür.

Auf den nur oberflächlich bedeckten Gräbern der Gefallenen soll sich des Nachts zuweilen ein unheimliches, geisterhaftes Licht von entzündeten Verwesungsgasen gezeigt haben. Das war eine leichenhafte Verklärung und Auferstehung, vorwurfsvoll für die Ueberlebenden, aber darin bekundete sich wenigstens das Bestreben der Natur, die Gifte der Verwesung durch läuterndes Feuer zu vertilgen und wieder in wohlthätige Kräfte aufzulösen. Die neue deutsche Einheitspolitik, welche aus diesen Gräbern auferstand, flackert auch noch vielfach in diesem unheimlichen Lichte und wird einen ähnlichen Proceß durchzumachen haben, um die in ihr entzündeten Verwesungsgase in wohlthuende und befruchtende Genien des neuen Geistes umzuwandeln.

Um dieses neuen Lebens und Strebens willen, für welches wir nun schon so lange gearbeitet, gelitten und die theuersten Opfer gebracht haben, sind diese Gräber für die ganze deutsche Nation ein Heiligthum geworden. Tausende der Ueberlebenden und Hinterlassenen der Sieger und Besiegten wandeln und trauern noch oft im Geiste oder wirklich zwischen denselben. Ganze Schaaren unseres Volkes und von Ausländern sind über diese Schlachtfelder gezogen, um an Ort und Stelle zu sehen, wie die mörderischen Kämpfe sich entwickelten und entschieden wurden. Dankbarkeit, Patriotismus und Hoffnung haben diese Gräber geschmückt und Denkmäler auf ihnen errichtet – eherne und massive Ausrufungszeichen für die Pflichten, welche die Gefallenen uns vererbt und deren Erfüllung die Geister unserer historischen Entwickelung zur heiligsten Aufgabe des deutschen Volkes erhoben haben. Die Oesterreicher und Sachsen gingen den Preußen in dieser monumentalen Dankbarkeit voran und weiheten ihre Denkmäler am Jahrestage der Schlacht von Königgrätz mit sehr glänzender und wohl zu heiterer Volksfestlichkeit ein, während sich die Preußen darauf beschränkten, erst viel später – im October – ihr Königgrätz-Denkmal in sehr einfacher und fast nur kirchlicher Weise zu enthüllen und zu weihen, wobei die eingeladenen österreichischen Officiere ungeachtet aller ihnen gebotenen Versöhnlichkeit nur wenig Miene machten, dem Geiste deutscher Einheit und Brüderlichkeit zu huldigen.

Ich will aus eigener Anschauung die wesentlichen Züge der österreichischen und sächsischen Feierlichkeiten für die Leser der Gartenlaube und für zukünftige Geschlechter hier aufzeichnen und ihnen mit Hülfe von Zeichner und Holzschneider einige dieser Denkmäler vor die Augen stellen.

In der drückendsten Hitze verließ ich am 2. Juli Nachmittags

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 747. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_747.jpg&oldid=- (Version vom 21.3.2017)