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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Paul Heyse.

Jalousien fingen an; auf dem Bürgersteig lagen die Marmelspieler und auf dem Fahrdamm lag die Sonne.

Lauter stille Häuser, aber eines war ein allerstillstes: gelb, zweistöckig und mit einer Mansarde auf dem Dach. Auf dem Flur, auch in heißesten Tagen, lag eine schattige Kühle, weiß gescheuerte Stufen führten in den ersten Stock und durch die offenstehende Thür, die in den altmodischen, nach hinten hinaus führenden Thorweg eingeschnitten war, sah man, über den Hof weg, in einen wenig gepflegten, aber desto behaglicheren Garten hinein. Dies stille, gelbe Mansardenhaus, einst das Wohnhaus Hitzig’s, das Nachbarhaus Chamisso’s (der hier halbe Tage lang verkehrte), in den Tagen, in denen unsere Erzählung beginnt, war es das Haus Franz Kugler’s. Wir nannten es scherzhaft den „ewigen Heerd“, weil hier in jedem guten Sinne, auch wirthschaftlich, das Feuer nie ausging. In glücklicher Vereinigung herrschten hier Feinheit der Sitte und Freiheit des Worts; eine schöne Frau, blühende Kinder gaben dem Hause Licht und Leben, und noch in diesem Augenblick leben, aller Orten in Deutschland, ihrer Viele, die Gastfreundschaft, Anregung, Rath, auch Trost in diesem Hause erfahren haben. Der Erzähler nicht am wenigsten.

Wie lebendig stehen noch die Tage des Sommers 1850 vor meiner Seele! Ein Tag besonders. Wir saßen unter dem Nußbaum im Garten, das Kaffeezeug, dazu Lampe und Kessel, standen auf dem Tisch, vor uns lag der Buchsbaumgang, in dem einst Chamisso, auf und ab schreitend, den „ausgewanderten Dichter“ des damals eben bekannt werdenden Freiligrath declamirt hatte. Sein altes Reiseherz war dabei wieder jung geworden. Das lag nun viele Jahre zurück, die große achtundvierziger Wandlung war über die Gemüther gekommen; wenn Freiligrath citirt wurde, so waren es andre Strophen. Wir saßen unser Drei um den Tisch herum: Kugler selbst, ein junger Schotte und ich. Die Lichter, die durch das Laub fielen, spielten über die Damastdecke hin, das Flämmchen unter dem Wasserkessel brannte unsichtbar in dem hellen Sonnenschein, nur der aufsteigende Dampf zeigte, daß überhaupt eine Flamme war. Die Unterhaltung ging bequem, es war fast wie Nachmittagsruhe. Der Wirth liebte das, alles Heraufgeschraubte war verpönt, wer nichts zu sagen hatte, schwieg.

Wir plauderten gemüthlich hin und her, als plötzlich unsere Unterhaltung vom Hofe her durch das leichte Geträller eines altfranzösischen Liedes unterbrochen wurde. Kugler fiel gleich ein. In demselben Augenblick trat eine jugendliche, hochaufgeschossene Gestalt in den Garten, und schon von fern seinen Spitzhut leise lüftend, schritt er auf uns zu. Inmitten des Ganges blieb er einen Augenblick stehen, wandte sich zurück und grüßte, über den Hof hin, nach einem der Mansardenfenster hinauf. Er wußte wohl weshalb. Im nächsten Augenblick wurden wir vorgestellt – Paul Heyse.

Er setzte sich neben den jungen Schotten, den er schon von Bonn her kannte, und nicht leicht hab’ ich ein anmuthigeres Bild gesehen als diese beiden Typen blonder und brünetter Schönheit. Beide waren von seltener Grazie, aber während die des Einen, mehr äußerlich, aus Kraft und Schulung entsprang, war die des Andern, der sich beinah gehen ließ, ohne jegliche Anstrengung von innen heraus geboren.

Das Gespräch, wie es die Erinnerungen des Ortes mit sich



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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_565.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)