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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

menschliche Gestalt verdunkelt den Eingang der kleinen Hütte und zeichnet sich grell gegen das Feuer ab, welches am Ufer unstät auf und ab flackert.

„Wer ist da?“ ruft der Erwachende. Keine Antwort. „Wer ist da?“ fährt er empor. Da faßt eine warme, kleine Hand die seinige, unverständliche Worte von Mädchenlippen hört er flüstern dicht vor seinem Ohre, einen Augenblick lang preßt sich ein kleiner Mund süß auf den seinen. Und „Marizko, Marizko!“ ruft wonnetrunken der Officier, „reizende Marizko!“ und streckt die Arme empor, das liebliche Mädchen zu umfassen, aber seine Arme fassen nur die leere Luft, wie ein Schatten war die Slovakin entflohen, die Hütte war leer.

„Wach’ ich denn oder träume ich?“ murmelt der Officier und springt vom Lager auf, reibt sich die Augen und tritt schnell vor die Hütte. Aber Alles ist still, Niemand zu sehen. Drüben brennen die Feuer, rings umher liegen die Soldaten in ihre Mäntel gehüllt und schlafen; nichts regt sich weit und breit.

Früh am anderen Morgen erwachte der Artillerie-Lieutenant nach unruhigen Träumen, der Trompeter blies Reveille, die Feuer waren heruntergebrannt, drüben hinter den Karpathen färbte sich der Himmel bereits purpurroth. Er will sich erheben, da faßt seine Hand etwas Kaltes. Er schaut hin, und siehe da, neben seinem Lager steht ein dicker, bunt bemalter Krug und daneben liegt ein Strauß, drei rothe prachtvolle Rosen. Ganz wunderbar wird es dem Officier um’s Herz, als er die Blumen nimmt und an seine Lippen drückt.

„Also doch Marizko!“ spricht er leise vor sich hin, „also war’s kein Traum!“ und steckt die Blumen an seine Brust.

„Sie sind ja heute so merkwürdig langweilig, Verehrtester,“ sprach der Stabsarzt beim Rendezvous zu seinem Freunde, dem blonden Artillerie-Officier, „was ist Ihnen denn?“

„Wollen Sie nicht einmal trinken, Doctor?“ erwiderte dieser, ohne dem Frager eine Antwort zu geben, und holte aus dem Marketender-Fuhrwerk heraus eine dickbäuchige irdene Flasche mit merkwürdigen Malereien.

„Nanu, werther Freund, was ist denn das? Donnerwetter, wo haben Sie denn den her? das ist ja ein prachtvoller Ungarwein, so was habe ich in meinem Leben noch nicht getrunken!“ Und weiter bekam der Doctor keine Antwort, denn der Gefragte hatte nun seinerseits den Krug ergriffen, trank durstig von dem goldenen Nektar und: „Auf Dein Wohl, Marizko!“ murmelte er dabei mit seltsam bewegtem Herzen.




Diesseits und jenseits der Alpen.
Illustrirte Erinnerungen von L. Löffler.
II.
Villen und Kneipen am Comersee. – Wirthshaus zum „schlechten Wein“. – Das modernisirte Mailand. – Der Opfer fordernde San Carlo Borromeo. – Rückfahrt zum Comersee. – Menaggio mit den Bettelhänden. – Der Garibaldianer von Lugano. – Ein Kloster als Hotel. – Mauthbeamten-Logik. – Die Purzelbäume am Lago maggiore. – Englische Garibaldianer. – Confiscirte „Post“-Gesichter. – Rückkehr in die Schweiz mit italienischen Nachklängen.


Eine Fahrt nach Mailand war beschlossen, und die herrlichen Ufer des Comersees zogen an uns als Wandelbild vorüber, bald reich bebaut, bald schroff und felsig. Hier die Villa des extravaganten Engländers auf einem ganz isolirten Vorsprunge und nur per Wasser zu besuchen, dort die Stelle des erst kürzlich versunkenen Hauses, von dessen Versinken man weiter keinen Grund anzugeben weiß, als daß eben der Grund fehlt. Dann folgen die Olivenplantagen in dem Grau-grün unserer heimischen Weiden. Eine abgetragene Alte mit mißtönend summender Spieluhr hatte bei irgend einer Station den Dampfer bestiegen und trippelte brandschatzend umher, während mir der joviale Fabrikant aus Bergamo die Geheimnisse des Comersees mittheilte. Er kannte alle Villenbesitzer und wußte alle Kneipen, erklärte aber, daß er niemals mehr überrascht worden sei, als in Varenna, wo er als Aushängeschild die Worte gefunden: „Al vino cattivo“ (Zum schlechten Wein). Der Wirth habe ihm jedoch, auf seinen erstaunten Ausruf, sehr verschmitzt die Erklärung gegeben, daß, wenn er behaupten würde, guten Wein zu haben, ihn gewiß die ganze Welt schlecht finden würde, wogegen jetzt Jeder beim Kosten ausriefe: „Der ist ja vortrefflich,“ und er auf diese Weise reichlichen Zuspruch habe.

Vorbereitungen zum Mittagsmahl in Porlezza.

Como machte einen lustigen bewegten Eindruck. An dem freien heiteren Hafen war Markt, und das lebhafte Volk wälzte sich herum um den Omnibus, welcher uns durch die Stadt nach der Eisenbahn zu Camerlata führte. Die weiße sonnige Chaussee dorthin ließ uns die ganze Freude südlichen Staubes genießen, in welchem, gleich Phantomen, einzelne Gestalten umherirrten, die den Koth der Pferde so eifrig sammelten und sich gegenseitig streitig machten, als ob es die glänzendsten Perlen auf Meeresgrund gewesen wären.

Mailand wird binnen Kurzem eine moderne Stadt sein, denn man steht im Begriff, die alten rumpeligen Bauten, welche einen Charakter verleihen, abzureißen und großartige Viertel entstehen zu lassen. Der Dom, dieses Meisterwerk der Architektur, den man jetzt fast nur aus der Froschperspective betrachten kann, wird dadurch allerdings frei gelegt – aber Mailand wird seine Eigenthümlichkeiten nur stückweise und versteckt aufbewahren. Hitze lag in den Straßen, als wir in die kühlen Räume des Theaters „della Scala“ stiegen, um am hellen Mittag einmal die sechs Logenreihen ohne die viertausend Zuschauer zu sehen, die darin Platz haben.

Brera, Municipium, Arena, Arco della pace, Terracotta-Fabrik – jedes war vortrefflich, groß, erhaben, aber schließlich wurde man der auf Accord arbeitende Tagelöhner. Geistig übersättigt und auch hinlänglich angestrengt durch das lucullische Mal im Hotel de la ville, fühlten wir uns so eigentlich wieder ganz Menschen vor einem der Cafés auf der Piazza della Scala. Hier genoß ich wieder ganz den Zauber südlichen Lebens. Die laue Nacht, der Sternenhimmel, der Mandolinschläger mit der Arie aus dem „Barbiere“ und der neapolitanischen „Barcarole“, dazwischen




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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 524. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_524.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)