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verschiedene: Die Gartenlaube (1867)

Kräfte, jeder Berufene nahm gern Theil an dem neuen, so mannigfachen Genuß verheißenden Streben. Gleichwohl hatte die Direction Gelegenheit genug, ihre Energie und Ausdauer zu erproben, denn Mißgunst, Neid und Eifersucht legten dem jungen Institute viele Hindernisse in den Weg. Aber schon im zweiten Jahre seines Bestehens errang der Kölnische Männergesangverein den ersten Preis in dem von der „Societé des Mélomanes“ zu Gent veranstalteten Gesangwettstreit. Sein Ruf war damit begründet und er ward nun bald das Vorbild für die allenthalben in den kleinen Städten auftauchenden Vereine für Männergesang.

Ehrenpokal
des Kölner Männergesangvereins für seinen Dirigenten.

Neben der energischen Pflege der Kunst war es die Uneigennützigkeit, welche dem Verein alsbald die allgemeine Theilnahme zuwendete; damit Hand in Hand ging die Aufopferung der Mitglieder. Von Begeisterung für ihre schöne Sache getragen, brachten sie Alle gern materielle Opfer für den gemeinsamen Zweck. Sie bewährten ihre Devise: „Durch das Schöne stets das Gute.“

Aus seinen ersten Ueberschüssen machte der Verein eine Schenkung an den Kölner Dom, ein Glasmosaik-Fenster für die obere Chor-Galerie, und dagegen erhielt er jene schöne Vereinsfahne, welche noch heute bei allen Festen entfaltet wird, gestickt von den Kölnischen Mädchen und Frauen.

Anfangs 1846 gründete der Verein den deutsch-vlämischen Sängerbund und gab in Verbindung mit 2300 belgischen und deutschen Sängern am 14. Juni das erste große Festconcert auf dem „Gürzenich“. Felix Mendelssohn-Bartholdy schrieb eigens dafür die Composition des Schiller’schen Gedichtes „An die Künstler“ und leitete persönlich das Concert.

In den weitesten Kreisen wurde der Kölner Männergesangverein bekannt, als er im Jahre 1853 auf den Plan eines industriösen Impressario, des Hofbuchhändlers Mitchell zu London, einging und zum Besten des Domes eine Sängerfahrt nach der Welthauptstadt antrat. Es gehörte viel Energie dazu, den zahlreichen Vorurtheilen Trotz zu bieten, welche von allen Seiten gegen den Plan auftauchten. Das große Publicum ist immer geneigt, allen Unternehmungen egoistische Motive unterzuschieben, es glaubt nur ungern an Großmuth und Opferwilligkeit. Als aber die achtzig Sänger, Männer aus allen Ständen, sich auf Monatsfrist aus ihren Verhältnissen losrissen, bereitwillig für Stellvertreter sorgten und mit Mühen und Kosten ihre längere Abwesenheit ermöglichten, da neigte sich alsbald das öffentliche Urtheil zu Gunsten des Unternehmens, zumal der Erfolg über alle Erwartung glänzend ausfiel. Die Theilnahme des englischen Publicums, das einstimmige Lob der Presse, dreimalige Einladungen zur Königin Victoria und eine Einnahme, die nach Abzug der über zwölftausend Thaler betragenden Gesammtkosten und nach geschehener Theilung mit dem Impressario noch dreitausenddreihundertfünfzig Thaler für den Dom und fünfhundert Thaler für wohlthätige Zwecke ergab – das Alles mußte allgemein imponiren.

Noch im December des nämlichen Jahres, traf der unternehmende Impressario wieder in Köln ein, um die Sänger zu einer zweiten Londoner Reise für den nächsten Frühling einzuladen. Diesmal dehnte er seinen Plan auch auf andere englische Städte aus und engagirte den Verein zugleich für Birmingham, Manchester und Liverpool. Obwohl die Erfolge der ersten Reise einen günstigen Verlauf der zweiten voraussehen ließen, traten die Sänger doch die zweite Fahrt nicht ohne Besorgniß an. Der Krimkrieg war ausgebrochen, die Bewohner Englands hatten manchen Angehörigen bei der Armee im fernen Lande, sie mochten vielleicht wenig geneigt sein, auf friedliche Kunstgenüsse einzugehen, und wohl gar die damals in England herrschende, Preußen ungünstige politische Stimmung auf die Sänger übertragen. Aber das erste, am 8. Mai gegebene Concert fand vor überfülltem Hause statt, und namentlich war die höchste Aristokratie außerordentlich zahlreich vertreten. Nur einmal wurden die rheinischen Sänger an den Krieg im fernen Süd-Rußland gemahnt. Auf den Wunsch mehrer hochgestellten Personen unterließen sie beim fünften Concert den Vortrag des Silcher’schen „Grabliedes zur See,“ um nicht die in manchen Kreisen herrschende Trauer über die im Kriege gefallenen Angehörigen wach zu rufen. Außer von der Königin wurde der Verein auch von der Herzogin von Sutherland nach Stafford-House am St. James-Park eingeladen; er gab in dem überaus prächtigen Palaste ein Concert, dem unter Andern auch Lord Russell, Gladstone, Lansdowne, Graf Walewski etc. beiwohnten. Mit Zustimmung des Vereins veranstaltete Herr Mitchell eine größere Zahl von auswärtigen Concerten und begann mit Bradford. Hier, wie in der dicken Luft der andern Fabrikstädte, wirkte das deutsche Lied wie Frühlingssonnenschein und weckte Begeisterung in tausend Herzen, die sonst nur für Baumwolle, für Kette und Schuß geschlagen hatten. Als nach Aufführung von einundzwanzig Concerten die Gesellschaft Abschied nahm, hatte sie, einschließlich eines Beitrags von der Königin, über dreizehnhundert Pfund Reineinnahme, und der Dom erhielt mehr als sechstausendfünfhundert Thlr.

Im Jahre 1855 zweigte sich aus dem Kölner Männergesangverein der „Kölner Sängerbund“ ab, der, seitdem als besonderer Verein bestehend, sich neben demselben einer großen Popularität in Köln und im Rheinlande erfreut und in neuester Zeit der erste war, der die Veranstaltung von Concerten zum Besten der National-Dotation für den Dichter Ferdinand Freiligrath anregte.

Die große Ausstellung zu Paris im Jahre 1856 gab Veranlassung, daß der Verein den Entschluß faßte, auch in der französischen Hauptstadt zu Gunsten des Domes zu concertiren. Es zeigte sich jedoch, wie viel weniger der Franzose für die deutsche Musik empfänglich ist als der Engländer. Die Einnahme blieb 18,000 Francs unter den Kosten. Die französische Presse war einstimmig in dem Lobe der Leistungen der Sänger, Rossini’s Worte: „Voilà la première musique depuis dix ans que j’écoute avec plaisir“ (das ist die erste Musik seit zehn Jahren, die ich mit Vergnügen höre) machten die Runde, der Impressario Mitchell hatte die enormste Anstrengung zur Bekanntmachung nicht unterlassen – dennoch mangelte es an der ausreichenden Theilnahme. Von den Zeitungsartikeln gaben manche dem humoristischen Element unter den Sängern reichen Stoff durch die Art, wie sie die Unkenntniß der Franzosen höchst ergötzlich verriethen. Ein Blatt erzählte z. B. eine schauerliche Mähr von einer zu Köln in Trümmern

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verschiedene: Die Gartenlaube (1867). Ernst Keil’s Nachfolger, Leipzig 1867, Seite 381. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1867)_381.jpg&oldid=- (Version vom 15.3.2017)