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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Mann zum Frühstück kam, war er erstaunt, sich von mir allein bedient zu sehen; mit zitternder Stimme sagte ich ihm, daß ich die Magd soeben des Dienstes entlassen hätte, weil sie mir zu gut röche. Und mein Mann verlangte kein Wort der Erklärung darüber, liebe Frau, kein einziges Wort der Erklärung – auch die gewohnte zweite Tasse Kaffee verlangte er nicht – er ging, und ich weiß nun, wie schändlich ich hintergangen worden bin!“

Meine Pflicht gebot mir, für möglichste Beruhigung der tief erregten Patientin zu sorgen; ihre schwere Stunde war, in Folge der tiefen Seelenerschütterung, vielleicht rascher herbeigekommen, als dies beim ungestörten Gang ihres Herzenslebens geschehen wäre. Zu meinem Erstaunen erschien jetzt auch der Herr Gemahl, und er wich nicht vom Schmerzenslager seiner Gattin, bis Alles überstanden war. Seine Zärtlichkeiten fanden indeß keine Erwiderung; kalt ruhte ihre Hand in der seinen, ihr Mund hatte keinen anderen Trost für ihn, als durch Fragen abgezwungene Antworten, ihr Auge schreckte seinen scheuen Blick zu Boden und sprach fast Verachtung als der Knabe, den ihm sein Weib geboren, auf seinen Armen lag und er im Tone der ehemaligen Herzlichkeit ein glühendes Gebet an Gott richtete, ihm diesen Engel nicht zu rauben, wie ihren ersten. Es schien kein Sonnenblick der Freude an diesem Wochenbett – ich war froh, als ich endlich das mir unheimlich werdende Haus des äußerlich gepriesenen Glücks verlassen konnte.

Das ist die von den Blicken der Neids und der Freude begleitete Familie. Es ist später nie wieder ein Wort zwischen der Dame und mir über ihre Ehe gewechselt worden; sie hat meiner auch nicht mehr bedurft. Das nur sehe ich, daß die Liebe zu ihrem Knaben ihr die Oede ausfüllt, welche der Gatte in ihr Leben gebracht. Das ist die tadellose Ehe, die im Städtchen als Muster für Alle gilt – das ist der liebevolle Mann, die glückliche Frau – die gebrochenen Herzen sieht Niemand, denn vor ihnen lächelt das einzig glückliche Kind.




Der Nachdruck in Deutschland. Eine neue Schillerstiftung für die deutschen Schriftsteller. – Wer den in Deutschlands allgemein üblichen Nachdruck mit aufmerksamen Blicken verfolgt, wird zu ganz eigenthümlichen Resultaten gelangen. Selbst recht bedeutende und sehr wohlhabende Zeitungen schämen sich keineswegs, einen Aufsatz, der ihnen gerade gefällt, ohne Weiteres nachzudrucken. Die meisten Leute scheinen es gar nicht zu wissen, daß sie dadurch ein Unrecht und dem Schriftsteller eine Schädigung zufügen. Andere aber wissen es recht gut und greifen zu den schnödesten Mitteln, lassen den Verfassernamen fort, ändern den Titel und Anfang etc., um den Nachdruck zu verbergen und sich ungestraft zu bereichern.

Sobald ein Schriftsteller Ansprüche eines Nachdrucks wegen erhebt, wird er zunächst den Einwand hören, daß es ihm ja lieb sein könne, wenn sein Name doch recht sehr verbreitet werde. Nun frage ich aber doch einmal, was kann z. B. Gerstäcker daran gelegen sein, wenn irgend eine Buxtehuder Zeitung seinen Namen nennt – um ihm nämlich eine Novelle zu stehlen! Und in dem Falle befinden sich recht viele deutsche Schriftsteller. Da aber kein einziger derselben, und sei es der allerbedeutendste, ebenso wenig vom Vielgenanntsein, als von Mondschein und Morgenroth zu leben vermag, so müssen sie wohl oder übel ihrerseits fortan jeden unerlaubten Nachdruck unnachsichtlich verfolgen.

Hierzu werden nun bereits durch eine Organisation, die vom deutschen Schriftstellerverein ausgeht, die entschiedensten Schritte eingeschlagen. Nach diesen wird zunächst eine Aufforderung an sämmtliche deutsche Zeitungen erlassen, sich des ehrlosen Nachdrucks ferner zu enthalten. Derselben ist ein Verzeichniß beigefügt, mit Namen und Wohnungsangabe aller derjenigen Schriftsteller, welche bereit sind, unter billigen Ansprüchen die Wiederabdrücke ihrer Arbeiten zu gestatten. Eine kleine, freiwillig gebildete Commission ist bereits in voller Thätigkeit, um an den Centralpunkten des Zeitungs- und Zeitschriftenverkehrs den Nachdruck zu überwachen und durch Listen und Kreuzbandsendungen sämmtliche Nachdrücke zur Kenntniß ihrer Eigenthümer zu bringen. Alle ohne Namensangabe begangenen und nicht so leicht zu ermittelnden Nachdrücke sollen in den betreffenden Zeitungsexemplaren gesammelt und am nächsten Schriftstellertage in Dresden öffentlich ausgelegt werden, damit jeder Anwesende dann sein herrenlos herumlaufendes Gut zu reclamiren vermag. – Werden auf diese Weise die bis jetzt nachdruckenden Blätter gezwungen, auch nur die geringe Summe von je fünfzig Thaler für das ganze Jahr zur Beschaffung ihres Lesestoffes auszusetzen – so erwächst daraus den deutschen Schriftstellern der außerordentliche Zuschuß von fünfzigtausend Thalern jährlicher Einnahmen.

Zugleich leidet aber zweifellos Niemand Schaden dadurch. Denn jener einzig statthafte Einwand: daß man dadurch die kleinen und kleinsten Localblätter vernichten und somit die Volksbildung beeinträchtigen werde, beruht in einer schiefen Auffassung. Einerseits wird nämlich jeder human denkende Schriftsteller die Wiederabdrücke seiner Arbeiten unter so liberalen Bedingungen gestatten, daß gewiß keine höhere Summe, als etwa fünfzig Thaler zur jährlichen Füllung des Unterhaltungsstoffes in den kleinsten und ärmsten Blättchen erforderlich ist, und andrerseits kann die Summe von fünfzig Thalern für das ganze Jahr unzweifelhaft das winzigste Wochenblatt ohne Opfer erschwingen. Damit fallen dann aber jene düstern, unappetitlichen und unsaubern Geschichten, die zur Volksbildung nichts weniger als geeignet sind und bis jetzt meistens neben den unerlaubten Nachdrucken die Spalten solcher Blätter füllen, ganz von selbst fort. Auch braucht der Besitzer eines solchen Blattes nicht mehr, wie bisher, nur gerade das, was ihm in den Wurf kommt, abzudrucken, sondern er kann nach Einsicht und Ermessen wählen und er wird dann selbstverständlich doch nicht thörichterweise noch schlechte Machwerke ankaufen, wenn er gute Leistungen anerkannter Schriftsteller für dieselben Preise zu erwerben vermag. Somit kann in jeder Hinsicht die Volksbildung nur gewinnen.

Wir wollen hiermit diese Angelegenheit gewissermaßen vor das Forum des ganzen deutschen Volkes gezogen haben und verweisen dringend alle Freunde der zeitgenössischen Literatur, sowie alle hierbei Betheiligten auf den in Nr. 31 der „Deutschen Blätter“ abgedruckten Artikel „Nachdruckliches“, welcher einerseits das Wesen, die Nachtheile und Uebelstände des Nachdrucks, andererseits die Verhältnisse der deutschen Schriftsteller, sowie die angedeuteten Bestrebungen derselben: durch Unterdrückung des Nachdrucks sich eine jährliche Mehreinnahme von etwa fünfzigtausend Thalern und damit eine neue, durchaus stichhaltige Schillerstiftung zu begründen, eingehend beleuchtet.




Instinct oder Ueberlegung? Vor langen Jahren besaß meine Mutter einen (nun längst verstorbenen) Pinscher, der ihr und der ganzen Familie Liebling war, ein Muster von Intelligenz und Behendigkeit, von Anhänglichkeit an seine Herrin und zuweilen auch von – Launen. Wenn Abends meine Mutter das Bett aufschlug, um sich zur Ruhe zu legen, da war in der Regel das verzogene Kindchen rasch zur Hand, um vor der Herrin den besten Platz in des Bettes Mitte zu erobern und dann nur zögernd und widerwillig, selbst knurrend und brummend, der einsteigenden Herrin ein Weniges zu weichen.

Er war eben ein Muttersöhnchen, und damit auch bei Nacht dem lieben Kind nichts fehle, stand in der Schlafkammer neben seiner Herrin Wasserkrug stets, auch bei Nacht, ein mit Wasser gefüllter Thonnapf. Kam es nun zum Schlafengehen, so wurde manche Kriegslist angewandt, um das liebe Kind vom Bette wegzulocken und dieses vor ihm zu gewinnen, und wie es eben traf, bald siegte die Herrin, bald der Hund.

So hatte denn auch eines Abends die Herrin gesiegt und freute sich des Sieges mit Recht, denn am Nachmittage hatte sie, von dem Hunde begleitet, einen sehr ausgedehnten Spaziergang gemacht, von dem sie nicht wenig ermüdet heimkehrte. Alles schien gut. Der Hund war glücklich überlistet worden und hatte mit einem Nebenplatze im Bette vorlieb nehmen müssen. Kaum aber war Alles in dieser Weise geordnet – meine Mutter wollte eben das Licht löschen – als Freund Ami, so müde er selbst auch sein mochte, sich erhob, schonungslos über seine Herrin hinwegschritt und mit einem entschlossenen Sprunge das Bett verließ. Nach dem Saufnapfe trollte er hin, der Arme, den der Durst nicht ruhen ließ auf weichem Lager. Aber siehe da! Der Saufnapf blieb unberührt von ihm, nur am Rande leckte die lechzende Zunge, und zungenleckend, unter mucksenden, bittenden Tönen, kehrte der Hund zurück zur entgegengesetzten Ecke der Kammer, zum Bette, von wo die Herrin verwundert ihm nachgesehen hatte – also das Wasser fehlte im Saufnapfe! Seltsam, es ging ja doch sonst Alles wie am Schnürchen bei der alten, pünktlichen Dame! Doch Irren ist menschlich. Es war vergessen worden, den Napf zu füllen, das mußte nachgeholt werden und meine Mutter stand sofort auf, um dies zu thun. Aber wie staunte sie, als sie den Napf bis zum Rande gefüllt vorfand! Wie viel mehr staunte sie, als in demselben Augenblick der Hund mit kühnem Satze in das jetzt leergewordene Bett sprang, dessen Mittelplatz er nun mit Hartnäckigkeit seiner Herrin streitig zu machen suchte.

Der Hund hatte auf seiner Herrin Mitleid speculirt, indem er Durst und Wassermangel heuchelte, um die Herrin aus dem Bette zu locken und dann ihren Platz einzunehmen.

Und der Hund hatte richtig speculirt; der Hund hatte den Menschen überlistet! Welche Gedankengänge in der Seele eines Hundes, deren Dasein beschränkte Rechtgläubige und Frömmlinge am liebsten ganz leugnen möchten!

A. St.




Freiligrath-Dotation.


Bei der Redaction der Gartenlaube gingen wieder ein: Von der Gesellschaft „Klapperkasten“ in Leipzig, Ertrag des Festabends für Freiligrath 200 Thlr.; M. F. in Halle a. S. 1 Thlr.; Anna D. in Graz 1 Thlr.; Redaction des Gothaer Tageblattes 4 Thlr.; bei einem fröhlichen Geburtstagsfeste in Guben 3 Thlr.; Prof. Schöntag in Rothenburg 1 Thlr.; ein Deutsch-Oesterreicher in Wien 3 Thlr.; W. W. in Calbe a. S. 1 Thlr.; aus Rastatt, im engern Kreise gesammelt 11 Thlr.; C. S. aus Fürth 1 Thlr.; Magdeburger Arbeiter-Bildungs-Verein 10 Thlr.; von vierzehn Mitgliedern der Euterpe in Buchholz 14 Thlr. 15 Ngr.; Zachariae in Bleialf 2 Thlr.; von Mitgliedern der Forster Liedertafel 5 Thlr.; A. Hülsen in Gr. 1 Thlr.; R. und S. in Petersburg 10 Thlr.; einige Deutsche und Schweizer in Livorno 30 Thlr.; aus Alt-Strelitz, eingesandt von Dr. Daniel Sanders, erster Beitrag 22 Thlr.; von einer Tanzkränzchengesellschaft in Sommerfeld 4 Thlr. 12 Ngr. 5 Pfg.; Adolf Geipel in Bautzen 2 Thlr.; G. C. und Comp. in Frankfurt a. M. 5 Thlr.; H. B. und W. Sp. in Lindau 4 Thlr.; gesammelt auf einem Turntage in Lambrecht 10 fl.; der Liederkranz in Bamberg 100 fl.; Ertrag einer Sammlung bei dem Waldfeste, welches am 21. Juli die „Ausburger Liedertafel“ in Verbindung mit den Gesangvereinen Cäcilia, Concordia, Amicitia und Liederkranz veranstaltete, 331 fl. 12 Xr.; für sieben Glaubensbekenntnisse von Freiligrath 8 Thlr.

Die Redaction.




Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Novelle von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Nach vierzig Jahren. Von Ferdinand Stolle. Mit Illustration. „Gedanken über das Curiren von Krankheiten. 3. Strafpredigt gegen curirende Laien, Naturärzte und Homöopathen. Von Bock. – Das Leben in Eisen und die Kunst in Holz und Stein. Erinnerungen aus den Chemnitzer Industrie-Festhallen. Von Fr. Hofmann. Mit Abbildung. – Die Humoristen der „Fliegenden Blätter“. Von C. A. Dempwolff. – Blätter und Blüthen: Aus den Erinnerungen einer Hebamme. 2. „Du riechst mir zu gut!“ – Der Nachdruck in Deutschland. – Instinct oder Ueberzeugung? – Freiligrath-Dotation.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.



Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 544. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_544.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)