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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Baum hinüber geht; später hat sie sich verlocken lassen und ist zum Bruder Holzhändler in die Stadt gezogen. Die Franzi hat den Aichbauern-Leuten im Grab gedankt dafür, daß sie ihr die Lieb’ gethan und sie auferzogen haben in Zucht und Arbeit, und hat den Bündel geschnürt, um sich in Dienst zu verdingen; der ältere Bruder aber, der Sixt, hat den Hof behalten und haust und wirthschaftet darauf, daß es nur eine Freude ist, es zu sehen. … Das ist eines von den Stämmchen aus meiner Baumschule, an dem ich mein ganzes Vergnügen habe, und wenn es auch ein tüchtiger Marsch ist, kann ich mir’s doch nicht versagen, sondern wandere alle paar Wochen einmal hinauf auf den Aichhof und ergötze mich daran, wie Alles auf dem ganzen Gut aussieht, als wär’s aus dem Ei geschält, und wie da Alles in einander greift und ein Sinn und Schick ist in Allem, daß man wohl sagen kann, es ist eine wirkliche Musterwirthschaft …“

„Hoho,“ lachte der Metzger, der in seiner Gereiztheit es nicht vertragen konnte, Jemand gelobt zu hören, „Sie sind freigebig mit Ihrem Lob, Herr Schullehrer – Sie streichen ihn ja heraus über den Schellenkönig!“

„Jaja,“ sagte nickend der weißbärtige Alte, „das ist auch nit anders, Herr. … Der Sixt, der junge Aichbauer, das ist Einer, wie sie nit dick gesät sind im Land; ein ganzer Bauer, wie sein Vater einer gewesen ist, und ein kernfester Mann dazu, der einen richtigen Kopf hat unterm Hut und unterm Brustfleck ein richtiges Gemüth – Alles, wer ihn nur kennt, hat ihn gern und hat Respect vor ihm – Keiner im Dorf thut was Wichtig’s, wo er nit zuerst den Sixt um die Meinung fragt, und wenn wieder die Wahl ist in der Gemeind’, wird kein Anderer Vorsteher als wie er, das ist so gewiß, als wenn er’s schon unterschrieben im Sack hätt’! Und wenn’s ihm einfallt, eine Bäurin auf den Aichhof zu führen, denn jetzt lebt er alleweil noch einschichtig und allein, da wird dem Hochzeitlader gewiß überall die Thür sperrangelweit aufgemacht, denn wenn er auch nicht trutzig dareinschauen kann, ist er doch ein so sauberer Bursch, als nur Einer zu finden ist von der Leizach bis hinüber an die Mangfall!“

„Meinetwegen laßt ihn gleich in Gold fassen,“ grollte der Metzger, „Euer Wunderthier, den Aichbauern, und das Schatzerl von einer Kellnerin dazu! Wird sich ein bischen was abhandeln lassen von der Glorie, und wird bei ihm seinen Haken haben, wie bei ihr! Ich bleib’ dabei, sie ist nicht weit her, und jetzt, nachdem ich Alles weiß, sag’ ich’s erst recht – wenn sie eine richtige Person wär’, so wäre sie auf dem Aichhof geblieben, als ein ordentlicher Dienstbot, aber wie sie die Freiheit erlitzt (ergattert) hat, ist sie halt fort – das gespür’ ich, als wenn ich dabei gewesen wär’! – da ist sie davon, weg von der Arbeit, zu dem Herumschwenzen und zu der Lustbarkeit!“

Der Lehrer hatte seine Pfeife ausgeraucht und klopfte die kaltgewordene Asche auf den Boden; er schwieg einen Augenblick, indem er wieder den dicken Meister wie prüfend und mißbilligend ansah. „Sie sind offenbar gegen das Mädchen erbittert,“ sagte er dann, „und sollten deshalb nicht so hart urtheilen, auf den ersten Anblick hin, und auf den Schein … ich weiß aus Erfahrung von meinen Bäumen her und von den Früchten, die sie tragen: Diejenigen Aepfel, die eine matte Farbe haben und eine rauhe Schale, sind meist die reichsten an Saft und Duft – in den großen glänzenden aber, in den schönen vollbackigen sitzt meistens mitten im Kerngehäuse der Wurm …“

„Damit wandte er sich und ging seinem Platze zu, das Spiel um Bohnen fortzusetzen; der Metzger erwiderte nichts und starrte, die Hände auf den Stock stützend, in die blaue Luft empor, als habe er etwas Hochwichtiges zu bedenken; auch die Andern schwiegen, Niemand wußte recht, wie er die eingetretene Pause allgemeiner Befangenheit am besten unterbrechen könne.

„Die Geschichte mit den Leuten vom Aichhof,“ sagte endlich Einer, „ist aber damit noch lange nicht aus. Der jüngere Bruder, der Waldhauser, ist ja wieder da. …“

„Hab’ auch davon gehört,“ erwiderte der Weißbart, „er soll im Sinn haben, sich irgendwo einen Hof zu kaufen, und will wieder ein Bauer werden – ich glaub’ aber kaum, daß er’s zuwege bringt. Bin neulich in die Stadt hineingefahren, weil ich was zu verhandeln gehabt hab’ wegen der Holzabfuhr auf dem Salinenforst – da ist er mir begegnet mit sammt seiner Schwester, der Susi; sie sind alle Zwei schier ganze Stadtleut’ worden und werden wohl nimmer gut thun bei uns Bauern auf dem Land! Aber grausam reich soll er ’worden sein in der kurzen Zeit, das hab’ ich erzählen hören, – er hat mit Häusern gehandelt und hat sich auf’s Geldausleihen verlegt und dabei soll Einem in der Stadt das Geld nur so zum Fenster hereinfliegen. …“

„Und wie ist’s mit der Susi? Die bleibt wohl in der Stadt?“ fragte ein junger Bauer.

„Beileibe nit,“ antwortete der Alte, „sie ist auch wieder da und sie muß wohl! Ihre Basen, ihre Mutterschwester, bei der sie schon früher gewesen war, die ist jetzt steinalt und wird’s nimmer lang machen, heißt’s; die hat nach ihr verlangt und wenn die Susi auch nit viel Freud’ hat dabei, so kann sie doch nit anders, ein solches Erbtheil läßt man nicht gern hinten und da muß man schon ein bissel was über Macht thun!“

Das Geräusch von heran rollendem Fuhrwerk unterbrach das Gespräch; der Alte hob die Hand über die Augen und sah scharf darnach hin. „Da kommt auch ’was Städtisches gefahren,“ sagte er, „das wird wohl der Herr Bezirksamtmann sein, der kommt wegen der Waldvermessung und Grenzbegehung.“

„Nein,“ sagte ein Anderer, „das ist nichts von einem gestickten Kragen – der Herr sieht eher wie geistlich aus und ein Weiberleut ist auch dabei …“

„Da haben wir’s!“ sagte der Alte wieder. „Jetzt erkenn’ ich sie: wenn man den Wolf nennt, kommt er gerennt! Das ist der Waldhauser vom Aichhof und seine Schwester, die Susi … wie kommen denn die daher?“

„Sie werden wohl mit dem Bruder, dem Sixt, zusammentreffen wollen!“ rief der Lehrer, dessen Aufmerksamkeit ebenfalls rege geworden, vom Spieltisch herüber, indeß er die Karten mischte. „Der ist ja Einer von den Größt-Begüterten und kommt sicher auch her wegen der Grenzvermarkung.“

„Das ist wahr und so wird’s auch sein,“ entgegnete der Alte, „und weil dem Herrn Staudinger doch einmal so viel daran gelegen ist, kann er die ganze Freundschaft vom Aichbauernhof gleich auf einem Fleckel beieinander sehen!“

(Fortsetzung folgt.)




Die Schule auf dem Wald.
Ein Friedenswerk aus den Befreiungskriegen.


Wie ich in jungen Jahren oft gethan, so lenkte ich auch heuer, als das schöne Pfingstfest vor der Thür stand, meine Schritte nach dem Thüringer Walde. Ich fand, wie sonst, ja, da das Jahr schon weit vorgerückt war, mehr als sonst, die Hauptzugänge, welche ich berührt, bunt und fröhlich belebt. Aber ich folgte nicht, wie sonst, dem großen Troß fröhlicher Pfingstwanderer; es zog mich nicht nach dem schönsten, duftigsten Waldthale, nicht nach dem freiesten und genußreichsten Aussichtspunkte; ich wollte und sollte dieses Mal im Thüringer Walde ein Pfingsten ganz anderer Art als sonst wohl feiern, ich wandte mich nach einem der stillsten und heimlichsten Thäler, das von dem gewöhnlichen Touristen nur selten betreten wird. Aber in dem Thale, welches ich betrat, ging es doch dieses Mal so laut und fröhlich, ja fröhlicher her, als in den andern, und ich fand ein Haus, welches vielen Hunderten schon Heimath und Herberge gewesen ist, besser als irgend eines in ganz Thüringen.

Diese traute Herberge, es ist die Schule auf dem Walde, die von Männern gegründet wurde, um Männer zu erziehen, jene Erziehungsanstalt zu Keilhau, und darum ein Name, der viele Herzen erhebt, so oft er genannt wird. Zu dieser hohen Dorfschule wandern wir, um heute das Fest ihres fünfzigjährigen Bestehens mitzufeiern.

An einem heißen Junitage des Jahres 1817 betrat nämlich dieses Thal zum ersten Male eine kleine Schaar von müden Wanderern, aber mit ganz anderen Empfindungen, als die uns heute bewegen. Voran der damals fünfunddreißigjährige, nachmals auf

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 580. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_580.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)