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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Seine Collegin Fanny Elsler hatte sich zur Jungfrau entwickelt, – schneller als sie wuchs ihr Ruhm, und noch schneller als ihr Ruhm die Zahl der zweibeinigen Schimmel und Füchse, die an ihrem Triumphwagen zogen. Der Buckel des armen Luzzi wuchs auch, und schneller als sein Buckel wuchs seine Noth, denn er hatte nichts gelernt, als Sprünge und Lazzi machen, und mit dem Springen wollte es nicht mehr recht gehen und mit dem Lazzimachen auch nicht, denn um zu springen, war er zu schwerfällig und um Lazzi zu machen, zu hungrig geworden, wenn auch noch irgend Jemand an seinen Schnacken Gefallen gefunden hätte. Vom Arbeiten konnte schon gar keine Rede sein, denn erstens fehlten ihm die Lust und die Liebe und zweitens der Muth und die Kraft zur Arbeit.

Jahre vergingen. Auf Fanny Elsler regnete es Edelsteine, Gold, Kränze und Blumen in aller Herren Ländern, auf ihren Collegen Andreas Luzzi regnete es auch in der Heimath – bittere Tropfen von Thränenweiden, die der blasse Gärtner Elend zu tränken hat. Nach langer Abwesenheit kehrte Fanny Elsler in ihre Vaterstadt zurück, denn es war dem Director des Kärnthnerthor-Theaters gelungen, sie für einen kurzen Gastrollencyclus zu gewinnen. Jung und Alt drängten sich in’s Theater, um der weltberühmten Künstlerin seine Huldigung darzubringen. Das war ein Lärmen und ein Trommeln in dem überfüllten Hause, denn trommeln können die guten Oesterreicher im Theater, wenn sie auch auf dem Schlachtfelde nicht zu rechter Zeit zu trommeln verstehen. Alles schrie, klatschte, tobte, trommelte, nur da oben auf der letzten Galerie saß ein kleines, buckeliges, armselig gekleidetes Männchen, das nicht einstimmte in den allgemeinen tollen Jubel, es saß ganz mäuschenstill und ernst vor sich hinbrütend da, ja man wollte sogar bemerken, daß hin und wieder eine Thräne über seine blassen eingefallenen Wangen rollte. Wie konnte nur der kleine, garstige Kobold weinen, wenn Fanny Elsler tanzt!

Sonntags pflegte Fanny Elsler die Augustinerkirche zu besuchen, denn sie war gar fromm geblieben, wenn sie auch eine Tänzerin war, und vergaß nie dem lieben Gott zu danken für das große Glück, das er ihr auf ihrer Künstlerlaufbahn beschieden. Das närrische Volk stürmte ihr sogar in’s Gotteshaus nach; ei nun, es ist auch in der That, der Mühe werth, ein so reizendes Menschenkind zu sehen, das sich in einem einzigen Monat mit ihren beiden Füßchen mehr Goldstücke verdient, als Shakespeare und Schiller mit ihren beiden Köpfen im ganzen Leben erwarben. Als die gefeierte Künstlerin am Sonntage nach ihrem ersten Gastspiel aus der Kirche trat, bemerkte sie, einige Schritte entfernt von der gaffenden Menge, ein kleines, buckeliges, fast in Lumpen gehülltes Männchen, dessen Antlitz unmöglich das Glück so bleich gefärbt haben konnte.

Und dennoch bettelte das arme Männchen nicht, – ja es warf sogar recht stolz das Haupt in den Nacken, als ob der Knirps der kleine König David oder sonst eine kurze Größe gewesen wäre. Bestürzt blickte die Künstlerin auf den Kobold, – dann legte sie ihre kleine Hand auf die Stirn, als ob sie ihre Gedanken sammeln wollte, – endlich schien sich eine Erinnerung an ihre Kindheit in ihrem glänzenden Auge zu spiegeln.

Schnell näherte sie sich dem Buckligen und fragte fast schüchtern und mit unsicherer Stimme: „Um Himmelswillen, wer sind Sie, mein Herr?“

„Auch ein Künstler!“ antwortete der kleine Bucklige, stolz wie Giulio Romano sein historisches „Auch ich bin ein Maler“ sprach.

„Sie – Sie sind – Andreas Luzzi?“

„Alle – Alle haben den Namen Luzzi vergessen,“ rief dieser mit wehmüthiger Freude, „aber meine kleine Fanny nicht!“

„Sagen Sie die große Fanny, – aber auch die große Fanny hat es nicht vergessen, daß die kleine Fanny Ihre Schuldnerin geblieben ist.“

„Schuldnerin?“

„Allerdings!“ erwiderte die Tänzerin mit bezaubernder Unbefangenheit, indem sie ihre Börse in die Tasche des Buckligen gleiten ließ. „Ich bin Ihnen ja das ganze Honorar für alle Tanzlectionen, die Sie mir im Probesaal gegeben haben, schuldig geblieben, als ich noch ein kleines unbeholfenes Mädchen war. Aber lange geborgt ist nicht geschenkt. Besuchen Sie mich ja recht bald, damit wir unsere Rechnung endlich ausgleichen können. Aber hübsch artig sein und mich nicht lange warten lassen, mein lieber Herr College, – sonst suche ich Sie auf, um mit Ihnen zu schmollen und Ihnen ein recht bitterböses Gesicht zu zeigen.“

Ehe der kleine Bucklige noch ein Wörtchen erwidern konnte, saß die liebenswürdige Tänzerin schon in ihrem Wagen und fuhr, freundlich zurückgrüßend, dem Kohlmarkt zu. Andreas Luzzi griff in die Tasche, umklammerte krampfhaft die Börse und sein bleiches Gesicht färbte sich schamroth, denn jetzt erst war es ihm klar geworden, daß er ein Bettler war. Wie ein Trunkener wankte er nach Hause.

Fanny Elsler wartete vergebens auf ihren kleinen Collegen. Er war richtig so unartig, sie nicht zu besuchen. Sie mußte schon ihn aufsuchen, um mit ihm zu schmollen und ihm ein recht bitterböses Gesicht zu zeigen, wie sie versprochen. In seiner Wohnung erfuhr sie: er wäre am Sonntage nach der Kirche fieberhaft aufgeregt nach Hause gekommen, hätte seine kleinen Schulden bezahlt und sich sodann von einem Burschen in’s allgemeine Krankenhaus führen lassen.

Dort fand ihn in der That die berühmte Tänzerin. Da lag er steif und stolz und hatte nicht ein Wörtchen für sie. Aber Fanny Elsler schmollte dennoch nicht mit ihm, zeigte ihm auch kein bitterböses Gesicht, wie er es wohl verdient hätte, – denn der kleine bucklige Kobold war so unartig gewesen – zu sterben, statt sie zu besuchen.




Unsere heimischen Waldbäume. Wir haben kürzlich auf Ferdinand Stolle’s „Frühling auf dem Lande“[WS 1] als auf eine dem Sinne und Geschmacke unserer Zeit entsprechende Wiederbelebung jener poetischen Naturbetrachtung hingewiesen, welche zu den werthvollsten Eigenthümlichkeiten unseres deutschen Volks gehört. Ganz in demselben Geiste, wenn auch in einer etwas strengeren, mehr wissenschaftlich-fachmäßigen Richtung, bewegt sich ein anderes liebenswürdiges Büchlein, das unter dem Titel „Natur und Gemüth, von Karl von Hippel“ vor Kurzem (bei Alexander Duncker in Berlin) erschienen ist. Könnten wir unseren Lesern die ganze Tiefe des erquickenden Genusses schildern, den die vom frischen Dufte des Waldes und vom Säuseln und Rauschen seiner Bäume, vom sanften Wehen und Werden, Keimen und Emporblühen des Frühlings und vom Brausen und Krachen seiner Stürme und Gewitter erfüllten Schilderungen des Verfassers uns selber in stillen Stunden bereitet haben, so würde es für gleich gestimmte Seelen einer weiteren Empfehlung nicht bedürfen. Dennoch bilden die genannten allgemeinen Züge aus der wechselnden Physiognomie des Naturlebens nur gleichsam das Kleid und die Farbe des Buches, der Zweck liegt tiefer und ist in gewisser Hinsicht ein bedeutsamer. Für die Schönheit unserer heimischen Naturumgebung und namentlich für die stille Pracht und Majestät, das wunderbare Weben und Wirken unserer vaterländischen Waldbäume wollen diese neuen „Beiträge zur Aesthetik der Pflanzenwelt“ eine wärmere Aufmerksamkeit, ein lebhafteres Interesse erregen und dabei zugleich die allgemeinen Grundbegriffe des Pflanzenreichs an lebendigen Beispielen deutlich machen. „Die Erle als Uferbaum“, „Ein Auenwald unter dem ersten Gewitter“, „Die Kiefer in der norddeutschen Haide“, „Tanne und Fichte im Gebirge“, „Eine Buchenwaldung im Spätherbst“, so lauten die Ueberschriften der fünf verschiedenen Bilder, in denen der Verfasser, wie er selber sagt, „die schönsten und reichsten Stunden seines Lebens zusammengetragen hat,“ eine Fülle von ernster Forschung und schärfster Beobachtung, wie sie, verbunden mit einer solchen Frische des Schauens, Empfindens und der künstlerischen Auffassung, nur in wenigen ähnlichen Producten unserer Literatur zu finden ist.

Für Leute freilich, die nur im Getümmel des Weltmarktes ihre Befriedigung finden, hat Karl von Hippel sein anmuthiges Buch nicht geschrieben, sie werden es vielleicht langweilig nennen, während alle noch frisch und jugendlich fühlenden Menschen in ihm einen angenehmen Gesellschafter am warmen Ofen, einen freundlichen Begleiter auf einsamen Wanderungen erkennen werden. Wer sich gewöhnt, die ihn umgebende Landschaft, und wäre sie noch so dürftig, durch den Spiegel dieser Deutung und Auffassung zu betrachten, wird damit einen reichen Quell der Freude und erhebenden Belehrung gewonnen haben.




Esprit d’Ylangylang. Göttin Mode hat kürzlich die eleganten Damen der Pariser und Londoner Ganz- und Halbwelt mit einem neuen Parfüm beschenkt, welches alle bisher bekannten Duftmischungen an pikanter Feinheit durchaus übertreffen soll. Es besteht in einem Gemisch verschiedener Extraits, angehaucht mit dem ätherischen Oele aus den Blüthen des aus Manila einheimischen Traubenbaumes. Um diese Blüthen zu erlangen, wird bis jetzt von den Eingebornen jeder Traubenbaum umgehauen – und das neu aufgetauchte, in der That köstliche, hyacinthenähnlich riechende Parfüm geht daher seinem schnellen Wiederverschwinden entgegen. Da indessen das wasserhelle Oel, sowie die bittergewürzhafte Rinde und der sehr bittere Samen in Ostindien auch als Arzneimittel gegen Fieber etc. gebraucht wurden, so wäre eine vorsorgliche Erhaltung des in seiner Heimath Ylangylang genannten Traubenbaumes doch doppelt wünschenswerth. Die schönen weißen Blüthen liefern nur eine geringe Ausbeute des ätherischen Oels, welches erst vor etwa zwei Jahren zuerst in Paris in die Apotheke gelangte, und da die Nachfrage nach dem modernen Esprit schon eine sehr bedeutende ist, so hat das Kilo (zwei Pfund) des Oels bereits eine Preishöhe von eintausendsechshundert Franken erreicht.




Für die Hinterlassenen der verschütteten Lugauer


gingen ferner ein: Vom Männergesangverein Teutonia in Paris durch A. Weisflog 26 Thlr. 20 Ngr.; aus der Sparbüchse dreier Kinder in Lichtenfels 2 Thlr.; Sammlung durch Zahn in Schotten 4 Thlr. 4 Ngr.; E. S. in Bartenstein 2 Thlr.; N. N. in Paderborn 2 Thlr.; B. S. in Amsterdam 1 Thlr.; glücklich die Kinder, für die geliebte Eltern sorgen 4 Thlr.; H. G. A. 25 Thlr.; N. N. 20 Thlr.; B. 5 Ngr.; Dankwitz 1 Thlr.; Brunner 5 Ngr.; zusammen 21 Thlr. 10 Ngr. durch den Bürgermeister von Marklissa; von einer Wittwe 1 Thlr.; Müller 2 Thlr.; von dem Kegelclub in Wörlitz 3 Thlr. 15 Ngr.; P. R. 2 Thlr.; eine Abendgesellschaft im Schützenhause in Scholten 2 Thlr. 8 Ngr. 5 Pfge.; Ertrag eines Concerts der Artillerie-Capelle in Sagan 20 Thlr.; Sammlung der Bober-Zeitung in Sagan 7 Thlr. 24 Ngr.; vom Turnverein in Osthofen 30 Thlr.; Ertrag. eines Concerts aus der Geburtsstadt von E. Marlitt durch E. B. 34 Thlr.; Wittwe A. Berg 4 Thlr.; neuer Männergesangverein in Goslar 50 Thlr. 15 Ngr.; Sammlung der hessischen Morgenzeitung 89 Thlr. 21 Ngr.; Ertrag einer Seiltänzervorstellung auf der grünen Wiese der Tanzbuche, ausgeführt von einer Gesellschaft liebenswürdiger Eisenacher 12 Thlr.

Die Redaction.




Zur Nachricht!

Mit nächster Nummer schließt das dritte Quartal. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das vierte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung.




Inhalt: Der Habermeister. Ein Volksbild aus den bairischen Bergen. Von Herman Schmid. (Fortsetzung.) – Ein junger Jubilar. Mit Portrait. – Bei den „Kindern der Sonne“. Ein Bild aus der Weltausstellung von Franz Wallner. – Die Fischer-Lisel. Ein Original aus den Alpen. – Eine Impfstube auf dem Lande. Mit Illustration. – Das Geheimniß der alten Mamsell. Von E. Marlitt. (Schluß.) – Blätter und Blüthen: Zwei Zöglinge des Wiener Kinderballets. – Unsere heimischen Waldbäume. – Esprit d’Ylangylang.– Für die Hinterlassenen der verschütteten Lugauer.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 608. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_608.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)