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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

als der eigentliches Erfinder der Nähmaschine gilt, der jetzige Crösus von New-York, der im Augenblick ganz Paris durch den Glanz und die Originalität seiner Equipagen in Staunen versetzt.

Nach eilf Tagen, während welcher sich Singer fast keinen Schlaf gönnte, war die Maschine vollendet und am Morgen darauf, nachdem er noch einige kleine Mängel an dem Mechanismus seines Apparates abgestellt, reiste er mit seiner Schöpfung nach New-York ab, um hier sich ein Patent auszuwirken.

Groß waren auch für ihn die Schwierigkeiten, unsäglich die Hindernisse, ehe er seine Maschine durchsetzte, allein seine unerschütterliche Energie, seine rastlose Thätigkeit überwanden dies Alles. Er wußte sich Geldmittel zu verschaffen, er associirte sich mit seinem Bostoner Gönner, annoncirte Tag für Tag in allen amerikanischen Zeitungen, ließ gehörig die Reclame arbeiten, er reiste, er sandte Agenten durch die Staaten der Union und stellte seine Maschine auf Messen und Jahrmärkten in Städten und Dörfern aus. Mehrmals stand er am Rande des bürgerlichen Ruins, immer aber raffte er sich wieder empor und von Jahr zu Jahr wuchs sein Wohlstand. Lange freilich blieb seine Existenz eine sehr bescheidene; er hatte ein kleines Magazin in Broadway, und kein Mensch in der Welt hätte ihm damals prophezeit, daß nach Verlauf von zwölf Jahren Singer tausend Nähmaschinen in der Woche mit einem täglichen Reingewinn von tausend Dollars verkaufen würde. Er ist der wahre Pionier für den Absatz von Maschinen überhaupt geworden und hat diesen Zweig des Verkehrs angebahnt für Alle, welche ihm auf dem nämlichen Gebiete nachgefolgt sind.

Natürlich konnten die Bestrebungen und Erfolge Singer’s der Aufmerksamkeit des ursprünglichen Erfinders nicht entgehen. Howe klagte auf Verletzung seines Patents und ein langwieriger Rechtsstreit entspann sich. Singer führte alle seine Thatkraft und alle seine Mittel in’s Feld; er ließ die Patentämter von Amerika, von England und Frankreich nach einem etwaigen frühern Erfinder der Nähmaschine durchstöbern – denn einen solchen aufzufinden kam es hauptsächlich an – er schlug alle möglichen Encyklopädien nach, er versuchte sogar den Beweis, daß die Chinesen schon vor Jahrhunderten die Nähmaschine gekannt hätten, ja er entdeckte selbst in New-York einen gewissen Hunt, der bereits 1832 eine Nähmaschine erfunden haben wollte, er spürte auch noch Bruchstücke dieser Maschine in irgend einer Rumpelkammer auf – allein der unumstößliche Beweis einer Priorität der Erfindung ließ sich trotzdem nicht führen. Aus den Fragmenten konnte keine Maschine zusammengestellt werden; Hunt mußte bekennen, daß er mit seiner Maschine nie habe wirklich nähen können, und Howe wurden vom Gericht die Ehre der Erfindung und die daraus entspringenden Vortheile förmlich zugesprochen, sein Patent ward erneuert und erkannt, daß fortan sämmtliche Nähmaschinenfabrikanten ihm steuerpflichtig, d. h. sie und wer dergleichen Apparate nach den Vereinigten Staaten einführte, ihm fünf Dollars (seit 1860 nur noch einen Dollar) per Maschine zu zahlen verbunden sein sollten.

Von da an wandte sich das Geschick des Erfinders, der jetzt, neun Jahre nach der Vollendung seiner ersten Maschine, durch den Tod seines Associés zudem sich den alleinigen Besitz seines Patentes hatte erwerben können. Von wenigen hundert Dollars stieg seine Jahreseinnahme allmählich bis zu zweimalhunderttausend Dollars. Im Ganzen hat ihm die Nähmaschine schon mehr als eine Million siebenmalhunderttausend Dollars eingebracht und wenn, im September des laufenden Jahres, sein Patent erlischt, wird an der runden Summe von zwei Millionen kaum noch etwas fehlen. Indeß sind die pecuniären Opfer, welche ihn die Verfechtung seines Rechts gekostet, so bedeutende gewesen, daß er noch bei Weitem nicht zu den ersten der jetzt lebenden Nähmaschinenkönigen zählt.

Und solcher Nähmaschinenkönige giebt es bereits eine ganze Reihe. Wie Pilze schossen die Verbesserer, oder, wie man es bezeichnet, die Erfinder neuer Systeme von Nähmaschinen auf, denn diese waren eben ein Bedürfniß der Zeit und jede Erfindung ist das Product der letztern. Ungefähr zwanzig Häuser ersten Ranges befassen sich mit der Herstellung von Nähmaschinen, darunter auch unter andern die Firmen Grover und Baker und Wheeler und Wilson, deren Fabrikate in Deutschland allgemein bekannt und benützt sind.

Fast Alles, was nur die Nadel verrichten kann, das vollbringt auch die Nähmaschine, wie sie jetzt verbessert und in ihren Leistungen erweitert ist. Amtliche Untersuchungen haben dargethan, daß die durch sie bewirkte Arbeitsersparniß allein in den Vereinigten Staaten jährlich einen Werth von neunzehn Millionen Dollars repräsentirt und daß die Totalsumme der von ihr verrichteten Arbeit schon 1863 über dreihundertundvierzig Millionen Dollars betrug. Eine gute Näherin macht durchschnittlich fünfunddreißig Stiche in der Minute, die schnellsten Nähmaschinen können bis zu dreitausend die Minute leisten. Nun gehören zu einem soliden Hemde etwa sechsundzwanzigtausend Stiche; was für eine Ersparniß an Zeit und Arbeit gewährt mithin die Nähmaschine! Die Nähte an einem Männerhute kosten der Hand etwa fünfzehn Minuten, der Maschine blos eine. Ein einziges Mädchen kann mit Hülfe der letztern ebenso viele Knabenmützen nähen, wie zehn Männer dies mit der Hand vermögen. Bei feinern Kleidungsstücken ist selbstverständlich die Ersparniß nicht so groß; wenn die Fertigung eines eleganten Männerpaletots sechs Tage anhaltenden Handnähens erheischt, so braucht die Nähmaschine indeß immer nur drei dazu. Im Allgemeinen erspart sie dem Schneider von zwölf Stunden durchschnittlich vier. Wo es sich endlich um bloßes Säumen handelt, leistet eine speciell zu diesem Behufe construirte Maschine so viel wie fünfzig fleißige Mädchen!

Unser Nationalwohlstand ist folglich diesem kleinen Apparate mit seinem einfachen Mechanismus hundert und tausend Mal mehr schuldig geworden, als vielen andern Erfindungen von anscheinend weit imposanterem Charakter. Die Nähmaschine ist der wahre Socialdemokrat, der praktische Communist; sie ist es, welche den Arbeiter so stattlich kleidet wie den Millionär, sie, die Behagen gießt auch in die kleinste Wohnung und Tausenden namentlich von Arbeiterinnen zu einem menschenwürdigen Dasein verholfen hat, und darum gebührt auch dem armen Mechaniker von Boston der Kranz, mit dem wir die Stirn der Wohlthäter der Menschheit schmücken.




Freiligrath-Dotation.


Bei der Redaction der Gartenlaube gingen ein: auf der Brüxer Turnkneiperei gesammelt 3 fl. und Brüxer Turnverein mit dem Motto: „Trotz alledem“ 9 fl.; Massute in Cüstrin 5 Thlr.; Concert des deutschen Turnvereins in Dessau 6 Thlr. 2 Sgr.; W. Graff in Spremberg 1 Thlr.; Bruder Mayr in Graz 5 Thlr.; zweite Sendung des Frauen-Comités in Würzburg 57 Thlr.; Ertrag eines Concertes in Werthheim (durch Capellmeister Weidt) 62 fl. rhn.; A. G. in Groß-B. 1 Thlr.; aus B. bei F. in L. 10 Thlr. und 18 Rbl. 30 Kop. (16 Thlr. 22 Ngr.); Ertrag eines auf der Eduard-Insel zu Santomysl von den vereinigten Gesang-Vereinen zu Schrimm und Schroda gegebenen Concerts 20 Thlr.; Turnverein in Zweibrücken 10 Thlr.; H. B. 1 Thlr.; Kronstadter Männergesangverein 20 fl.; aus Rotterdam 2 Muntbillets à 10 fl. = 11 Thlr. 12 Ngr.; die Kegelgesellschaft in Leimen 8 Thlr.; Sammlung der Conrad’schen Gesellschaft in Marienburg 25 Thlr.; Schauspieldirector Schubert in Rothenburg 9 Thlr. 4 Sgr.; Herm. Raster in New-York 20 Thlr.; Freunde Freiligrath’s in Guhrau 9 Thlr. 15 Ngr.; Sammlung im Bürgerverein in Magdeburg 28 Thlr.; für 3 Exemplare von Freiligrath’s Glaubensbekenntniß 3 Thlr.

Die Redaction.



Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Novelle von E. Marlitt (Fortsetzung.) – Im Hausfrieden eines fürstlichen Patrioten. Mit Abbildung. – Das October-Jubiläum auf der Wartburg. Von Robert Keil. (Schluß.) – Erinnerungen aus dem letzten deutschen Kriege. Nr. 7. Kriegsabenteuer eines Friedfertigen. – Ei, heut’ ist keine Schule. Von Fr. Hofmann. Mit Illustration. – Die Geschichte einer Hausfreundin. – Freiligrath-Dotation.




Im Verlage von Ernst Keil in Leipzig erscheint:


Deutsche Blätter.
Literarisch-politische Feuilleton-Beilage zur Gartenlaube.
Preis vierteljährlich 6 Ngr.



Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.
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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 496. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_496.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)