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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Ein Ruck am Schleier des Geheimnisses ist es allerdings nur, aber doch etwas Neues, was uns über die „Geheimnißvollen im Schloß Eishausen bei Hildburghausen“ und namentlich den sogenannten „Grafen Vavel“ soeben brieflich mitgetheilt wird. Unsere Leser erinnern sich aus zwei Artikeln der Gartenlaube,[1] daß vom Anfang dieses Jahrhunderts bis in die Mitte der dreißiger Jahre ein durch hohe Bildung ausgezeichneter und mit reichen Mitteln versehener Mann offenbar der Wächter eines weiblichen Wesens war, das, ohne mit einem anderen Lebenden, als ihm, je in Berührung gekommen zu sein, auch abgeschlossen von der menschlichen Gesellschaft starb und einsam auf dem Stadtberge bei Hildburghausen begraben liegt. Der Mann ließ sich im Leben „Vavel de Versay“ nennen, duldete auch die Bezeichnung „Graf“ ohne Widerspruch, und erst nach seinem Tode, 1845, ward er aus seinen Papieren als ein Herr „van der Valck“ enthüllt, dessen Erben sich unter diesem Namen meldeten und auch seine Hinterlassenschaft ausgehändigt erhielten. Er selbst hat im Leben öffentlich diesen Namen nie geführt, und wenn er sich in mehr vertraulichen schriftlichen Mittheilungen vielleicht „V.“ unterschrieb, so konnte dies nur auf „Vavel“ oder „Versay“, nicht auf „Valck“ gedeutet werden.

Jetzt bringt uns ein Herr W. L. Reinhard, Kaufmann in Hannöverisch-Münden, die Kunde, daß durch seine Hände die Gelder gegangen, die dem räthselhaften Unbekannten nach Eishausen geschickt worden seien. Als er nämlich im Jahre 1844 Commis in der Handlung Jonas Pfeiffer und Sohn in Cassel gewesen, seien vierteljährlich Geldsendungen an einen „Herrn van der Valck“, der in der Nähe von Hildburghausen wohnte, gemacht worden, und zwar sei dies auf folgende Weise geschehen: „Herr van der Valck“ – so schreibt unser Gewährsmann – „schickte quartaliter von seiner Hand ausgestellte Wechsel auf ein Amsterdamer Haus, wenn ich nicht irre P. F. Laarmann und Sohn; diese Wechsel wurden von meinem Hause bei dem Bankgeschäft von Gebrüder Pfeiffer versilbert und ihm das Geld übersandt. Es kann jedoch auch sein, daß ihm die Wechsel vom Hause P. F. Laarmann und Sohn zugesandt waren, daß solche auf Gebrüder Pfeiffer in Cassel lauteten und durch unsere Vermittelung eincassirt wurden. – – Wie groß die Summe war, ist mir ebenfalls nicht genau mehr erinnerlich. Die Gelder wurden an Herrn van der Valck adressirt; ob derselbe aber Leonardus Cornelius oder Ludwig hieß, oder ob nur die Anfangsbuchstaben des Vornamens und welche durch unsere Bücher liefen, darauf kann ich mich nicht mehr besinnen.“

Diese Nachricht antwortet wenigstens auf eine der bisher unbeantwortet gebliebenen Fragen: „Woher bezog der ‚Graf‘ seine Mittel?“ annähernd und es sind neue Namen genannt, welche die Enthüllung der Person des Mannes weiter fördern können.

Dagegen war unsere Hoffnung, daß in Altenburg, in den Tagebüchern der Herzogin Charlotte von Hildburghausen, der Schleier des Geheimnisses vor der Person des unglücklichen Weibes zu heben sei, das um ein ganzes Leben betrogen worden ist, wohl eine vergebliche, denn ich erfahre aus Hildburghausen, daß jene Tagebücher gar nicht mit nach Altenburg gekommen, sondern noch lange auf einem Boden des Hildburghäuser Schlosses zu sehen gewesen seien. Was dort aus ihnen geworden, weiß ich nicht.

Zu beklagen wäre es, wenn diese Hülle von einer offenbaren Unthat ungehoben bliebe. Ist das arme Wesen um sein Leben gebracht worden, was wäre gerechter, als daß ihm wenigstens das Andenken der Nachwelt gerettet und das an ihm begangene Verbrechen von der Geschichte gerichtet würde?

Fr. Hofmann.




Das Geheimmittelwesen der Gegenwart. I. Nachdem durch die immer größere Ausbreitung dieses Handelszweiges ein Schwindel getrieben wird, welcher seines Gleichen sucht, so erlauben wir uns, von Zeit zu Zeit eine kleine Blumenlese unter den am meisten gerühmten Wundermitteln zu halten und durch chemische Analysen und hieraus festgestellte Calculationen zu beweisen, daß derartige Industrielle nur auf die Geldbeutel ihrer Mitmenschen speculiren und sich keine Scrupel machen, für oft sauer verdiente Groschen Allbekanntes oder Wirkungsloses zu bieten.[2]

1) Stollwerk’s Brustbonbons; Hausmittel gegen Husten, Halsübel etc. Geprüft und attestirt von dreiundzwanzig Aerzten, gekrönt durch zwei Preismedaillen. Ist nach der Untersuchung von Wittstein ganz ordinärer Zucker, welchem man durch ein homöopathisches Quantum eines unschädlichen Kräuterabsudes ein mystisches, schmutzig-trübes Aussehen gegeben hat. Das Paquet enthält knapp fünf Loth Bonbons, kostet vier Neugroschen, hat aber incl. Verpackung einen Werth von elf Pfennigen sächsisch. Man kaufe sich dafür ein Pfund ordinären Zucker zu vier Neugroschen, da man auf Spuren eines Kräuterabsudes getrost verzichten kann.[WS 1]

2) Didier’s weiße Senfkörner; helfen gegen nahezu dreißig Krankheiten, welche der jedem Paquete beigegebene Prospect einzeln aufzählt und dabei bemerkt, daß man diese Liste sogar noch vergrößern könne. Dieselben sind ferner bei den Engländern und Amerikanern in dem Maße populär, daß sie die unentbehrlichen „Gesundheits-Sicherheits-Ventile“ derselben bilden. Ist eine gute, ausgesuchte Sorte weißen Senfes, welche pro Centner einen Werth von höchstens acht Thalern, pro Pfund zwei Neugroschen vier Pfennigen beanspruchen kann. Das halbe Paquet enthält ein Pfund und kostet bei uns siebenzehn bis achtzehn Neugroschen; folglich werfen wir bei jedem solchen Einkauf einen halben Thaler zum Fenster hinaus, abgesehen davon, daß sich die meisten unserer Aerzte gegen dieses Mittel aussprechen.

3) Weißer Brustsyrup von G. A. W. Mayer in Breslau; hilft gegen Alles, was Hals und Brust belästigt. Hager und Jacobsen geben nach ihrer Untersuchung folgende Vorschrift: Zehn Pfund Zucker, drei bis vier Pfund Wasser und drei Pfund Rettigsaft werden abgekocht und abgeschäumt, bis der Zucker vollkommen gelöst ist. Die Originalflasche enthält zweiundsiebenzig Loth solchen Saft und kostet zwei Thaler, ist aber nicht den vierten Theil werth, der Wirkungslosigkeit bei so hartnäckigen Uebeln, für welche der Brustsyrup angepriesen wird, gar nicht zu gedenken.

4) Augenessenz von Romershausen; ist nach W. Müller ein weingeistiger Fenchelsamenauszug im Verhältnisse 1–12. Die Originalflasche enthält ein halbes Pfund dieser sehr simplen Tinctur, kostet einen Thaler, ist aber noch keine vier Neugroschen werth.

5) Bergmann’s Zahnwolle. Ist ordinärer Baumwollfaden, in Staniol gewickelt; wird angebrannt, ausgeblasen und der Rauch der glimmenden Wolle in die Nase eingesogen, bis Thränen aus den Augen kommen und der Zahnschmerz aufhört. Kostet zwei und einen halben Neugroschen und ist keinen Pfennig werth. Kann durch jede brennende Lunte oder durch einen glimmenden Holzspahn ersetzt werden.

6) Kornneuburger Viehpulver, ein Pfund sechszehn Neugroschen, besteht nach R. Hofmann aus achtzig Theilen zerfallenem Glaubersalz, zehn Theilen Schwefel, fünf Theilen Calmus und ebensoviel Enzianwurzel. Eigentlicher Werth drei Neugroschen pro Pfund.

Eugen Dieterich.




Gedenket Eurer Brüder zur See! Zu wiederholten Malen hat die Gartenlaube Anlaß genommen, die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger, die sich im vorletzten Jahre in Bremen gebildet hat, auf das Wärmste der Theilnahme ihrer Leser zu empfehlen. Jetzt nun veröffentlicht der Vorstand des Vereins, Consul H. H. Meier in Bremen, einen Bericht über die im verflossenen Jahre durch die verschiedenen Stationen der Gesellschaft bewerkstelligten Rettungen, welche Zeugniß ablegen von dem reichen Segen, den der Verein bereits gestiftet (es sind zusammen hundertundeinvierzig Menschenleben durch ihn gerettet worden), und zugleich die Rechnungsablage, aus welcher sich zwar ergiebt, daß die Mittel der Gesellschaft schon jetzt eine Erweiterung des Rettungswesens ermöglichen, allein noch nicht im Entfernten hinreichen, um alle unsere Küsten mit den nöthigen Rettungsstationen zu versehen. Er wendet sich daher von Neuem an die Opferfreudigkeit der deutschen Nation und glaubt dies nicht beredter thun zu können, als indem er seinem Rechenschaftsberichte das wirkungsvolle Bild aus Nr. 17 des laufenden Jahrgangs der Gartenlaube beifügt, das nach einer Zeichnung Leich’s die Rettung Schiffbrüchiger mittels Raketenapparat und Rettungsboot so lebenswahr und ergreifend darstellt. Der Bericht ist von dem Generalsecretär der Gesellschaft Dr. H. A. Schumacher in Bremen zu beziehen; wir aber legen das Liebeswerk abermals allen Freunden unseres Blattes recht dringend an das Herz.




Zur Nachricht!


Mit dieser Nummer schließt das zweite Quartal. Wir ersuchen daher die geehrten Abonnenten, ihre Bestellungen auf das dritte Quartal schleunigst aufgeben zu wollen.

Die Verlagshandlung.




Unsere Mitarbeiter bleiben auch im neuen Semester die bewährten, alten. Die Herren R. Benedix, Beta, Bock, Brehm, Brunold, Fr. Gerstäcker, G. Hammer, G. Hiltl, Alfred Meißner, Max Ring, Professor Richter, Carl Ruß, Johannes Scherr, Levin Schücking, Herman Schmid, Schulze-Delitzsch, Albert Traeger, Temme, Carl Voigt, L. Walesrode, Fr. Wallner, die Damen M. von Humbracht, E. Polko u. v. a. werden nach wie vor unser Blatt mit ihren regelmäßigen Beiträgen zieren. Nur einige wenige Titel mögen darthun, daß wir auch im künftigen Vierteljahr unsern Lesern eine reiche Auswahl von Erzählungen und Aufsätzen, Skizzen und Bildern zu bieten haben:

E. Marlitt, das Geheimniß der alten Mamsell. Fortsetzungen und Schluß. – Ein Verbrecher im Frack. Aus den Erinnerungen eines Arztes.– Gefängnißleben zur Schreckenszeit. Von Joh. Scherr. – Die Sünden der heiligen Mission. – Aus den Erinnerungen eines Mitgliedes des Reichstages. – Die Alchemie. Von Prof. Erdmann in Leipzig. – Das erste deutsche Nationalfest. Von Robert Keil. – Der Reformator in der Gießhütte. Mit großer Abbildung. – Ein Besuch in der Herberge der Gerechtigkeit. Von August Becker. – Die Nationaltabakspfeife. Mit vielen Abbildungen. – Pariser Ausstellungsberichte etc. etc. – Der Haberfeldtreiber. Erzählung von H. Schmid etc. etc.

Leipzig, im Juni 1867.

Die Redaction.




Inhalt: Das Geheimniß der alten Mamsell. Novelle von E. Marlitt. (Fortsetzung.) – Ein neuer Todtentanz. Mit Abbildung. – Ein Besuch bei Victor Hugo. Von R. Waldmüller (Ed. Duboc). – Bruder Fritz. – Ein morgenländischer Gartenpalast und Todtengarten. Mit Abbildung. – Blätter und Blüthen. Skizzen aus Oesterreich I. Von Th. Canisius. – Ein Ruck am Schleier des Geheimnisses. Von Fr. Hofmann. – Das Geheimmittelwesen der Gegenwart. I. Von E. Dietrich. – Gedenket Eurer Brüder zur See!


Verantwortlicher Redacteur Ernst Keil in Leipzig. – Verlag von Ernst Keil in Leipzig. – Druck von Alexander Wiede in Leipzig.


  1. Jahrg. 1863, Nr. 19 und 20 und Jahrg. 1866, Nr. 24.
  2. Besonders empfehlenswerth ist das kürzlich erschienene „Taschenbuch der Geheimmittellehre“ von Dr. G. C. Wittstein. Dasselbe enthält eine Zusammenstellung der meisten bis jetzt untersuchten Artikel. Preis 21 Ngr.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. dazu Erklärung von Franz Stollwerck im Heft 33.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 416. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_416.jpg&oldid=- (Version vom 28.11.2020)