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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

sagte er dann, „das können wir im Weiterfahren am Besten bereden…“

„Ah, das ist ein Wort, das ich mir gefallen laß’!“ rief der Lumpensammler und war im nächsten Moment wie eine Katze über den zurückgelegten Kasten auf den Wagensitz geklettert, auf dem er sich behaglich niederließ. „Da kann sich’s Unsereiner doch auch einmal commod’ machen!“

„Aber was denkst Du?“ begann Waldhauser. „… Wenn ich wirklich das im Sinn hätte, was Du meinst, wie würdest Du es anstellen, ihr zu vergelten, was sie mir … was sie Dir gethan hat?“

„Nichts leichter als das,“ flüsterte Alisi. „Eine rechte Schand’ muß ihr angethan werden, die sie hinunter zieht, als wenn man ihr einen Mühlstein an den Hals gehängt hätt’ … etwas, daß sie ruinirt ist auf ihre Lebtag, und kein Hund mehr ein Stück’l Brod von ihr nimmt… Es muß ihr geh’n, wie’s mir gegangen ist, durch’s Haberfeld muß sie ’trieben werden, wie ich … daß kein Mensch sie mehr anders anschaut, als über die Achsel, wie mich … daß man ihr Fußtritt’ geben darf, wie mir…“

„Freilich, freilich,“ erwiderte Waldhauser rasch und mit dem Ausdruck unverhehlter tückischer Freude. … „Das wäre die beste Rache… Kerl, Du bist klüger, als ich Dich geglaubt habe… Freilich, das würde sie am Empfindlichsten treffen – der Schein der Unbescholtenheit geht ihr ja in ihrem Stolze über Alles… Aber Du thust mir doch Unrecht, wenn Du mich nach Deinem Maße missest! Ich denke nicht an Rache – das wäre unchristlich, denn man muß ja seinen Feinden verzeihen … aber um ihres eigenen Heiles, um ihrer Besserung willen, könnte ihr eine kleine Lehre gar nicht schaden, wenn ihr die Maske vom Gesicht gerissen werden könnte, das würde sie vielleicht zwingen, in sich zu gehen und ihre Hoffahrt abzulegen. … Aber was Du sagst, lieber Freund, ist schwer zu machen, das Haberfeld kommt nicht so leicht, und verlangt Beweis…“

„Oho!“ rief Alisi, „davon könnt’ Mancher ein Lied singen … aber, wenn es weiter nichts fehlt, den Beweis, den schaff’ ich…“

„Du?“ entgegnete Waldhauser mit gieriger Hast. „Du könntest … Höre, Kerl, wenn Du das zu Stande bringst, dann – dann sollst du das Geld haben und Dein Güt’l wieder kaufen…“

„Hab’ ich’s nicht gesagt, wir werden handelseins? Die Hand darauf und eingeschlagen – es gilt!“

„Aber was weißt Du? Wär’ es wirklich wahr, was die Leute sagen?“

„… Wahr! In der Galli-Nacht hab’ ich sie selbst gesehen, keine zwei Büchsenschuß weit vom Oedhof – mit dem Kind, das sie gelegt hat, im Arm … ich hatt’ darauf schwören können, daß sie’s gewesen ist…“

„Also weißt Du es nicht gewiß? Was soll es dann nützen.“

„Ich bin gestürzt, darüber ist sie mir entwischt – aber ich war doch feiner als sie. Wenn es die Franzi ist, hab ich mir gedacht, kann sie jetzt nicht in ihrem Dienst sein, wenn ich ein Stück Lunge d’ran setz’, komm’ ich auf jeden Fall eher hin als sie – und wenn sie nicht daheim ist, dann ist sie’s gewesen, die ich mit dem Kind gesehen hab’… Ich bin durch die Nacht über Stock und Stein dahin geschossen wie ein Fuchs … aber es hätt’ die Eil’ nit nöthig gehabt: die Franzi war nit im Wirthshaus und ist auch die ganze Nacht nit heim ’kommen – der Wirth hat gesagt, sie sei in aller Früh fort, auf die Eisenbahn und nach München hinein, weil sie sich um einen Platz umschauen wollt’… Ja, um einen Platz hat sie sich auch umgeschaut – aber für ihr Kind, das sie bei ihren Helfershelfern versteckt gehabt hat… Und d’rum sag ich, die Franzi ist’s gewesen, und dafür leg’ ich die Hand in’s Feuer!“

„Ja, ja, es ist klar – ganz klar! Es greift Alles ganz natürlich ineinander!“ murmelte Waldhauser mit boshaftem Behagen. „Das wird mehr als genug sein, sie zu demüthigen und zu strafen. … Aber, warum hast Du das nicht schon lange gesagt?“

„Weil ich die rechte Zeit hab’ abwarten wollen,“ erwiderte der Nußbichler, „sie ist jetzt um desto sicherer und ich hab’ ihr aufgelauert, wie eine Spinn’ im Netz, die ihre Fäden nach allen Ecken hin ansetzt … es ist kein Tag vergangen und keine Nacht, wo ich nit um die Kreuzstraßen herumg’strichen bin, wie ein Jäger in seinem Revier… Und wenn ich hätt’ reden wollen, was hätt’s genutzt? Einem Lumpen – einem schlechten Kerl, wie ich einer bin, hätt’ man doch nicht geglaubt … sie hätten gesagt, ich wär’ ihr aufsässig wegen dem Fußtritt und wollt’ ihr was anthun, oder ich sei ein Narr oder hätt’ wieder einmal zu tief in’s Glas geschaut… Nein, Herr Waldhauser, wenn da ’was eine Kraft haben und ausgeben soll, da muß ein ganz Anderer das Maul aufmachen und vor den Riß stehen!“

„Recht, recht!“ rief Waldhauser eifrig. „Es ist Alles ganz vortrefflich, wie Du es ausgedacht hast. … Du bist ein durchtriebener Bursch! Aber was hilft das Reden und die ganze Vorbereitung? Es heißt ja, das Haberfeld soll schon in den nächsten Tagen getrieben werden. … Wie soll man das machen, daß es auch zu ihr kommt? Wie und wo soll man auch die Haberer finden?“

„Da kann ich auch wieder aus der Noth helfen,“ sagte der Nußbichler pfiffig, „das wird Alles gar geheim gehalten und verschwiegen, – aber auf einen halb verruckten Menschen, wie mich, da wird nicht Acht gegeben; da red’t Mancher von der Leber weg, als wenn ein Hund auf der Bank läg’ oder unterm Tisch, der nichts weiter sagen kann … nun, wenn ich doch schon sein soll wie ein Hund, hab’ ich wenigstens das Gute davon, daß ich allerhand inne werd’, was kein anderer Mensch erfahrt. … Lassen S’ einmal mich fahren, Herr Waldhauser, da geht gerad’ ein Seitenstraßel in’s Holz; sorgen S’ Ihnen nit, ich kenn’ jeden Baum im Wald. Ich weiß, wo man die Haberer zu finden hat und wie man’s macht, daß man zu ihnen kommt … Folgen S’ mir nur …“

Ohne die Zustimmung abzuwarten, nahm er Waldhauser die Zügel aus der Hand und lenkte das Fuhrwerk quer durch den Graben in ein sogenanntes G’ramb’, eine gerade durch den Forst gezogene Lichtung, aus der alles Holz abgeräumt war und wo der Wagen auf dem moosigen Waldboden beinahe geräuschlos dahin rollte. Auch die Beiden sprachen nichts mehr, es war eine unheimliche Fahrt zwischen den eng heranrückenden Tannen dahin, von denen manchmal eine sich weiter vorneigte, als sei sie neugierig, die nächtlichen Wanderer näher zu beschauen und zu erkennen; der nur schmale Mond war hinter Wolken versteckt, und der Himmel zog sich nur wie ein schwarzgrauer sternloser Streifen über der finsteren Waldgasse hin – nichts war zu hören, als manchmal aus weiter Ferne das Bellen eines Hundes in einem Bauernhause, oder das Schlagen der Kirchenuhr aus einem weit hinter dem Walde eingeschlafenen Dörfchen, oder manchmal das Krachen oder Brechen im Gebüsch und Gestäng, wenn ein aufgescheuchtes Wild vor den Nahenden die Flucht ergriff.

Endlich mündete die Lichtung in eine große rasenbedeckte Waldblöße aus, zu welcher auch von anderen Seiten hellere festgetretene Pfade heranführten und bei dem Kirchlein zusammenliefen, dessen verwittertes farbloses Gemäuer nur durch seine mattere Färbung sich von dem schwarzen Waldgrunde abhob und dadurch sichtbar wurde. In einiger Entfernung davon hielt der Nußbichler an und lenkte das Gespann in eine niedrige, nach allen Seiten offene Bretterhütte. … „Das ist die Schenk’, die sich der Wirth gebaut hat, auf Maria-Namen, da ist große Wallfahrt zu der Capellen … der Tag tragt ihm, wenn es noch ein bissel gutes Herbstwetter ist, allein so viel, daß er den Winter über feiern könnt’ … es geht gar sehr andächtig zu und das viele Beten macht die Lippen und die Gurgel sperr (trocken). … Seh’n Sie, dort ist das Kirchel … ich bin in der Näh’, wenn Sie mich brauchen. …“

Sie flüsterten noch einige Zeit; dann schritt Waldhauser der Kirche zu; die Thür war verschlossen, aber von innen heraus erklang es wie das Murmeln gedämpfter Stimmen und an den hohen Spitzbogen der Fenster hinan spielte ein matter Lichtschein, als brenne drinnen die ewige Ampel.

In der Kirche war es beinahe vollständig dunkel; ein schwacher, vom Altare her kommender Schimmer reichte eben nur aus, um zu erkennen, wie an den verwitterten Wänden, von denen der Kalkbewurf abgefallen, der Schimmel sich angesetzt hatte und das grüne Moos daran emporstieg, das auf den zerbröckelnden und feuchten Ziegelplatten des losen Pflasters wuchernd dahin kroch. Die Halbsäulen und Gurten der Wände waren nur durch die schwarzen Schlagschatten hinter ihnen in etwas erkennbar und

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