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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Zu den deutsch-französischen Jahrbüchern, zu denen wir vergeblich französische Beiträge suchten, da jeder erklärte, wir wären nicht von seiner Partei, gab Heine ein paar Gedichte her gegen König Ludwig von Baiern. Diese versalzten uns gleich anfangs den ganzen Kram. Nicht nur, daß sie dem gekrönten Dichter arg mitspielten, an der bairisch-französischen Grenze wurde auch vornehmlich um ihretwillen der größte Theil der Auflage weggenommen. Preßfreiheit hatten wir wohl in dem damaligen Paris, aber es fehlte an der Vertriebsfreiheit, die Heine’s Satiren nun vollends unmöglich gemacht hatten.

Ueber seine Dichtungsart hatte ich verschiedene interessante Unterredungen mit ihm, und er gab zu, daß er die politische Satire besser in Schwung setzen sollte, da er es besser könnte, als die übrigen „sogenannten“ politischen Dichter. Er gab auch wirklich bald darauf sein „Deutschland, ein Wintermärchen“, heraus, mit dem er ein verdientes Glück machte. Ich war natürlich sehr davon erbaut.

„Wollen Sie es kritisiren, da Sie doch damit zufrieden sind? Gut, dann will ich Ihnen einen Abdruck verehren,“ sagte er.

Ich nahm es mit Dank an, hatte aber so viel Gefallen an dem Gedicht, daß ich das Geschenk nicht erwarten konnte, sondern mir das Buch gleich aus der Buchhandlung holte und auch sogleich eine äußerst günstige Kritik niederschrieb, – sie ist in meinen gesammelten Schriften abgedruckt.

Als ich den Brief mit der Recension eben fertig hatte und absenden wollte, trat Heine herein, legte das Buch auf den Tisch und wiederholte seinen Wunsch.

„Ei, so lang’ hab’ ich nicht warten können und gute Bücher muß man sich kaufen. Sehen Sie her! Hier ist es und hier ist die Kritik!“ erwiderte ich.

„Wollen Sie sie mir anvertrauen? Ich schreibe gerade an Campe.“

Der Brief war schon versiegelt; er drehte ihn hin und her. Als ich sagte: „O, Sie können das Siegel erbrechen und Alles lesen,“ freute er sich und schlug vor, wir wollten zusammen auf den Boulevard gehen und ein Glas Eis zusammen essen.

Wir wanderten höchst vergnügt und offenbar gründlich versöhnt mit einander diese civilisirte Straße der alten Hauptstadt des Continents entlang, und Heine rief höchst befriedigt aus: „Es ist doch was werth, daß wir hier so zu sagen zu Hause sind und auf dieser Hauptader der Geschichte zusammen umhergehen können!“

So wußte er einen günstigen Augenblick zu schätzen und festzuhalten. Ich fand einen höchst gemüthlichen Gesellschafter an ihm und blieb fortdauernd mit ihm in dem besten Vernehmen.

Dies zeigt auch folgender höchst merkwürdiger Vorfall.

Freunde von Jacoby aus Königsberg waren bei uns zum Besuch. Sie brachten ‚Das Königliche Wort Friedrich Wilhelm des Dritten‘ mit, das Jacoby, trotz Macchiavelli’s Recept, immer noch erfüllt haben wollte und das ich glücklicher als die französisch-deutschen Jahrbücher wieder über die Grenze in seine Heimath zurückbeförderte. Als wir lebhaft mit der Zukunft des störrischen Vaterlandes beschäftigt waren, wurde uns plötzlich Heine angemeldet. Ich meinte, er käme uns gerade recht, und ließ ihn bitten, hereinzukommen. Er blieb aber in meinem Arbeitszimmer und ließ sagen, er habe dringend mit mir allein zu sprechen.

Ich war auf eine solche Geschäftsmiene von seiner Seite gar nicht gefaßt und wurde neugierig, was er mit mir vorhabe.

Kaum hatten wir uns begrüßt, so rief er mir zu: „Sie müssen mir secundiren, ich will mich mit Armand Marrast schlagen.“

Ich erwiderte, das Secundiren schlüge gar nicht in mein Fach, und das Duelliren, dächte ich, sei ein Aberglaube, dem er entwachsen wäre.

„Das verstehen Sie nicht. Ich muß mich schlagen. Sie kennen Paris nicht. Sehen Sie her, was der National da von mir sagt.“

Der National hatte einen kurzen Paragraphen, worin es ungefähr so hieß: „Heine habe ein Gedicht ‚Deutschland, ein Wintermärchen‘, publicirt, der freien Partei könne Heine aber nicht dienen, er, der Lamennais einen prêtre abominable genannt habe.“

„Nun,“ fragte ich ganz verwundert, „und darüber wollen Sie sich schlagen? wenn Lamennais auch nicht gerade abominable ist, so ist es doch wahr genug, daß er ein prêtre ist; und wie kann Marrast über den Nutzen Ihrer Satiren für unsere Partei urtheilen? Es hat ihm irgend Jemand etwas weis gemacht.“

„Das ist es ja eben, diese verfluchten Juden!“ fuhr Heine heraus.

„Also ein Familienzwist?“ fragte ich.

„Ich bin kein Jude und bin nie einer gewesen,“ sagte Heine pikirt. Ich weiß nicht mehr, in welcher Generation sein Geschlecht schon getauft worden war, auch sah er wirklich nicht jüdisch aus, wie sich jeder durch seine Photographien überzeugen kann. Daß er mich aber ganz ernsthaft, auf’s Kamin gestützt, wie ich ihn noch vor mir sehe, überreden wollte, er sei kein Jude, machte einen komischen Eindruck auf mich. Strauß, der Freund Börne’s, hatte mich gründlich über diesen Punkt aufgeklärt. Die Börnianer waren aber auch an dem Artikel im National schuld, und das war es, was Heine daran ärgerte. Er kam immer wieder auf das Duell zurück und daß ich ihm secundiren müsse.

„Wenn Sie Sich durchaus durch ein Duell blamiren wollen, so müssen wir irgend einen polnischen General zum Secundanten auftreiben. Für mich schickt sich die Metzelei nicht, auch stehe ich mich mit Marrast so freundschaftlich, daß ich ihm unmöglich als kriegführende Partei entgegentreten kann. Wenn Sie aber meine Vermittlung und den Versuch, ihn aufzuklären, annehmen wollen, so, glaube ich, ließe sich die Sache wohl ausgleichen.“

„Es ist wahr, Marrast ist nur irre geführt; wollen Sie das thun? Da bin ich Ihnen sehr verbunden.“

Er ging in dieser Stimmung weg und wollte die Königsberger, zu denen ich ihn nun nochmals einlud, nicht sehen. Sogar meine Versicherung, daß hübsche Mädchen mit dabei wären, half nichts. Als ich zu Marrast kam, war dieser sehr ärgerlich und fuhr heraus, an die dreißig Frankfurter Juden hätten ihn überlaufen und nicht eher geruht, als bis sie ihn bewogen, den Paragraphen in den National zu setzen. Ob denn die Geschichte mit Lamennais nicht wahr und ob Heine nicht ein mauvais sujet wäre?

„Nichtsdestoweniger,“ erwiderte ich, „hat er sich jetzt mit ganz vortrefflichen Satiren gegen das deutsche Unwesen nützlich gemacht. Ich selbst habe sie gelobt und warm empfohlen.“

„Gut,“ sagte Marrast, „wir wollen also sagen, daß er ein gutes Gedicht gemacht habe, mit dem die Opposition vollkommen zufrieden sei, was er auch sonst gesündigt haben möge.“

So ungefähr fiel die Berichtigung aus, mit der dann Heine ganz zufrieden gestellt war. Und wirklich waren die Börnianer zu weit gegangen, indem sie es versuchten, das Wintermärchen für ein schlechtes Gedicht auszugeben. Heine hatte sich Freunde unter den Franzosen gemacht. Denn seine witzige Behandlung politischer und religiöser Gegenstände sagte ihnen zu. Einmal sagte ein Franzose zu ihm: „Je comprends le rationalisme, mais je ne comprends pas l’athéisme.“ (Mit dem Rationalismus kann ich mich befreunden, aber den Atheismus begreife ich nicht.)

„Il est facile à comprende,“ erwiderte Heine, „l’athéisme est le dernier mot du théisme.“ (Er ist leicht zu verstehen; der Atheismus ist das letzte Wort des Theismus.) Das „letzte Wort“ hat einen Anklang von „letztem Willen“.

Solche klare und doch zweideutige Wendungen sind eine Feinheit, die man bei Heine häufig findet.

Arnold Ruge.




Der Hellenen-Stein. Jedenfalls ist es immer erfreulich, auf die Fortschritte und Errungenschaften unserer einheimischen Industrie zu blicken, doch ganz besonders dort, wo es sich um ihre großartigsten Leistungen handelt. So hat die Nachahmung des natürlichen Marmors durch ein künstliches Fabrikat schon nahezu den höchsten Gipfel der Vollkommenheit erreicht. Freilich ist dies Streben auch bereits außerordentlich alt, denn schon im römischen Alterthume wurden bekanntlich prächtige Stuccatur-Arbeiten aus künstlichem Marmor hergestellt. Jetzt hat der Techniker Thiel in Kassel vor etwa zwei Jahren eine Masse erfunden und immer mehr vervollkommnet, in welcher er die vorzüglichsten und seltensten Marmorarten Griechenlands ganz täuschend nachzuahmen vermag. Dieser „Hellenen-Stein“ wird in großen Blöcken für Baugegenstände, Gesimse etc., oder in Platten für Waschtische etc., sowie schließlich in Mosaiken aus den verschiedensten Farbenschattirungen hergestellt. Das abgebrannte Schloß zu Braunschweig und ebenso die neue Sängerhalle zu Hamburg sollen demnächst mit künstlerischen Arbeiten aus diesem künstlichen Marmor ausgeschmückt werden.

K. R.




Zum Dombrand in Frankfurt a. M. Was wir in Nr. 41 unsers Blattes nur als Wunsch hinstellen konnten, die Wiederherstellung des alten Kaiserdoms in Frankfurt a. M. das ist jetzt bereits beschlossene Thatsache. Die Glocken des Domes werden wieder hinaus schallen in das reiche Maingelände, denn bereits hat sich in Frankfurt a. M. ein Dombau-Verein gebildet, um unter Mithülfe seiner Mitbürger, deren Gemeinsinn und Patriotismus sicher nicht kargen werden mit ihren Spenden, das schöne Bauwerk und zumal den allen Frankfurtern so lieben Pfarrthurm von Neuem würdig aus der Asche erstehen zu lassen.




Kleiner Briefkasten.


L. B. in F.… t. Daß die Novelle von E. MarlittDas Geheimniß der alten Mamsell“ auch bei Ihnen und bei allen Ihren Bekannten zu einer Art von Tagesereigniß geworden ist, wundert uns nicht; die Erzählung hat eben überall wahrhaften Enthusiasmus erregt. In einer Separatausgabe erscheint die Novelle für dieses Jahr nicht; dagegen ist sie durch Ankauf des zweiten und dritten Quartals der diesjährigen Gartenlaube zu dem Preise von Einem Thaler complet noch zu haben.




Für die Hinterlassenen der verschütteten Lugauer

gingen wieder ein: L. D. in Fürth 10 Thlr.; vom dicken Pausch und Consorten 1 Thlr.; T. und W. in Freiburg 10 fl. rh.; N. N. aus Posen 2 Thlr. 10 Ngr.; Sammlung der Casseler Tagespost: 110 Thlr. 12 Ngr.; Capitain M. in Jena 5 Thlr.; G. v. G. in Linz 2 fl. österr.; A. G. in Berlin 1 Thlr.; Sammlung des Heidelberger Journals 16 Thlr. 27 Ngr.; B. B. in Murom (Rußland) 5 Rubel; Sammlung in der Tertia des Gymnasiums in Cöthen 7 Thlr. 10 Ngr., in der Quinta 4 Thlr. 20 Ngr.; ein armer Lehrer in Berlin 1 Thlr.; gesammelt beim Salzunger Vogelschießen in der Schwerdt’schen Restauration 2 Thlr.; H. H. in Posen 5 Thlr. 20 Ngr.; Sammlung der höheren und mittleren Töchterschule in Spandau 21 Thlr.; T. R. in Schwerin 2 Thlr.; Bürgerverein Namenlos in Berlin 10 Thlr.; Gewerbeverein der Stadt Schweinfurt 10 fl. rh.; Sammlung in Eisfeld, durch Bürgermeister Schmidt 13 Thlr.; Hempel in Posen 3 Thlr.; Sammlung durch G. B–r in Amsterdam, zweite Sendung 34 Thlr.; aus Wien: Jeder nach seiner Kraft 10 fl. öster.

Die Redaction.




Inhalt: Der Habermeister. Ein Volksbild aus den bairischen Bergen. Von Herman Schmid. (Fortsetzung.) – Bilder aus dem Londoner Verkehrsleben. Nr. 5. Das Unterrocks-Gäßchen. Mit Abbildung. – Zum October-Jubiläum auf der Wartburg. Dem 18. October 1817 gewidmet. Von Albert Traeger. – Eine gräfliche Büßerin. Von H. Künzel. Mit Portrait. – Aus den Gärten und von den Bergen. 1. Bei der Mosterei in Schwaben. Mit Abbildung.– Feuerversicherung für die Frauenwelt. Von Gustav Merz. – Blätter und Blüthen. Erinnerungen an Heinrich Heine. Von Arnold Ruge. – Der Hellenen-Stein. – Zum Dombrand in Frankfurt a. M. – Kleiner Briefkasten. – Quittung für Lugau.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 672. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_672.jpg&oldid=- (Version vom 22.2.2017)