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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

von Burschenehre und Burschenfreiheit, entwickelte die neue burschenschaftliche Idee und schloß mit den begeisterten Worten: „Erkoren haben wir eine neue Oriflamme: Volksehre und Freiheit! und geschlossen im Geiste und Herzen einen öffentlich-geheimen Bund zur Wiederherstellung und Erhöhung unserer wahren Würde. Denn treulich und wahrhaftig wollen wir dieses Fest damit gefeiert haben, daß wir nach geistiger Freiheit ringen, wie Luther, und nach Verdrängung des Unrechts, wie die Sieger zu Leipzig, und wie diese und jener wollen wir nicht nur für den selbsteignen Heerd und die selbsteigne Freiheit kämpfen und sterben, sondern gleich ihnen für alle unsere Brüder. Ja, alle soll nur Ein Band umschließen, das Band der Ehre und der Liebe; und nur wenn wir mit allen unsern besten Kräften an diesem Bande weben, nimmer, nimmer davon ablassen und auf Gott vertrauen, nur dann wird unser Werk gelingen, nur dann dürfen wir mit Stolz und ohne zu erröthen, einst wieder diesen Saal betreten und uns mit höherer Freude in’s Auge schauen und sagen: Wir haben den Geist unseres Volks verstanden und, was er damals von uns gefordert, soviel an uns war, erstrebt und vollbracht!“ Es war vor Allen noch Rödiger, der beim Mißton einzelner Gegenreden und gegenseitiger Anschuldigungen verschiedener älterer Verbindungen von einzelnen Hochschulen mit unnachahmlicher und unwiderstehlicher Beredsamkeit die Gemüther mit sich fortriß. Auf Scheidler’s besondere Mahnung versöhnten und vereinten sich die streitenden Parteien, und wie einst die Schweizer Männer auf dem Rütli umarmten sich in patriotischer Begeisterung die Jünglinge der verschiedensten Universitäten und Verbindungen auf der Wartburg mit Bruderhand und Bruderkuß. Diesen Bruderbund besiegelten noch die Meisten, vorzüglich auf Sand’s Drängen, in der Kirche zu Eisenach mit dem Genuß des Abendmahls. Dann kehrten die Festtheilnehmer vom gastlichen Eisenach nach ihren Hochschulen zurück, nicht zu Wagen, nicht mit dem modernen Dampfroß, – den Stab in der Hand, den Eichenzweig an der Mütze, das Ränzel auf dem Rücken, wanderten sie fröhlich heim, und die Burschenfahne wurde bei Sturm und Regen, über Berg und Thal, (von Eisenach bis Weimar in einem Tag!) von den Jenenser Studenten Stark aus Weimar und Tömlich aus Altenburg auf den Schultern nach Jena zurückgetragen. Konnte Tömlich damals ahnen, daß nach wenigen Jahren diese Burschenfahne als das verfolgte Symbol des Einheits- und Freiheitsgedankens sich in seinen, des nunmehr wohlbestallten Pfarrers geheimen Schutz und unter den Altar seiner Dorfkirche flüchten würde?

(Schluß folgt.)




Eine Krönung von Volkes Gnaden.

Der große Festtag zu Ofen-Pest, der achte Juni 1867, an welchem vor dem Hochaltare im Dom zu Ofen der Kaiser Oesterreichs sein Haupt beugte, um auf dasselbe die Königskrone der Ungarn setzen zu lassen, war keine gewöhnliche Königskrönung. Nicht nach dem gewohnten Verlauf menschlichen Geschicks und monarchischer Ordnung war hier ein Fürst in’s Grab und ist sein Erbe auf den Thron gestiegen: eine Revolution hatte den rechtmäßigen König bewogen, seine ungarische Krone zugleich mit der Oesterreichs niederzulegen, in blutigem Kampf stand die Nation seinem Nachfolger gegenüber, bewältigt durch fremde Hülfe lag sie am Boden, das Recht ihrer Selbstständigkeit war vernichtet vom Kriegsrecht. Und nicht eine neue Revolution, nicht das Schwert hat der ungarischen Nation wieder zum Sieg ihres Rechts verholfen, sondern das beharrliche Festhalten an ihrem Recht in gesetzmäßigem politischem Kampf; nicht Waffengewalt im Innern hat den Beherrscher Oesterreichs zur Anerkennung dieses Rechts gezwungen, sondern nach furchtbaren äußeren Schicksalsschlägen auf sein Reich die Einsicht und Ueberzeugung, daß nur die Wiederaufrichtung des ungarischen Königthums den Frieden mit dieser Nation und daß nur dieser Friede die Neuerkräftigung des österreichischen Staatswesens herbeiführe. Die Ungarn sahen am achten Juni in Ofen ihr zertrümmert gewesenes Königthum glorreich wieder aufrichten, und darum bedeutet diese große Feier in der That zugleich eine Königs- und Volkskrönung.

Neben dem englischen giebt es in Europa kein für die Monarchie und für seine Krone begeisterteres Volk, als die Ungarn, und zwar zeichnen sich hierin die letzteren noch ganz besonders dadurch aus, daß der alte Goldreif der sogenannten Stephanskrone selbst es ist, mit dem sie den Begriff der königlichen Legitimität unzertrennlich verbinden. Keine Krone der Welt hat eine solche Bedeutung. „Nur der ist König von Ungarn, welcher mit dieser Krone gekrönt ist,“ steht ausdrücklich in den Grundgesetzen des Krönungsdiploms; ja, Kaiser Joseph der Zweite wird von den Ungarn nicht in der Reihe ihrer legitimen Könige mit gezählt, weil der seltene Mann, in seiner Scheu vor öffentlichem Pomp, die formelle Krönung in Preßburg verabsäumt hatte. Denn auch am uralten Krönungsceremoniel halten die Ungarn unerbittlich fest und bewahren deshalb mit der Krone die sämmtlichen übrigen Reichskleinodien – Schwert, Reichsapfel, Scepter, Mantel, Schuhe und Strümpfe – in einem eisernen Kasten als Nationalheiligthümer in der Burg von Ofen unter der Wacht besonderer „Kronhüter“.

Dennoch, oder vielmehr gerade wegen der Wichtigkeit, welche die Ungarn ihrer Krone beilegen, indem sie in ihr das äußere Zeichen ihrer Selbstständigkeit erkennen, hat dieselbe eine so abenteuerreiche Vergangenheit, daß eine kurze Schilderung derselben den sicherlich nicht wenigen unserer Leser, welchen sie bis jetzt unbekannt geblieben, willkommen sein wird.

Die Krone der Ungarn besteht aus zwei Theilen. Als Stephan, der als erster christlicher König des Landes später Heiliggesprochene, sich krönen lassen wollte, ließ er den Papst Sylvester den Zweiten in Rom um eine Krone und den Titel eines apostolischen Königs bitten. Beides wurde ihm, und zwar mit Genehmigung des römischen Kaisers deutscher Nation, Otto’s des Dritten, im Jahre 1000 gewährt; die Krönung erfolgte am fünfzehnten August des folgenden Jahres. Diese Krone bestand aus einem Goldreif mit den Schilden und den zwei gekreuzten Bogen sammt dem Reichsapfel darauf. Unter Stephan’s Nachkommen brach Unfrieden im Königshause aus, so daß Salomon dreimal gekrönt werden mußte und endlich doch das Reich an den Herzog Geysa verlor. Diesem hatte der byzantinische Kaiser Michael Dukas einen reich mit Edelsteinen besetzten und einer griechischen Inschrift gezierten Goldreif geschenkt, welcher nun mit der alten Krone verbunden wurde, so daß die Ungarn sich eigentlich einer Doppelkrone erfreuen. Dieselbe hatte auf dreiundzwanzig gesalbten Häuptern des arpadischen Stammes geruht, als dieser 1301 ausstarb. Ungarns Unglückswort heißt „Königswahl“. Die Eifersucht der heimischen Geschlechter, nicht die Armuth des Volkes an eigenen tüchtigen Männern, ließ stets fremde Häupter für die Ungarnkrone vorziehen. Diesmal gewann den Vorzug der zwölfjährige Sohn des Böhmenkönigs Wenzel, Wenzel der Jüngere, gegen Karl Robert Anjou von Neapel. Schon nach drei Jahren sah Wenzel der Aeltere sich genöthigt, mit Heeresmacht nach Ofen zu ziehen und seinen Sohn sammt der Ungarnkrone mit gen Prag zu führen. Die Ungarn wählten nun den Herzog Otto von Baiern zum König, und diesem antwortete Wenzel gern die Krone aus.

Um das Reichskleinod glücklich durch das eifersüchtige Oesterreich zu bringen, verkleideten der Herzog und sein Knappe sich als Kaufleute und der Letztere trug die Krone in einem Fäßchen am Sattelknopf. Nach einem scharfen nächtlichen Ritt, als am Morgen Herzog Otto in der Gegend von Fischament, unterhalb Wien, über die Donau wollte, fanden sie den Sattelknopf leer, das Fäßchen war verloren. Da galt’s ein Reiten! Aber schon nach einer Stunde sahen sie den Schatz wieder, noch unberührt in seinem Fäßchen, an einem Sumpf liegen. Das Gefäß war zu klein für die Krone gewesen und darum hatte das Kreuz des Reichsapfels auf derselben ein wenig umgebogen werden müssen; auch dieses historische Wahrzeichen ist der Krone bewahrt worden, kein Ungarnkönig hat seitdem eine andere Krone getragen, als die mit dem schiefstehenden Kreuze, und als am achten Juni Franz Joseph das Schwert nach den vier Seiten der Welt auf dem Krönungshügel schwang, konnte jeder Ungar dort an dem schiefen Kreuze sich überzeugen, daß sein König die wahre ungarische Krone trage.

Um sein sinkendes Ansehen zu heben, warb Otto 1307 persönlich bei dem Woiwoden von Siebenbürgen, Ladislaus, um dessen Tochter. Wir erfahren nun, daß der König die Krone stets bei

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 478. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_478.jpg&oldid=- (Version vom 29.1.2017)