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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Herman Schmid.

Ueber einen Glasgang, von dessen mit pompejanischem Rohre überzogener Rückwand sich das Grün von lebendem Epheu kräftig abhob, gelangten wir in ein angenehm, aber einfach eingerichtetes Wohnzimmer, wo ein kleines aufrecht stehendes Piano mir verrieth, daß auch die Kunst der Töne dem Hause nicht fremd sei. An der Wand bemerkte ich einen Gypsabguß von Dannecker’s großer Schiller-Büste und einige nicht werthlose Kupferstiche. Im Durchgehen deutete Schmid leicht nach der Decke: „Hier finden Sie den Wahlspruch eingeschrieben, dem ich bisher in Kunst und Leben nachgestrebt habe. Da Sie meinen Leistungen doch so viel Aufmerksamkeit geschenkt haben, sind Sie dem: ‚Gib’s Gott anheim und thu’ das Dein’‘ wohl schon auf dem Titelbilde des ‚Heimgarten‘ begegnet – dessen kurze Blüthezeit auch Ihnen nicht unbekannt sein wird; ebenfalls ein Capitel von schönen, doch getäuschten Hoffnungen!“

Von da führte das Zimmer auf die Terrasse in das Vogelnest, und ich mußte gestehen, daß diese Bezeichnung sehr gut für den hübschen Raum paßte, der von einem Eisengeländer eingefaßt nach allen Seiten von Bäumen oder richtiger Baumkronen umgeben ist, so daß es sich wirklich ansieht, als säße man unmittelbar in den Zweigen. Zur Linken streckt eine Linde von besonderer Schönheit ihre Zweige wie schützende Arme um die Hausecke und bildet gegen die westliche Wetterseite einen willkommenen Wetterableiter und Sturmmantel.

Die Frau des Hauses, eine stattliche Erscheinung in den besten Jahren, bewillkommnete mich in einfacher Weise mit unverkennbarer Herzlichkeit und erzählte mir, während sie den Kaffee credenzte, die Geschichte des Gartens, in den wir durch die Lücken der Zweige hinunterblickten. Es scheint ein Park im Kleinen zu sein; ich gewahrte eine schöne grüne Rasenfläche von mächtigen Tannen eingeschlossen, Partien von blühenden Gebüschen, eine mit Weinreben bezogene Veranda, Rosenbeete und Blumengruppen und erfuhr, daß dies Alles vor nicht mehr als einem Jahrzehnte nichts weiter war, als einfaches Gemüseland.

„Es steht kein Baum,“ äußerte die Frau, „der nicht von uns gepflanzt worden wäre, wie überhaupt die Anordnung in Haus und Garten eigentlich von mir ausgegangen ist.“

„Was sollte ich thun?“ fuhr sie fort, als ich ihr darüber mein Compliment machte; „wenn man doch einmal einen Dichter zum Manne hat, muß man ihm wenigstens in irgend einer Weise behülflich sein, und da ich es nicht anders kann, habe ich versucht, unsere Umgebung so einzurichten, daß sie ihm gefallen und er sich darin heimisch fühlen muß.“

Inzwischen wurde die Familie vollzählig; die Mutter der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_508.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)