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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

nicht. Prinz Karl hatte die Zeit, während der um die steinerne Brücke von Kissingen gekämpft wurde, zu einem Marsch gegen Süden benutzt. General von der Tann war mit seiner Division und den Resten der Brigade Zoller, deren General gefallen war, zu ihm gestoßen und Beide hatten Schweinfurt erreicht, von wo sie die Eisenbahn benutzen konnten. Die Preußen marschirten zurück, um sich auf den Prinzen von Hessen zu werfen, und am 12. sahen wir sie über die steinerne Brücke zurückmarschiren, die so viele Soldaten gekostet hatte. Die stämmigen Westphalen Goeben’s und weiße Kürassiere mit funkelnden Helmen und Brustharnischen zogen voran, Artillerie und Train folgten und unter den Wagen befanden sich nicht wenige, die mit den Namen hannöver’scher Regimenter beschrieben waren und folglich zur Kriegsbeute gehörten. Wir sahen die Armee gern abziehen. Die vielen Soldaten hatten die Vorräthe rein aufgezehrt und Badegäste wie Einwohner waren auf Schwarzbrod angewiesen. Der hübsche Curgarten sah wie ein Pferdestall aus und war auch dazu benutzt worden. Es dauerte indessen nicht lange, so waren alle Spuren der Verwüstungen an Gärten wie in Gebäuden beseitigt, und wären nicht so viele preußische und bairische Verwundete zurückgeblieben, so hätte man das Gefecht von Kissingen für einen Traum halten können. Diese Verwundeten wurden jetzt der Hauptgegenstand der Aufmerksamkeit und die Energie, mit der sich die englischen Damen ihrer Pflege widmeten, machte mich auf meine Abkunft stolz.

Kissingen zu verlassen, war eine Zeit lang schwer. Die Baiern und nach ihnen die Preußen hatten alles Fuhrwerk in Beschlag genommen, und einige Familien, die durchaus fort wollten, mußten froh sein, daß sie Bauernwagen auftreiben konnten. Auf Strohbündeln sitzend, fuhren sie mit der heitern Aussicht fort, die ganze Strecke bis Cassel auf diese Weise zurücklegen zu müssen. Als die Preußen weiter vorrückten, kamen wieder Wagen zum Vorschein, und Kissingen war nun bald den Verwundeten und den niedergeschlagenen Einwohnern überlassen. Auch wir schieden mit Erinnerungen an die Kriegsscenen, die in unserer Seele mit dem Bilde der freundlichen Stadt auf immer verwoben sein werden.




Ei, heut’ ist keine Schule![1]


Beim Schulhaus bleiben die Leute steh’n.
So sagt, was ist denn dort zu seh’n?
In Laubschmuck prangt die Pforte ganz,
Darüber hängt ein großer Kranz.

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Das muß wohl recht den Kindern sein

Heut Garn auf ihre Spule,
Denn sie jauchzen von Haus zu Haus und schrei’n:
„Ei, heut’ ist keine Schule!“

Wo sonst die Bänk’ und Tische, ist heut

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Die Stube frei und mit Sand bestreut.

Das Bücherbret nur allein hielt Stand
Und die schwarze Tafel an der Wand.
Ein frisches Hemd am Wochentag
Und Sonntagsrock und Weste?

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Was der alte Lehrer erwarten mag

Wohl für besondre Gäste?

Da sitzt er lächelnd im Sonntagsstaat,
So froh, wie kein König im Ornat.
Es zieht zu seines Geburtstags Ehr’

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Sein Völklein schon die Gasse her.

O Ernteglück in dem treuen Gesicht!
Wie behaglich im Großvaterstuhle
Der alte Lehrer selber spricht:
„Ei, heut’ ist keine Schule!“

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Auf geht die Thür und erschallt’s jetzund

„Guten Morgen, Herr Lehrer!“ aus einem Mund.
Und da kommen sie alle im Sonntagsgewand,
Und keines der Kinder mit leerer Hand.
Und die Freude strahlt aus jedem Blick,

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Selbst des Greises Wangen erblühen,

Dem einmal im Jahre so lohnet das Glück
Dreihundert Tage der Mühen.

In der Welt ist kein König und Volk zu schau’n
Mit solchen Augen voll Lieb’ und Vertraun!

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O wüchse die Liebe, so rein und gut,

Für die Schule in Allen zum rechten Muth!
Blieb’ sie ein Kleinod Weib und Mann,
Ein Theuerstes auf Erden!
Fürwahr, wie würde glücklich dann

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Und frei die Menschheit werden!


Hab’ Acht, hab’ Acht, klug ist die Nacht,
Steh’ für die Schule auf der Wacht,
Du Volk, das um Erleuchtung rang
Und schweren Kampfs die Nacht bezwang –

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Daß nie der lichte Pfad verliert

Sich in des Machtwahns Pfuhle
Und einst sein Hohn nur triumphirt:
Ei, heut’ ist keine Schule!

Friedrich Hofmann.




Die Geschichte einer Hausfreundin.


Vor etwa dreißig Jahren lebte in Boston ein sonderbarer Kauz, Davis mit Namen, der durch die auffallende Art seiner Kleidung und mehr noch durch seine paradoxe und bilderreiche Redeweise zu einer Stadtmerkwürdigkeit geworden war. Nichtsdestoweniger war das Original ein höchst geschickter Mechaniker, dessen nautische Instrumente namentlich sich eines bedeutenden Rufes erfreuten. Er hatte die Technik mit verschiedenen werthvollen Erfindungen bereichert und gern erholten sich andere Mechaniker bei Erfindung und Verbesserung von Maschinen bei ihm Raths.

So kamen auch 1839 zwei Bürger Bostons zu ihm, in großer Verlegenheit. Jahre lang hatten sie sich gequält, eine Strickmaschine zu erfinden, hatten der Eine, ein Opticus, all’ sein Wissen und Können, der Andere, ein Capitalist, ein gut Stück Vermögen daran gesetzt, hatten auch schließlich einen Apparat zu Stande gebracht, aber alle ihre Bemühungen, ihn in Gang zu setzen und arbeiten zu lassen, blieben umsonst. Da sollte nun Davis wieder einmal helfen. Kopfschüttelnd hörte er eine Zeitlang die Erklärungen des Erfinders an, welchen das gesammte Personal der Werkstatt umstand, dann platzte er in seiner gewohnten wunderlichen Manier plötzlich mit der Frage heraus:

„Aber um Gotteswillen, Mann, was plagt Ihr Euch mit Eurer Strickmaschine? Warum macht Ihr denn nicht lieber eine Nähmaschine?“

„Wenn ich’s nur könnte!“ erwiderte seufzend der Capitalist; „aber es geht nicht.“

„Freilich geht’s,“ sagte Freund Davis, „freilich, und Ihr sollt sehen, daß es geht; ich werde gleich selbst eine Nähmaschine construiren.“

„Schön, Mr. Davis,“ antwortete lächelnd der Andere; „thut’s und Ihr seid ein gemachter Mann.“

Bei diesem Gespräch hatte indeß die Sache ihr Bewenden. Davis’ Bemerkung wurde für das genommen, was sie in der That blos war, eine seiner bekannten paradoxen Behauptungen, und es fiel ihm niemals ein, die Erfindung einer Nähmaschine auch nur zu versuchen.

Unter seinen Arbeitern aber, welche der Scene beigewohnt,

  1. Von C. Lasch, dem Künstler unserer Illustration „Der Geburtstag des Dorfschullehrers“, haben unsere Leser schon früher (Gartenlaube 1866, Nr. 15) Treffliches gesehen, und um so mehr freuen wir uns, mit obigem Bilde ihnen ein neues Erzeugniß dieses ausgezeichneten Düsseldorfer Künstlers vorlegen zu können.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 492. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_492.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)