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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

No. 40.

1867.
Die Gartenlaube.
Illustrirtes Familienblatt. – Herausgeber Ernst Keil.


Wöchentlich 1 1/2 bis 2 Bogen.     Vierteljährlich 15 Ngr.     Monatshefte à 5 Ngr.


Nicht zu übersehen!


Um dem großen Interesse Rechnung zu tragen, welches die begonnene Erzählung von Herman Schmid „Der Habermeister“ allseitig erregt, gehen wir von dem Principe der Gartenlaube, jedes neue Quartal auch mit einer neuen Novelle zu eröffnen, für diesmal ab und bemerken für die neuhinzutretenden Abonnenten, daß ihnen die Nummern, welche den Anfang der erwähnten Erzählung enthalten, zu dem billigen Preise von 4 Ngr. durch jede Buchhandlung nachgeliefert werden.

Redaction und Verlagshandlung der Gartenlaube.




Der Habermeister.
Ein Volksbild aus den bairischen Bergen.
Von Herman Schmid.
(Fortsetzung.)


Der Amtmann brauste auf. „Ich muß?“ rief er. „Wer will sich erdreisten, mir Vorschriften zu geben?“

„Aber, Herr Amtmann …“

„Herr Amtmann und immer Herr Amtmann!“ fuhr der Beamte auf, der die ruhige Fassung immer mehr zu verlieren schien. „Ich bin der Baron von Lanzfelt … dem Aicher von Aich würde keine Perle aus der Krone fallen, wenn er den schuldigen Respect nicht aus den Augen setzen und mir den Titel geben würde, der mir gebührt!“

„Ich wüßt’ nit, daß ich’s je am schuldigen Respect hätt’ fehlen lassen,“ erwiderte Sixt und fuhr sich, wie um sich seiner Besonnenheit zu vergewissern, über Stirn und Kraushaar. „Ich nehm’ Ihnen auch von Ihren Titeln nichts, gestrenger Herr, aber nichts für ungut, mit dem Herrn Baron von Lanzfelt, mit dem hab’ ich nichts zu thun, sondern nur mit dem Herrn Bezirksamtmann, mit dem darf ich reden, weil er mich selber hieher hat rufen lassen, und deswegen dring’ ich darauf, daß die Waldbegehung noch vorgenommen oder, wenn’s dazu schon zu spät sein sollt’, ein anderer Tag gleich jetzt festgesetzt wird! Ich kann gar nit begreifen …“

„Und ich begreife nicht,“ sagte der Amtmann mit einem Lächeln, welches zeigte, daß er nun den Weg gefunden zu haben glaubte, den stolzen Bauer empfindlich seine Ueberlegenheit fühlen zu lassen … „ich begreife nicht, wie Sie überhaupt dazu kommen, hier das Wort zu nehmen.“

„Ich bin ein Angehöriger der Gemeinde Osterbrunn … der Aichhof ist eines der größten Güter in der Gemeinde – ich bin also Einer von denen, die bei der ganzen Sache am meisten betheiligt sind!“

„Das ist hier sehr gleichgültig,“ sagte der Baron mit immer boshafterem Lächeln, „die Größe des Grundbesitzes ist es nicht, worauf es hier ankommt … die Mitglieder der Gemeindeverwaltung und die Bevollmächtigten allein sind hieher berufen worden. Gehören Sie zu diesen?“

„… Nein …“ stieß der Aichbauer mühsam hervor, indem er mit der einen Hand sich wieder durch das Haar fuhr, mit der andern wie tastend um sich griff, als suche und bedürfe er etwas, sich daran zu stützen. „Ich hab’ gemeint, ich hätte doch auch ein Recht …“

„Gemeint!“ entgegnete der Amtmann höhnisch. „Gemeint! Wenn sich nur nicht mit dem Meinen abgeben wollte, wer nicht dazu berufen ist! Wenn es darauf ankäme, hätte der dort auch ein Recht, hier zu sein, denn nach seiner Meinung ist er noch immer Herr seines längst verkauften Anwesens.“ Er deutete dabei nach dem Waldrande, wo der Nußbichler im Schatten einer Haselstaude auf seinem Lumpensack lag und seinen Rausch vollends ausschlief.

„Was?“ rief Sixt knirschend und wollte mit geballten Händen vorstürzen. „Sie vergleichen mich mit einem solchen …“ Er konnte nicht vollenden, denn die Osterbrunner Nachbarn hatten augenblicklich einen Ring um ihn gebildet und drängten ihn seitwärts, einem Ausbruche vorzubeugen, der unter allen Umständen nur zum Nachtheile des allgemein beliebten Mannes ausfallen konnte. Der Grubhofer blieb mit Einigen bei dem Amtmann zurück.

„Es wird am End’ so weit nit gefehlt sein,“ sagte der Alte, „wenn der Aicher auch noch nicht bei der Gemeindeverwaltung ist! Es muß ja ohnedem in der nächsten Zeit die neue Wahl sein – und daß kein Anderer Vorsteher wird als er, das ist so viel als wie gedruckt!“

„So?“ fragte der Amtmann, ohne die Gruppe der Anderen einen Moment aus den Augen zu verlieren. „Ist das schon so gewiß? … Nun, das Amt wird seine Pflicht thun und untersuchen, ob er die nöthigen gesetzlichen Eigenschaften zu diesem Posten

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 625. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_625.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)