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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

was waren es für Werke? Es waren die Werke eines Ancillon, der die Aeußerung gethan, „das Volk habe das Bedürfniß, wie Kinder regiert zu werden,“ – eines Haller, der als Grundsätze des Staatsrechts gepredigt: „das Volk oder die Nation sei keine freie Bürgerschaft, sondern blos ein Aggregat von Untergebenen, ein Aggregat dienstbarer oder verpflichteter Menschen, der Souverain sei vor dem Volke wie der Stamm vor den Aesten, er sei von Formen unabhängig und über die von ihm gemachten positiven Gesetze und Einrichtungen erhaben,“ – eines Janke, der einen Arndt, Jahn, Fichte und andere Patrioten bei der preußischen Regierung als Volksaufwiegler verdächtigt hatte, – eines Kamptz, der durch seinen Codex der Gensd’armerie seine freiheitsfeindliche Gesinnung deutlich genug offenbart hatte, sowie durch seine kurz darauf erschienene Schmähschrift über das Fest das Beginnen der Jugend selbst rechtfertigte, – eines Schmalz, der frech genug die Erhebung des deutschen Volkes gegen die Franzosen nur als das Loslassen einer Koppel Jagdhunde durch die Fürsten und wie ein Commandiren zur Löschspritze darstellte, mit Kotzebue das elende Geschäft des Auflauerers, des Spions und Denuncianten trieb und damit das Schimpfwort „Schmalzgesell“, „Schmalziade“ als den Ausdruck äußerster Gemeinheit und Niederträchtigkeit, sowie den Spottvers veranlaßte:

Nun auf, ihr Burschen frei und schnell,
Ihr Brüder Du und Du,
Noch bellt der Kamptz- und Schmalzgesell,
Der Beel- und Kot-zebue!

Es waren die Werke von Anhängern und Schmeichlern Bonaparte’s, von Theoretikern des Despotismus, von Verräthern an deutschem Volksrecht und deutscher Freiheit. Warum sollte eine Schaar für Recht, Freiheit und Vaterland begeisterter junger Männer, denen der Bart schon gewachsen war, – die großentheils schon vor vier Jahren ihr Blut mit eingesetzt und mit geholfen hatten, die fremden Dränger zu vertreiben, – die ebenso gut wie das gesammte deutsche Volk erwarten durften, daß von den Fürsten das so feierlich gegebene Fürstenwort freier Verfassungen und Gründung eines einigen und starken Deutschlands gelöst werde – die durch ihre Studien des Rechts und der Geschichte mit den politischen Verhältnissen der Völker älterer und neuerer Zeit bekannt geworden, – die in den philosophischen Vorlesungen ihrer hochgeschätzten akademischen Lehrer ganz andere Begriffe vom Staat erhalten hatten, als die Diplomaten jetzt hineinlegten, – die noch von keinen Amtsinteressen befangen, noch unter keinen bureaukratischen Zwang gestellt waren und sich als freie Männer fühlten und fühlen durften, – warum sollten sie nicht auch das Recht besitzen, gegen das Treiben jener Personen, von denen es bekannt war, daß sie nicht nur die Hemmschuhe jener Erfüllungen, sondern die erklärten Feinde aller Freiheits- und Einigungsbestrebungen des deutschen Volkes waren, ihre Entrüstung zu äußern? Mag es auch unklug gewesen sein, „in ein Wespennest zu stören, in welchem eine Hornisse sich mit befand,“ – die Motive, welche Maßmann und seine Vertrauten bei ihrer improvisirten Demonstration leiteten, waren ebenso berechtigt wie edel.

Indem nun aber die Maßmann’sche Festbeschreibung die Einzelnheiten zu allgemeiner Kenntniß brachte und Oken in seiner „Isis“ das Verzeichniß der verbrannten Schriften mit bezeichnenden maliciösen Bildchen, z. B. einem Paar Eselsohren, einem Schafkopf, einem Fuchsschwanz, einer Knute etc. versah, wurden die beleidigten Schriftsteller auf das Aeußerste aufgebracht. Die Wespen flogen aus, ihnen voran die Hornisse. Mit der Gehässigkeit und Denunciationswuth, die ihre verbrannten Schriften athmeten, erhoben Kamptz und Consorten lautes Geschrei über den „Haufen verwilderter Professoren und verführter Studenten“, über „Vandalismus demagogischer Intoleranz“, über „Jacobinisches Complot“ etc. und denuncirten das Fest in leidenschaftlichster Weise. Die Jenenser Liberalen, ein Fries, Kieser, Oken, Luden, blieben die energischste Antwort nicht schuldig und die akademische Jugend antwortete in ihrer Weise. Nach den aufreizenden Holzschnitten in Oken’s Isis erschienen zur nächstfolgenden Fastnacht die sämmtlichen Thiergestalten und Persönlichkeiten verkleidet auf dem schönen offenen Markte zu Jena, widmeten dem Teufel, der zufällig aus Fries’ Hause hervorging, ihre sämmtlichen auf dem Wartenberg verbrannten Schriften und umtanzten ihn. Während dessen stand ein großer langhalsiger Vogel (der Vogel Ibis aus der Isis, zur Kennzeichnung Kotzebue’s) da, unbeweglich, fast von Niemandem beachtet, bis er endlich den langen Hals erhob, zwischen seinen Storchbeinen nach hinten fuhr, etc. Jedermann verstand die Geste, ein schallendes Gelächter lief an allen den dicht besetzten Fenstern des Marktes herum. Dicht neben dem Vogel, den Karl Ludwig Sand aus Wunsiedel darstellte, stand aber gleichfalls durch Zufall der Sohn Kotzebue’s. Er forderte Sand sofort auf Pistolen, wurde aber noch an demselben Abend spät von seinem Vater nach Weimar abberufen.

Die Reaction benutzte die Wartburgsgeschichte als Vorwand zu den heftigsten Angriffen auf die verhaßte freie Verfassung und freie Presse des kleinen Weimar. Ja selbst ein Niebuhr sprach von „kaum mannbaren Burschen, welche die Gesetzgeber machen wollten,“ ein Stein nannte in einem Brief an den Staatsminister von Gersdorff vom 10. Dec. 1817 in unbegreiflicher Verblendung Fries und Oken „ganz unreife, hohle, haltungslose Schwätzer,“ denen der Lehrstuhl zu verbieten sei, „sansculottische Schriftsteller, welche Mord und Aufruhr predigten,“ „Thoren, von denen der eine durch mystischen, anarchischen Unsinn und der andere durch demokratische Scurrilitäten die jungen Gemüther irre leite“!! Wenn selbst Männer wie Niebuhr und Stein zu solchen Ausfällen sich hinreißen ließen, wie kann es befremden, daß die Männer der Reaction – und leider Preußen voran – den Moment zur Eröffnung der Hetzjagd auf den erwachten Volksgeist und Liberalismus gekommen glaubten? Wer kennt sie nicht, die Jugend-Hetzereien, welche damals begannen und denen auch Sand’s That sowie die spätern geheimen Jugendbünde zur Last fallen? die nichtswürdigen „Demagogen“-Verfolgungen, die hochnothpeinlichen Untersuchungen gegen Männer wie Arndt etc. und das schmähliche Verfahren gegen den Mann, der vielleicht nur den einen Fehler hatte, sein Herz zu offen auf der Zunge zu tragen, gegen Friedrich Ludwig Jahn? Ihm, dem die berüchtigte Mainzer Untersuchungs-Commission unseligen Andenkens zum Vorwurfe, ja zum Verbrechen machte, daß er von Jugend auf die Einheit Deutschlands gewollt und angestrebt habe, wie hat ihm und seinen Bestrebungen die Entwickelung der Zeit Gerechtigkeit widerfahren lassen müssen! Wahrlich, man könnte am Vaterlande, an der Menschheit verzweifeln, wenn man nicht zugeben müßte, daß eben nur durch Kampf und Druck das Gute und Bessere, gereinigt und bewährt, veredelt und inzwischen Gemeingut, Gemeinkenntniß geworden, endlich doch zu Tage, zum Siege käme. Zunächst aber galten damals die Angriffe der Reaction dem mit Metternich’scher Staatsweisheit unvereinbaren liberalen Regierungssystem des Weimarischen Fürsten. Jene und seine freisinnigen Lehrer oder vielmehr der kleine freisinnige Großstaat Weimar selbst wurden gemaßregelt; über Fries und Oken wurden Criminal-Untersuchungen verhängt, Luden’s „Nemesis“ unterdrückt, Oken’s „Isis“ aus dem Weimarischen verdrängt. Was Maßmann selbst betrifft, so ging das Gerücht, daß preußische Soldaten von Erfurt herüber ihn festnehmen würden. Als Robert Wesselhöft ihn eines Tages frug, was er zu thun gedenke, entgegnete er ruhig: ich werde Jena nicht verlassen. Die Soldaten kamen nicht, aber ohne Untersuchung kam auch er nicht davon. Durch Kamptz wurde er in Weimar und Jena verklagt. Bei Bearbeitung seiner Vertheidigungsschrift ging ihm aber selbst der Professor und Geheime Hofrath, späterer Minister Schweitzer mit Rath und That zur Hand und forderte ihn sogar geradezu auf: „Schlagen Sie nur recht scharf und derb darauf!“ Maßmann wurde, wie er in seinem Traum „Die hohe Schule“ 1858 mitgetheilt, dafür, daß er sich bei Eisenach die Finger verbrannt hatte, zu einer Carcerstrafe von acht Tagen verurtheilt, deren letzten er dem Pedell „abkaufte“. Die Maßregler Weimars, die deutschen Großmächte, schickten sogar ihren Fürsten von Hardenberg und Grafen von Zichy eigens zur Revision nach Jena. Die Herren kamen und sahen sich um. Es war ein merkwürdiger Abend, als die beiden Herren am Markte am Fenster lagen und die gesammte Studentenschaft mit ruhig ernstem Gesange vor ihnen auf dem Markte auf- und abwogte. Kein rohes Wort, keine Ausgelassenheit wurde vernommen; – sie ahnten Alle, was es galt. Die Gesandten aber reisten wieder ab und berichteten, „daß die Sache nicht so sei, wie man sie dargestellt habe.“

Ja, die Sache war in der That nicht so, wie die Reaction sie dargestellt hatte. Das Wartburgfest war, wie die Liberalen schon im Jahr 1817 anerkannten, eine hehre Versammlung der edelsten, deutschen Jugend, ein Silberblick deutscher Geschichte nach jahrhundertelangem wüsten Treiben auf den Hochschulen, ein endlicher

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 488. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_488.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)