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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

fehlt das rechte schlagende Zusammenwirken und Ineinandergreifen. Aber auch unter den jetzigen Verhältnissen werde ich Ihnen zeigen, wie sehr ich mich für einen solchen Mann und eine solche Familie interessire … ich denke Ihnen bald den Stammbaum des verlassenen Kindes auf dem Oedhofe vorlegen und auch zu der Bekanntschaft des neuen Habermeisters verhelfen zu können, unter welchem das liebenswürdige Institut einen so schönen neuen Aufschwung nimmt … Vielleicht bin ich schon über acht Tagen bei der neuen Vorsteherwahl in der Lage, darüber recht anziehende Einzelheiten mittheilen zu können …“

Während der letzten Worte hatte er den Wagen bestiegen und sich bequem darin zurecht gesetzt; dann nickte er noch herablassend, griff leicht an die Mütze und winkte dem Kutscher, abzufahren. Bald war er die Kreuzung dahin geflogen und im Walde verschwunden, aber noch immer standen die Bauern unbeweglich da, sahen einander verblüfft an und vergaßen darüber sogar die Hüte wieder aufzusetzen, so frostig es ihnen um die Köpfe blies. Erst allmählich besannen sie sich und gingen bedächtig in die Zechstube zurück.

Eine Weile noch stand Sixt allein, wie betäubt von einem Donnerschlage, der auf sein Haupt niedergerollt, vergessend, was er im Sinne gehabt und was ihn hergeführt. „Er hat’s sich vorgenommen,“ murmelte er knirschend, „er will mich zu Grund’ richten, und ich seh’s kommen, daß er nicht ruht, bis er es erreicht hat! … Sieh da, Herr Lehrer,“ fuhr er, wie zu sich selber kommend, auf, als sich derselbe theilnehmend näherte, „Sie kommen mir gerade recht … Sie haben mir oft gesagt, daß Sie etwas auf mich halten …“

Der Lehrer ergriff seine Hand und schüttelte sie. „Ich sollte meinen,“ sagte er, „das brauchte ich Ihnen nicht erst zu beweisen; aber ich bin bereit dazu, wenn der Rath eines alten Baumzüchters Ihnen von Nutzen sein kann. Was haben Sie nöthig – ein Mittel gegen Raupen, welche die schöne Blätterkrone abfressen und die Blätterkeime dazu, oder gegen den Wurm, der sich durch Rinde, Bast und Holz einbohrt bis in das Mark?“

„Beides, Beides!“ rief Sixt, „rathen Sie mir, wie ich das Mittel finde, und ich gebe Ihnen mein Wort darauf, der Baum und seine Frucht sollen Ihnen Freude machen; kommen Sie mit mir, wir gehen den Wald hindurch bis zur Mühle, dort wartet mein Fuhrwerk auf mich! So schnell, als manche Leute meinen, wollen wir uns jedenfalls nicht verloren geben …“

(Fortsetzung folgt.)




Ein Admiral der künftigen deutschen Flotte.


Der erste October 1867 wird unvergeßlich sein in den Annalen der preußischen Marine, aber auch unvergeßlich in den Jahrbüchern der deutschen Geschichte. Der Tag, an welchem Preußen, als der erste deutsche Staat, seine eigene Flagge streicht mit den an Siegen und Ehren reichen Farben, um dafür die Flagge des norddeutschen Bundes auf Befehl und in Gegenwart ihres Oberbefehlshabers, des Prinzen Adalbert, feierlichst aufzuhissen – er ist der Geburtstag der deutschen Flotte geworden, einer Flotte, die sicher nicht wieder unter dem Hammer eines „Fischer“ verschwinden wird. Mit dieser neuen Flagge ist gewonnen, was der deutsche Handel so lange vergeblich erstrebt hat, Unabhängigkeit und Schutz. Denn nicht mehr wird er jetzt kümmerlich leben müssen von der demüthigenden Protection anderer Seemächte, im stolzen Bewußtsein endlich errungener kraftvoller Selbstständigkeit an sämmtlichen Plätzen des großen Weltverkehrs wird er vielmehr der Concurrenz aller Nationen getrost begegnen können.

Die Umwandlung der preußischen in eine norddeutsche, hoffentlich bald schlechtweg deutsche Flotte kann natürlich auf alle Verhältnisse derselben und speciell ihre Leitung nicht ohne ebenfalls umgestaltenden Einfluß bleiben. Bisher war das Marinewesen nur einem besondern Departement des Kriegsministeriums, nunmehr wird es der Verwaltung eines eigenen Ministeriums unterstellt werden und die Ernennung eines Bundesmarineministers dürfte schon in der nächsten Zeit bevorstehen. Bestimmt auftretende Gerüchte nennen bekanntlich den preußischen Contreadmiral Jachmann als den zu dieser neuen Würde Ersehenen. „Was für ein Mann ist dieser Jachmann?“ fragt nun das deutsche Volk und es freut mich, daß ich ihm darauf antworten kann: Jachmann ist ein Mann, den die Regierung hoch schätzt, da sie seine seemännische Tüchtigkeit geprüft und erkannt hat. Nach dieser Erkenntniß wird sie ihn verwenden und wir können dieser Verwendung mit vollkommenstem Vertrauen entgegensehen. Jachmann ist ein Mann „mit Genie und Ellenbogen“ wie das Sprüchwort sagt, ein Mann, dessen Fähigkeiten stets in solchen glücklichen Momenten zu Tage traten, wo die Zeit ihrer am dringendsten bedurfte. Und so avancirte er von Stufe zu Stufe bis zum Admiral, eventuell zum Minister. Aber er ist ein Mann, der sich entschieden dagegen sträubt „besungen“ zu werden, weil er nach seiner Behauptung noch nichts Erhebliches geleistet. Dies sein Sträuben wird ihm freilich nichts helfen, er gehört nun einmal der Oeffentlichkeit an, und die Presse bringt’s doch an den Tag. So will ich denn getrost berichten, was ich von ihm weiß und was er mir selbst gesagt hat.

Der Admiral wurde in einem Städtchen Westpreußens etwa in den Jahren 1818 oder 1819 geboren und von seinem Vater, einem höheren Gerichtsbeamten, für eine gelehrte Carrière bestimmt. Demgemäß besuchte Jachmann das Gymnasium und wurde von seinen Eltern eifrig zum Studium angehalten. Allein die trockene Wissenschaft sagte dem lebendigen Geiste des jungen Mannes wenig zu; er sehnte sich schon früh nach dem Kampf mit dem Leben auf den wilden Wogen des unbegrenzten freien Weltmeeres. Nur der Widerstand seiner Eltern fesselte ihn an die Schulbank, und wenn er aus Achtung und Gehorsam vor diesen sich fügte, so waren es nur die praktischen Wissenschaften der Mathematik und Naturlehre, welche ihm einigermaßen Ersatz für den Zwang boten. Indeß mit jeder weitern Classe, welche Jachmann absolvirte, wuchs seine Lust zum Seeleben und, die oberen Classen des Gymnasiums erreicht, vermochte er nicht mehr zu widerstehen. Seine Eltern erkannten die Vergeblichkeit ferneren Widerstrebens, und so ging Jachmann in der zweiten Hälfte der dreißiger Jahre zur See. Dem Vaterlande war ein Admiral gegeben.

Jachmann machte seine Laufbahn, wie man sagt, von der Pike auf, das heißt, er war gewöhnlicher Schiffsjunge und leistete alle diejenigen schweren Dienste, welche jedem andern Schiffsjungen aufgetragen werden. Und wer von diesen Diensten einen Begriff hat, der weiß, was das sagen will. Damals dachte noch kein Mensch daran, daß die Entstehung einer preußischen Flotte in den Grenzen der Möglichkeit liege; es gab also noch keine Cadetten, und auf den Schiffen war jeder Standesunterschied aufgehoben. Ob der eine Schiffsjunge Secundaner und Sohn eines Präsidenten, der andere der gänzlich unwissende Sohn eines Hausknechtes, das war dem Capitän und der Schiffsmannschaft vollkommen gleichgültig, sie waren eben Beide Schiffsjungen, nichts weiter, thaten als solche ihre schwere Arbeit und machten ihre Zeit in dieser Stellung durch. Mühsam avancirte Jachmann zum Leichtmatrosen und war stolz, als er nach Ablauf mehrerer Jahre voll harter Arbeit zur Würde eines Vollmatrosen emporstieg. Denn ein Vollmatrose ist ein ganzer Mann, der für den Capitän einen hohen Werth hat, der aber auch im vollen Bewußtsein seines Werthes nach Erfüllung seiner harten Pflicht die Achtung seiner Rechte begehrt. Als Vollmatrose fuhr Jachmann mehrere Jahre zur See und eignete sich in vollkommenster Weise die Praxis dieser Charge an. Indeß fühlte er den Drang zur Fortbildung in sich; zu Anfang der vierziger Jahre begab er sich auf die Danziger Navigationsschule, machte den Cursus zum Steuermannsexamen durch und bestand die Prüfung zur vollkommenen Zufriedenheit. Auch hier folgte der Theorie die Praxis und Jachmann fuhr wiederum mehrere Jahre zur See in der hochwichtigen Stellung als Steuermann, um sich hier diejenige Kaltblütigkeit anzueignen, welche den Seemann und vorzugsweise den Steuermann selbst bei plötzlich hereinbrechenden Gefahren keinen Augenblick verlassen darf.

Nach einigen Jahren begab sich Jachmann wiederum zur Navigationsschule, um sich zum Capitänsexamen vorzubereiten. Es war im Jahr 1849; die preußische Regierung war zu dem Entschluß gekommen, eine Kriegsflotille zum Schutz der Küsten zu begründen. In Verlegenheit um Seeofficiere stellte sie eine prüfende Wahl unter den jungen Seeleuten an, welche sich zur Vorbereitung

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 710. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_710.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)