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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Thiergestalt, eines Pferdes, eines Schafes, eines Hahnes und dergl., wie sie, mit geringer Nachschnitzung und Bemalung, später der Weihnachtsmarkt für das Christkindlein liefert. Eine höchst sinnige Erfindung, die allein es möglich macht, daß trotz der schlechten Preise für das Dutzend solcher Sachen die Arbeiter dennoch davon leben können.

Von diesem Musterstück der Zeitersparniß eilen wir zu einem hölzernen Curiosum von entgegengesetzter Entstehungsweise: einem von J. H. Schulze in Dresden aus Holz geschnitzten Blumenbouquet, einem Werke feinster Kunst und riesigster Geduld. Diese Rosen und Astern, Nelken, Kornblumen, Aehren und Strauchgewächszweige in geschmackvollster Vereinigung sind ein wahres Wunder des Schnitzmessers und der beste Beweis, welcher Geduld ein Deutscher fähig ist!

Die Damen trennen sich so schwer von diesem Blumenstück, daß nur etwas noch Reizenderes sie weiter locken kann, und das winkt uns gleich in der Mittelhalle, als Schönstes herausglänzend aus der Prachtausstellung der Meißner Porcellanmanufactur: auch Blumen, aber welche! Prächtiger Gedanke! Ein ovaler Spiegel mit einer Blüthenguirlande als Rahmen! Welche zierlichen, lieblichen Formen und welche Farbenlust blühen uns da entgegen! Und nun denke man sich in den Spiegel ein Antlitz hinein, aus welchem holde Augensterne und rosige Wangen und Lippen uns entgehen blühen, und frage sich, ob es etwas Schöneres in der Welt geben kann. Man scheut sich förmlich, mit einem alten Gesicht zwischen die Blumenzierde hineinzuschauen.

Wie schade, daß nun der Raum der Gartenlaube für uns zu eng wird, um unsere Damen von Stück zu Stück im reichen Kranze der Bildwerke in Gyps und Marmor, Serpentin, Sandstein, Thon etc. herumzuführen! Wie zieht es uns zu der Tischhälfte, welche der Chemnitzer Bildhauer Händler mit seinen Gypsmodellen besetzt hat! Da ist wirkliche Kunst, Kunstverherrlichung der Industrie (Modell zum Standbild Jacquard’s, Erfinders des nach ihm benannten Webstuhls etc.) und Kunstveredelung der Gewerbe. Als letztere müssen wir auch die Erzeugnisse der Thonwaarenfabrik von Heber und Compagnie anerkennen, die es möglich machen, mit edlen Werken der Bildhauerkunst auch des Bürgers Garten zu schmücken.

Es wird aber höchste Zeit, dem einladenden Sausen und Brausen des Maschinenraumes nachzugehen. Wir folgen ihm, und da stehen wir nun vor dem größten Raum mit dem großartigsten Inhalt des ganzen Industriepalastes. Denn vollkommen wahr ist, was wir sehr gern einem Berichterstatter nachsprechen: „Die Vertretung der Maschinenfabrikation ist unstreitig das Großartigste und Interessanteste der Ausstellung, und wenn irgendwo, hat hier der Mensch Ursache, stolz zu sein; nirgends zeigt und bewährt sich die Herrschaft des menschlichen Geistes über die Natur so augenscheinlich und handgreiflich, wie zwischen diesen Rädern, Schrauben, Spindeln und Kurbeln, welche, unabänderlichen Naturgesetzen gehorchend, eine Bestimmung erfüllen, die ihnen der Mensch gegeben hat.“ – Aber wohin zuerst? Dort wettert eine Dielen- und Pfostenhobelmaschine, daß die Spähne an die Decke fliegen; da sausen die Spindeln der Selfactoren Pfaff’s und Wiede’s dreitausendmal in der Minute um ihre Achse und das Schwirren klingt wie Meeressturm; hier rauschen und brausen die mächtigen Brauereimaschinen von Münnich, von Schwalbe und Sohn, und dort drehen Dampfmaschinen stolz nur zur Parade ihre vielpferdekräftigen Arme. Und immer weiter dehnen sich die Räume! Wir wollen keine Namen mehr nennen; man thut zu Vielen Unrecht, wenn man Einigen Recht thun will. Lieber erzähle ich Eines: Ich sah einst einen Bergmann schwärmen über einen Silberblick, aber freudiger glänzte sein Auge nicht, als das eines Chemnitzer Fabrikherrn, der an seinen eigenen, trefflichen Werkzeugmaschinen vorüber, mich zu seinem Leibstück in der Ausstellung, einer horizontalen Hochdruck-Dampfmaschine mit verstellbarer Expansion und Condensation, zu fünfzig Pferdekraft, von Theodor Wiede, führte. „Sie sind Laie,“ sagte er, „und werden mein Entzücken über dieses Prachtwerk nicht verstehen. Ich will Ihnen ein Beispiel sagen. Wenn der Schneider Ihnen einen Rock macht und Alles ist gut daran, so ist doch gewöhnlich der Henkel schlecht; aber an dieser Maschine ist selbst der gut!“ – Ich darf den Mann, der über andere Leistungen so gerecht und freudig anerkennend urtheilt, wohl nennen, eben weil er selbst zu den tüchtigsten Ausstellern gehört, Herr C. H. Stier (Sondermann und Stier), von dessen Wort wir wünschen, daß es in jeder Werkstätte an die Wand geschrieben und es jedem Mann der Arbeit immer klarer werde, wie viel darauf ankommt, daß auch der Henkel gut sei!

Schließlich ist es wohl für die Deutschen allerwärts von Interesse, zu erfahren, wie von dem gesammten Ausstellungsgebiet die Theilnahme der preußischen und thüringischen Theile zu der Industriefeier der königlich sächsischen Stadt Chemnitz sich verhält und wie die sächsischen Orte selbst dazu beigesteuert haben.

Vertreten sind im Industriepalast zu Chemnitz etwa zweihundertundvierzig Städte und Ortschaften; von diesen gehören gegen fünfundsiebzig Thüringen und dem preußischen Sachsen an, und viele davon thun durch die Zahl ihrer Aussteller sich vor nicht wenigen sächsischen Ausstellungsorten hervor. An der Spitze aller steht, selbstverständlich, Chemnitz mit zweihundertundfünfzig Ausstellern, dann folgen Leipzig mit einhundertundsechszehn, und Dresden mit sechsundneunzig; alle übrigen sächsischen Städte haben vor den nichtsächsischen keinen Vorzug mehr, denn neben Plauen und Döbeln steht auch Altenburg mit einundzwanzig Ausstellern und ihm nach folgen Gera mit sechszehn, Magdeburg mit vierzehn, Halle mit zwölf, Gotha mit zehn, Coburg mit sieben, Arnstadt, Erfurt und Nordhausen mit je sechs, Greiz, Merseburg, Naumburg, Pösneck, Saalfeld und Zeitz mit je drei, Eilenburg, Hildburghausen und noch einundzwanzig andere Städte mit je zwei Ausstellern und etwa achtunddreißig Städte oder Ortschaften[1] mit je einem Aussteller. Diese Betheiligung ist nicht gering, ja, wer Zweierlei, den Bruderkrieg des vorigen mit der schweren politischen Uebergangszeit dieses Jahres und die Entfernung mancher thüringischen und preußischen Industrieplätze von Chemnitz oder von einer Eisenbahn, vor Augen hat, dem wird es ein tröstlicher Gedanke sein, daß der tüchtige Bürgersinn stark genug ist, so viele Schwierigkeit zu Gunsten einer industriellen Festeinheit gerade im staatenreichsten Landstriche Deutschlands und damit zugleich dort langgehegte Vorurtheile zu überwinden und so auf immer mehr Gebieten mit eigenem freien Willen festern Grund zur deutschen Einigkeit zu legen, als es den Geboten der Macht und der Noth je gelingen wird.

Fr. Hofmann.




Die Humoristen der „Fliegenden Blätter“.


Ich habe doch recht lachen müssen, als hier in München ein Programm herumging, in welchem ein mir bekannter Journalist großartig auseinandersetzte, er wolle, um einem längst gefühlten Bedürfniß abzuhelfen, vom 1. Juli an einen süddeutschen Kladderadatsch herausgeben. Der Vater des zukünftigen Kladderadatsch fragte mich damals sehr pikirt, weshalb sein Programm meine Heiterkeit so errege, und ich konnte ihm nur schwer begreiflich machen, daß es einer Revolution und Contrerevolution bedurft hätte, um auf dem günstigen Boden, den man Berlin nennt, das im Laufe von Jahrzehnten zu zeitigen, was man gegenwärtig unter dem Namen „Kladderadatsch“ begreift, nämlich eine politische Macht. Glücklicherweise hatte ich die Nummer 13 der Gartenlaube bei der Hand und konnte durch „die Geschichte des Kladderadatsch“ ihm noch mein Recht, sein Programm auszulachen, etwas deutlicher nachweisen.

Wie nun der Kladderadatsch, dieser Inbegriff des zersetzenden politischen Witzes, eben nur aus dem Berliner Boden herauswachsen konnte, so wurzeln die Münchener Fliegenden Blätter ganz speciell im Münchener Boden und nur der harmlos glückliche Humor, der das Münchener Künstlerleben vor 1848 durchwehte, konnte diese Fliegenden Blätter hervorbringen, welche so ganz und gar die deutsche Natur mit all’ ihren blauen romantischen Träumen, mit all’ dem gutmüthigen Spott über so viele Gebrechen, mit all’ dem unergründlichen Schatz von Poesie, der sich in Scheidemünze verzettelt,


  1. Sogar ein Zuchthaus hat sich bei der Ausstellung eingefunden: die altenburgische Bergveste Leuchtenburg, deren Sträflinge sich in Korbwaaren auszeichnen.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 541. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_541.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)