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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Wein nicht verderben, durchaus nicht lange in den Bütten mit den Trauben zusammenstehen, weil sonst vorzeitige Gährung eintritt. Einladend sieht der junge Most nicht aus, aber wir wissen ja, daß derselbe, bis er auf unsere Tafel kommt, verschiedene Gährungs- und Klärungsprocesse durchmacht, daß er erst „federweiß“ – ein kitzelndes Lieblingsgetränk des Rheinländers – wird und dann erst seine goldhelle oder dunkelrothe Farbe erhält.

Unser freundlicher Gastgeber hat in der Eile Vorbereitungen zu einem kleinen Feuerwerk getroffen, das, während wir den Heimweg antreten, in den Weinbergen abgebrannt wird. Vom rechten Rheinufer herüber ertönen Flintenschüsse, das Zeichen, daß das Lesegeschäft für heute beendet ist. Die Wingerte bleiben die Nacht über, vom Wingertschütz bewacht, geschlossen. Auf der linken Rheinseite wird zur Oeffnung der Wingerte, Morgens sieben Uhr, und zum Schluß, Abends etwa sechs Uhr, das Zeichen mit den Kirchenglocken gegeben. Schüsse und Glockenschläge mischen sich mit den Jauchzern der heimkehrenden Winzer, das Echo dieses Lebens und Treibens hallt in den Bergen wieder, über uns steigen Raketen auf und bengalisches Feuer erleuchtet unsern Heimweg. Es dürfte vielleicht mancher befangenen Seele wie eine Profanation erscheinen, daß man die Kirchenglocken zu diesem weltlichen Geschäfte verwendet, indeß, wie schon Simrock sagt, läuten ja die Glocken des Rheines – „Wein“! Deshalb das Sprüchwort: „Wo am Rhein die Glocken den besten Ton haben, wächst auch der beste Wein!“

Häufig schließt das Lesefest ein gemeinschaftlicher Tanz der Winzer und Winzerinnen im Wirthshaus des Dorfes oder Städtchens. Aufzüge, wie die sogenannten „Herbstmuck“, in welchen Bacchus, auf einem Mostwagen sitzend und von Bacchantinnen umgeben, dargestellt wurde, sind seit einigen Jahren nicht mehr üblich. Wir aber genießen, im Städtchen angelangt, in der traulichen Behausung unseres neuen Freundes, des Weinbergbesitzers, ein Glas aus dem „Mutterfaß“, worauf nach rheinischem Ausdruck die „schwarze Katz’“ sitzt, und – bedauern bei der Erinnerung an diese Bacchusgabe den freundlichen Leser, weil unsere Schilderung der Weinlese am Mittelrhein ihm trockner erscheinen wird, als uns die Probe jener ächten rheinischen „Stählchen“.

Ferd. Heyl.




Im Feldlager König Theodor’s von Abessinien.
Von M. Th. v. Heuglin.


Als wenn in der politischen Welt des Zündstoffs aller Orten und Enden nicht schon sattsam angehäuft wäre, als wenn sie nicht genug hätte mit den Explosionen, die in Deutschland, an der Tiber, im Oriente drohen, hat sie sich neuerdings auch in Afrika, im fernen Quellgebiet des Nil, im alten Aethiopien noch eine kleine brennende Frage und Verwirrung hergerichtet. Dort in dem von der Natur mit wunderbaren Reizen ausgestatteten Abessinien oder Habesch herrscht bekanntlich seit dem Jahre 1855 der Negus oder König Theodor der Zweite über ein wenigstens dem Namen und der Form nach christliches Volk. Theodor ist ein vielfach tüchtiger und ausgezeichneter Mann, an Bildung und Cultur der Mehrzahl seiner Landsleute weit überlegen, der, obschon hauptsächlich Soldat und Eroberer, sich die Civilisation seiner Unterthanen ernstlich angelegen sein läßt, aber auch ein echter morgenländischer Despot und Tyrann, welcher keinen andern Willen neben sich duldet als den seinen und in seinen Herrscherlaunen auch vor Gewaltthat und Grausamkeit nicht zurückbebt. In einem solchen Tyrannengelüste ist es gewesen, daß er, im Allgemeinen den Europäern wohlwollend entgegenkommend und ihre Bildung achtend, neuerdings mehrere englische Reisende, darunter den Consul Cameron, gefangen nehmen ließ. Bitten und Vorstellungen, Drohungen und Protestationen, welche die britische Regierung an ihn gerichtet hat, um die Freilassung der Gefangenen zu bewirken, sind bis jetzt vergeblich gewesen, und so rüstet, wie man weiß, England im Augenblick unter dem Obercommando des General Sir Robert Napier eine Kriegsexpedition nach Abessinien aus, um mit Gewalt der Waffen den Negus zur Achtung des Völkerrechts zu zwingen und für seine Willkür gebührend zu züchtigen. Bei den zu überwindenden ungeheueren Terrain-, klimatischen und sonstigen Schwierigkeiten dürfte der Erfolg des Unternehmens freilich ein problematischer sein; umsomehr aber ziehen dasselbe und der kleine afrikanische Tyrann, der es veranlaßt, unsere Blicke auf sich. Auch die Leser der Gartenlaube werden daher gern etwas Weiteres über diesen äthiopischen König erfahren und mich gewiß mit Interesse auf dem Besuche begleiten, welchen ich ihm vor einigen Jahren abzustatten Gelegenheit hatte.

Schon auf meinen früheren Reisen in Afrika hatte ich seine intimere Bekanntschaft gemacht, und sowohl ich selbst wie von mir empfohlene Freunde waren von ihm mit echt morgenländischer Gastfreundschaft aufgenommen und behandelt worden. Mein zweiter Besuch jedoch, der, von dem ich erzählen will, fand unter besonders merkwürdigen Umständen statt; ich traf nämlich den König, seiner Einladung folgend, im Lager, inmitten seiner Armee, die auf einem Feldzuge gegen die südlichen Galaländer begriffen war. Die Reise dahin und ihre Beschwerden übergehe ich, nur bemerkend, daß unser Weg zum Theil durch die erhabensten, zum Theil durch paradiesische Berg- und Alpenlandschaften ging und unter der Führung des uns von Theodor entgegengesandten Officiers Rumha ausgeführt wurde. Nachdem wir uns in der Hauptstadt des äthiopischen Reiches, Gondar, mehrere Wochen aufgehalten hatten, stießen wir, d. h. Dr. H. Steudner, unsere kleine Karawane und ich, auf dem Hochplateau des Wololandes, am Fuße der mächtigen, oft weit herab mit Firn bedeckten Bergriesen des Kolo und Dschimba auf das Gros des königlichen Heeres, das eben Befehl erhalten hatte, sich nach Süden zu dirigiren.

Langsam nur können sich die mächtigen Heersäulen weiter bewegen. Es ist ein buntes Gewirr von eigentlichen Combattanten, von Dienern, Weibern, geistlichen Herren, Trägern, Reit- und Lastthieren, Gefangenen und Viehheerden. Auf flüchtigen Gebirgspferden jagt eine Abtheilung Schoaner Cavalerie an uns vorüber, die Reiter sind in dunkelbraune Wollmäntel gehüllt, an ihrer Seite hängt ein langes Dolchmesser, über die Schulter einige Wurflanzen, der runde Schild am Sattelknopf oder am linken Arm. Das Kopfgeschirr des Pferdes ist mit glänzenden und klingenden Metallplatten gepanzert und nur die große Zehe des kühnen Mannes der Berge ruht im ringförmigen Bügel. Klirrend folgen die Maulthiere einiger höherer Officiere im flüchtigen Paß. Ein fliegender Pelzmantel bedeckt die Schultern und das weiße Unterkleid mit breitem rothem Streif, der lange, krumme Säbel steckt auf der rechten Seite im Leibgurt. Die Herren sind umgeben von zahlreicher Dienerschaft, Waffenträgern, Lanzenmännern und Musketieren, Alle in raschem Tempo mittrabend.

Ein Troß Eunuchen bricht dort Bahn durch die an einer Fuhrt sich stauenden Massen für eine der Königinnen, deren Saumthier mit Silbergeschirr und Glöckchen behangen ist. Die schlanke Figur der Reiterin ist ganz in blauen, mit Gold gestickten Sammet gehüllt, über das Gesicht legt sich ein feiner tscherkessischer Schleier.

Jetzt begegnen wir dem koptischen Bischof, Abuna Salama, der trefflich beritten ist. Er trägt einen schwarzen Turban, eben solchen mit rothem Atlas ausgeschlagenen Burnus und hält sich immer auf Distanz von dem Troß der eingeborenen geistlichen Würdenträger, die in Unzahl vertreten sind. Ihr Oberhaupt ist der Etschege, der Vorstand des Asyls in Gondar und zugleich Beichtvater des Königs. Sein theures Haupt ist mit einem weißen Turban von ganz ungeheurer Größe umgeben und überdies noch geschützt durch einen nicht weniger imposanten bunten, indischen Sonnenschirm; die weiße Schama (Ueberkleid) hat Seine Eminenz bis über die Nase heraufgezogen. Ein obligater Schweif von Gaunergesichtern in Pfaffenkleiden, die übrigens alle einen feldmäßigen Teint angenommen, hat sich dem Etschege angeschlossen, Alegas und Vorstände geistlicher Orden, Schoaner Mönche, ganz in Leder gekleidet, amharische Klosterbrüder mit schwefelgelben, schmutzigen Mützen, Alle mit Fliegenwedel aus Pferdehaaren oder einem Kuhschweif bewaffnet.

Dann kommt ein Mönch zu Fuße, ein Glöcklein läutend, mit

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 697. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_697.jpg&oldid=- (Version vom 5.3.2017)