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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

wenn er auf einen solchen Vorschlag eingegangen wäre. Er lehnte seine Unterschrift rund ab, und als man ihm mittheilte, man müsse doch in der Sache dem beleidigten Militär irgend eine Genugthuung geben, erklärte er ruhig: „Man möge thun, was man wolle, er habe in dieser Angelegenheit das ganze Volk hinter sich.“ Da, in der letzten Stunde, als die Erwartungen auf den Ausgang der Angelegenheit den höchsten Grad erreicht hatten, hob die Regierung die Verhandlung auf, oder vertagte die Verhandlung – wohl bis zum jüngsten Gericht.

Mühlfeld, nichts weniger als eingeschüchtert, stellte nun im Abgeordnetenhause den Antrag auf Abänderung der Gesetzesstellen, welche die Bevorrechtung des Militärstandes betreffen. Er griff dies Vorrecht, nicht wie jeder andere Staatsbürger vor dem Civilgericht erscheinen zu müssen, heftig an und schloß mit den Worten: „Die Zukunft wird es lehren, ob man in Oesterreich nur Soldat oder Geistlicher sein müsse, um irgend etwas zu gelten, oder ob jeder biedere und rechtschaffene Mann in seinem Verhältniß als Staatsbürger gleiche Berücksichtigung finden werde.“

Mühlfeld’s Augenlicht ist seit 1850 so geschwächt, daß er nur im Stande ist, sehr große Büchertitel, und selbst diese blos mit Mühe, zu lesen. Er muß sich also für alle seine Arbeiten die betreffenden Actenstücke vorlesen lassen. Dabei unterstützt ihn sein kolossales Gedächtniß in der Weise, daß er nicht nur die Facten, sondern auch alle Namen und Zahlen in der größten Ausdehnung zu behalten vermag. Keine seiner prachtvollen, hinreißenden Reden, wahre Kunstwerke in der Form, mit gewaltigem Periodenbau und rhythmisch in der Construction, ist je von ihm schriftlich entworfen oder auch nur skizzirt worden. Seine Macht liegt in seiner logischen Schärfe; er ist Dialektiker par excellence. Sein Gedächtniß ist so ungeheuer, daß er, wenn er in stundenlanger Rede seinem Gegner sofort antwortet, dies mit außerordentlicher Schlagfertigkeit thut und keinen einzigen Punkt unberücksichtigt läßt, sondern jeden derselben in gleicher Reihenfolge bespricht und widerlegt, wie sie der Vorredner anwendete.

Es ist eine Eigenthümlichkeit Mühlfeld’s als Vertheidiger, daß er nicht gern mit dem Angeklagten, seinem Clienten, verkehrt, sondern dies nur soweit thut, als es zu seiner Verständigung dringend nothwendig ist. Der Angeklagte ist ihm, wie dem tüchtigen Mediciner, ein Fall, nur ein Object, die Acten sind ihm Alles, und auf Grundlage dieser Acten versenkt er sich so in seinen Gegenstand, daß er sich durch nichts beirren läßt, sondern, auf Grundlage der Acten und auf dem Boden des Gesetzes stehend, sein Object mit aller Gewalt und Kraft seiner sieggewohnten Redegewandtheit vertheidigt. Daher ist er seit 1850, seit das öffentliche und mündliche Gerichtsverfahren in Oesterreich eingeführt ist – die Schwurgerichte wurden schon 1851 wieder beseitigt – der gesuchteste Vertheidiger in allen schweren Criminalfällen. Der Schauplatz seiner Thätigkeit als solcher erstreckt sich fast auf die ganze österreichische Monarchie; in Pesth, Wien, Prag, Lemberg, Brünn, Olmütz, Graz, Linz, Salzburg etc. hat er sein Talent in dieser Beziehung zum Heile der Angeklagten erprobt. Freilich spielt ihm sein starres Festhalten an dem einmal als recht Erkannten manchen schlimmen Streich. So vertheidigte er 1851 in Wien ein bildschönes, des Kindesmordes angeklagtes Judenmädchen. Alle Indicien für ihre Schuld, ja sogar ihr eigenes Eingeständniß lagen vor. Mühlfeld plaidirte auf Unzurechnungsfähigkeit und riß in einer seiner glänzendsten und wunderbarsten Reden die gegen die Angeklagte eingenommene Zuhörerschaft, ja selbst die Geschworenen mit sich fort, die ihr Verdict auf Schuldlosigkeit abgaben. Darauf stürzte das Mädchen vor ihm auf die Kniee, umklammerte, in Thränen schwimmend seine Füße, küßte seine Hände; kein Auge im Saale blieb trocken! – Mühlfeld leitete für Barbara Weber – so hieß das Mädchen – sofort im Saale eine Sammlung ein, ihr die Reise in die Heimath zu erleichtern. Reiche Gaben flossen, und selbst die Verehrer Mühlfeld’s erzählten in diesem Falle, sie hätten vor seiner fast dämonischen Beredsamkeit Furcht bekommen. – Ein Jahr später stand die Person von Neuem des Kindesmordes angeklagt abermals vor Gericht und gestand nach ihrer Verurtheilung, daß sie den zweiten Mord nicht begangen haben würde, wenn nicht Mühlfeld sie das erste Mal so wirksam vertheidigt hätte! –

Ein entschiedener Gegner der Todesstrafe geht er in seinen Bestrebungen zur Abschaffung derselben von dem Argument aus, daß bei keinem Menschen die Möglichkeit der Besserung ausgeschlossen werden darf, diese aber durch die Todesstrafe in unverantwortlicher Weise abgeschnitten wird.

Als Politiker ist Mühlfeld vor Allem österreichischer Patriot, Großösterreicher, Centralist und erkennt in den Ungarn und ihren Bestrebungen die Schädiger der Einheit und staatlichen Größe Oesterreichs. Deutschland gegenüber ist er jedoch Föderalist. Die Fehler der österreichischen Kriegsleitung genau kennend, machte er 1866 eine Wette, daß die Oesterreicher in der ersten Schlacht geschlagen würden. Nie hat Jemand leichteren und froheren Herzens eine verlorene Wette bezahlt, als er nach der Schlacht von Custozza. Nachdem er beim Beginn des Feldzuges den lügenhaften Siegesberichten glaubte, mit denen die Wiener getäuscht wurden, erfüllte ihn die Katastrophe von Königsgrätz mit dem tiefsten Schmerz. –

Es war mir ein Leichtes, ein Bild des Staatsmannes, des Rechtsfreundes Mühlfeld zu entwerfen, ich brauchte nur dem Gange seines thatenreichen Lebens zu folgen und das Wort des Dichters auf ihn anzuwenden, der da sagt:

„Nehmt Alles in Allem,
Es ist ein Mann!“

Viel schwerer wird es mir, meiner Feder Einhalt zu gebieten, um die Bescheidenheit meines Originals nicht zu verletzen, soll ich den Menschen Mühlfeld schildern. Kein Nothleidender hat je ungetröstet die gastliche Schwelle des Mühlfeld’schen Hauses überschritten, nie läßt er die Rechte wissen, was die Linke tausendfältig thut. Der strenge Gegner des Unrechts ist der humanste, liebenswürdigste Vertheidiger menschlicher Schwächen, der biederste Freund, der herzlichste Familienvater. Gern in heiterer Gesellschaft weilend, hat er sein gastliches Haus zu einem Versammlungsort geistreicher Menschen, einem Asyl der zahlreichen Familienglieder gemacht. Es ist ein erhebender Genuß, den Mann, vor dem der gewaltige Clerus zittert, bei kleinen Festlichkeiten Toaste sprechen zu hören, so zart, so sinnig, so duftig, wie sie nur ein tiefpoetisches Gemüth, ein warmes Herz erfinden kann.

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß Mühlfeld in ritterlichster Weise, gleich seinem Ebenbilde, dem großen Napoleon, dem schönen Geschlechte gern huldigt, daß er, gleich seinem Ebenbilde, Opernmelodien bis zur Unkenntlichkeit entstellt, eben so gern als – falsch singt! – Es sind dies Sonnenflecken!

Möge er, zum Heile seines Vaterlandes, noch lange berufen sein, in seiner segensreichen Wirksamkeit als treuer Wächter des Gesetzes demselben siegreich zur Seite zu stehen! –

Franz Wallner.




Der enthüllte Wunderschrank.


In Gutzkow’s „Zauberer von Rom“ erzählt eine Römerin einem nach Deutschland reisenden Jesuiten, wie man es anfangen müsse, um bei den Deutschen Erfolge zu erringen. Als ein Haupterforderniß stellt sie es hin, daß man den Deutschen mit Festigkeit und Sicherheit gegenübertreten müsse. An dieser Festigkeit und Sicherheit im Auftreten haben es auch die Gebrüder Davenport und Fay, jene weltbekannten Besitzer und „Zauberer“ des sogenannten Wunderschrankes, mit dem sie seit 1852 in den größten Städten Amerikas und Europas das Publicum in Staunen setzten, wahrlich nicht fehlen lassen. Als sie vor drei Jahren zuerst in England den Boden Europas betraten, feierte die Geisterklopferei eben noch ihre Haupttriumphe. Geschickt benutzten die Gebrüder Davenport diesen Wahn und wußten ihre Taschenspielerkunststücke dem Publicum als „Geistermanifestationen“ darzustellen. Dasselbe gelang ihnen Anfangs auch in Paris, wenn auch nicht so allgemein, wie bei den gläubigen Spiritualisten unter der vornehmen Gesellschaft Englands, bis ein anderer Taschenspieler, Robin, dem Publicum bewies, daß die ganze Sache nur Humbug sei und daß sich ein von Andern Gebundener auch ohne Geisterhülfe von seinen Banden befreien könne. Jetzt schlug die Stimmung des Publicums um; die Empörung über den „Geisterschwindel“ wurde so groß, daß man vergaß, die Productionen der Davenports wenigstens als klug

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