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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

No. 44.

1867.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen.     Vierteljährlich 15 Ngr.     Monatshefte à 5 Ngr.


Der Habermeister.
Ein Volksbild aus den bairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


4.

„Schaut mir nach, ob die Läden überall im ganzen Haus gut verschlossen sind und die Thüren wohl verwahrt,“ so rief der Wirth zur Kreuzstraße, indem er in dem leeren dunklen Gastzimmer hin und wider lief und an den Läden selbst versuchte, ob die Schließhaken, an welchen sie von innen festgemacht waren, gut anlagen. „Schaut auch, ob das Feuer auf dem Heerd ganz ausgelöscht ist, und daß mir nirgends kein Licht brennt!“

Die Dienstboten gingen nach verschiedenen Seiten, den Befehl zu vollziehen, nur der Hausknecht zögerte ein wenig und machte sich mit seiner Stalllaterne zu schaffen, deren Docht durchaus nicht brennen zu wollen schien. „Aber wegen was ist denn der Herr gar so besorgt?“ fragte er. „Was fürchtet er denn? Was soll’s denn geben heut’ Nacht?“

„Was es geben soll? Stell’ Dich nit an, Dick’l, als wenn Du’s nit wissen thätst! Wenn wir auch keine Haberer sind, wir zwei, das weiß man ja doch, daß heut Nacht Haberfeld ’trieben werden soll …“

„Was ist’s nachher?“ erwiderte der Knecht phlegmatisch. „Zu uns kommen s’ nit und wenn s’ kommen, thun s’ uns nichts, wir haben ein gut’s Gewissen …“

„Alles recht und gut,“ sagte der Wirth unbehaglich, „aber der Teufel kann wissen, was den verfluchten Kerlen vielleicht nit recht ist – und wenn das auch nit ist, es wär’ mir schon genug, wenn sie vorbeizieh’n und thäten etwa einkehren bei mir! Ist mir schon einmal gescheh’n, vor drei Jahr’n, wie sie nach Holzkirchen hinein sind und haben beim Stecherbräu’ ’trieben, weil er Tollwurz zum Biersieden g’nommen hat, anstatt dem Hopfen! Da ist auf einmal die ganze Rott’ im Haus herinn’ gewesen, lauter kohlschwarze Teufelskerl’ mit Sabel und Büchsen und großmächtige’ Bärt’ als wie man den bairischen Hiesel abgemalt sieht oder den Schinderhannes! Sie sind da gewesen, wie ein Impen-Schwarm einfallt, und eine halbe Stund’ bin ich nimmer Herr gewesen im Haus … sie haben sich ein paar Fass’l Bier aus’m Keller herauf geholt, haben Kuchel und Speis’ ausg’räumt und haben keine Köchin ’braucht und kei’ Kellnerin, – in einer halben Stund’ sind s’ wieder dahin gewesen, wie der Imp’ wenn er wieder davon fliegt, oder wie’s hohe Wasser versitzt, daß man nit sagen kann, wo’s hin ’kommen ist. … Aber was wahr ist, muß man sagen, sie haben für jeden Eimer einen Gulden mehr gezahlt als er kostet, und für jedes Stück Brod haben s’ das Geld richtig hingelegt und sogar für ein paar Krüg’, die s’ zerschlagen haben in der Eil’!“

„Na also!“ meinte Dick’l. „Was wär’ nachher dabei? Das Geld ließ sich ja mitnehmen, sollt’ ich denken!“

„Das wohl, aber ich dank’ doch dafür!“ antwortete der Wirth. „Der Bräuer selbigesmal, der hat einen Vetter gehabt, der ist ein großes Thier gewesen drinnen in der Stadt, und da haben s’ durchaus heraus bringen wollen, wer denn die Haberer waren und wer dabei gewesen ist. Da haben s’ erfahren, daß sie bei mir eingekehrt sind, und mir schaudert noch die Haut, wenn ich daran denk’, wie viel Zeit ich hab’ versäumen müssen, wie oft sie mich auf’s Landgericht hineingesprengt und ausgefragt haben, die Kreuz und Quer, weil ich durchaus die Leut’ hätt’ kennen sollen, die bei mir eingekehrt waren …“

Der Knecht lachte. „Da wird ihnen wohl der Schnabel sauber geblieben sein,“ meinte er.

„Freilich, freilich – sie waren ja so vermummt und vermacht, ich glaub’, wenn mein leiblicher Vater drunter gewesen wär’, ich hätt’ ihn nicht erkannt! Ich hab’ nichts sagen können und sie haben auch sonst nichts erfragt, so viel ich weiß!“

„Und wenn sie auch Einen heraus gebracht hätten, was hätt’s ihnen geholfen? Das ist eine alte Sach’, daß kein Haberer den andern verrath’, und wer’s thät, der wär’, glaub’ ich, schon die längste Zeit mitgelaufen …“

„Drum will ich mein’ Ruh haben und will nichts wissen von Allem,“ sagte der Wirth und ergriff seinen Leuchter, weil eben die Bursche und Mägde allerseits von ihren Rundgängen zurück kamen. „Wenn’s auch sonst nichts abgeben thät, die Schererei ging doch wieder an und diesmal erst recht, denn der neue Amtmann, der Herr Baron, das ist Einer, der alle Krummen auf einmal gerad’ machen möcht’! Der thät mir’s in ein Wachs’l drucken, wenn ich in so was hinein käm’, und gerad’ jetzt muß ich ihn gut erhaltenm … Der Haselsteff, draußen am Eingang vom Wald, möcht’ eine Wirthschaft einrichten in seiner Gifthütten – wenn was heraus käm’ gegen mich, der Herr Amtmann gebet’ ihm die Concession, daß es nur so kracht, und leget’ mir das halbe Geschäft nieder mit ein’ einzigen Federstrich …“

„Ja wohl,“ sagte der Hausknecht, indem er mit pfiffigem Lächeln umhersah, ob Niemand zuhöre, „und das Mal kann’s doppelt schlimm werden … der Herr hat gewiß auch schon davon gehört …“

„Von was soll ich gehört haben?“

„Bei wem das Mal Haberfeld trieben werden soll … der Herr Amtmann soll auch d’runter sein!“

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 689. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_689.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)